Die NRW-Landesregierung und das Geld für Jugend und Bildung
„Wir haben in den vergangenen sieben Jahren mehr als 200 Milliarden Euro in Kinder, Bildung und Familien investiert.“ Mit dieser Aussage macht Landesmutter Hannelore Kraft Wahlkampf für die SPD. Stimmt das?
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beruft sich immer wieder auf die runde Summe von 200 Milliarden Euro, die ihre Regierung in Kinder, Bildung und Familie investiert habe. Unter anderem fiel die Zahl in einem Interview mit der SPD-Parteizeitung „Vorwärts“, das am 31. März erschien.
Der Landeshaushalt 2010 allerdings wurde noch von der von CDU und FDP gestellten Vorgängerregierung aufgestellt. Die rot-grüne Minderheitsregierung beschloss nach dem Regierungswechsel einen Nachtragshaushalt.
Es ist zweifelhaft, den Haushalt 2010 komplett dem ersten Kabinett Kraft zuzurechnen.
Der für 2017 beschlossene Haushalt wurde im Frühjahr noch nicht komplett „investiert“. Außerdem muss der Haushalt 2017 unter dem gleichen Vorbehalt stehen wie der von 2010: Nach der Landtagswahl kann ein neue Regierung eine Wende der Ausgabenpolitik bewirken und den Haushalt wiederum für sich reklamieren.
Fragwürdig ist es, im Frühjahr eines (Wahl-)Jahres den laufenden Landeshaushalt komplett mitzuzählen.
Ohne 2010 und 2017 sind es nicht 200 Milliarden Euro für „Kinder, Bildung und Familien“, sondern 153 Milliarden, die insgesamt in den drei Etats von Schulministerium, Wissenschaftsministerium und Familienministerium aufgewendet wurden. Ohne 2017 sind es 175 Milliarden, ohne 2010 sind es 183,9 Milliarden.
Addiert man die Ausgaben der drei Ressorts inklusive der Haushalte von 2010 und von 2017, kommt man wirklich auf mehr als 200 Milliarden, auf 205,4 Milliarden.
Fazit
Die 200 Milliarden stehen unter Vorbehalt des laufenden Haushaltsjahres und des schwarz-gelben Teil-Haushaltes 2010. Falsch ist die Zahl nicht. Aber kräftig aufpoliert.
Im Zitat von Hannelore Kraft heißt es weiter: NRW habe seit Antritt der Kraft-Regierung 200 Milliarden in Kinder, Schule und Familien „investiert“.
Wirklich?
Investiert, d.h. aufgewendet für Sachwerte, Infrastruktur bzw. neue Stellen wurde nur ein geringer Teil. Der weitaus größte Prozentsatz geht in laufende Kosten, in Personal, Pensionen. Diese Ausgaben hätten andere Landesregierungen auch nicht anders ausgegeben.
Politisch aussagekräftiger als die 200 Milliarden sind die Zuwächse in den Zuweisungen für Wissenschaft, Schule, Familien: Von 2010 auf 2011 stiegen sie um eine Milliarde Euro, um anderthalb Milliarden in 2012, keine Steigerung in 2013, um 2,2 Milliarden in 2014, um 0,7 Mrd. in 2015, um zwei Milliarden 2016 und um 1,5 Mrd. in 2017.
Von 2010 bis 2016 ist das ein Anstieg von 7,1 Milliarden, inklusive 2017 sogar von 8,6 Milliarden.
Die Ausgaben für Bildung und Familien wurden unter Rot-Grün also deutlich erhöht. Allein der Schuletat wuchs von 14 Milliarden Euro in 2010 auf 17,8 Milliarden im laufenden Jahr. Allerdings war der Posten auch vorher auf einem Wachstumskurs.
Die Landesregierung hat Recht, wenn sie sagt, „so viel wie nie zuvor für Bildung und Familien“ ausgegeben zu haben. Das gleiche konnte aber auch die schwarz-gelbe (Vor-)Vorgängerregierung für sich in Anspruch nehmen.
Unsere Wertung: Zwei von fünf Pinocchios für die NRW-Landesregierung und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Mit Pinocchios bewerten wir den Wahrheitsgehalt einer offiziellen Aussage. Fünf Pinocchios stehen für das Maximum einer bewussten Falschmeldung. Ein Pinocchio bezeichnet eine leichtgewichtige Falschmeldung, die Menschen versehentlich in die Irre leitet. Drei Pinocchios stehen für eine grobe unwahre Aussage, die mehr oder weniger fahrlässig über offizielle Kanäle oder in Interviews wiederholt verbreitet wurde.