Bundeswehr verschwendet Millionen: 3D-Druck ohne Plan, ohne Wirkung
Der Bundesrechnungshof kritisiert Bundeswehr und Bundesverteidigungsministerium scharf für eine fehlende Strategie beim 3D-Druck, ungenutzte Geräte und mangelhafte Umsetzung. Die Bundeswehr sieht das anders.

In der modernen Verteidigung zählt Hightech zur Grundausstattung. 3D-Druck verspricht, die Logistik der Bundeswehr zu vereinfachen, Ersatzteile schneller bereitzustellen und unabhängiger von globalen Lieferketten zu werden. Doch die Realität sieht anders aus: Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofes verschleudert die Bundeswehr Millionen in Hightech-Drucker, während es an den Grundlagen fehle. Ohne Baupläne, Fertigungsrechte, die Regeln, wer welche Objekte drucken darf und eine strategische Einbindung der Industrie bleibe der 3D-Druck ein teurer Leerlauf. Diese Investitionen seien „weitgehend wirkungslos“, urteilt der Bundesrechnungshof. Obwohl das Scheitern laut dem Bericht längst absehbar ist, fließen bis 2028 weitere 15 Millionen Euro in neue Geräte – dabei würden die bereits vorhandenen kaum genutzt. Es fehlt der Bundeswehr offenbar an Plan und Kontrolle.
Der Bundesrechnungshof kritisiert in einem Bericht, der CORRECTIV vorliegt, dass die Bundeswehr beim 3D-Druck planlos agiere und zentrale Voraussetzungen wie Konstruktionsdaten und fertigungsgerechte Planung ignoriere. Scharfe Kritik übt der Bundesrechnungshof auch am zuständigen Bundesverteidigungsministerium: Trotz millionenschwerer Investitionen fehle es an strategischer Planung, wirtschaftlicher Abwägung und vertraglicher Verankerung.
„Das Ziel, den 3D-Druck bis zum Jahr 2030 vollumfänglich zu nutzen und die eigene Logistik zu verbessern, kann das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) so nicht erreichen. Es lässt das Potenzial des 3D-Drucks ungenutzt und handelt unwirtschaftlich“, so die Prüfer des Bundesrechnungshofs im Bericht.
Das Ministerium verteidigt die millionenschweren Investitionen
In einer Stellungnahme zum Bericht des Bundesrechnungshofs verteidigt das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) das Projekt. Der 3D-Druck sei eine neue „disruptive“ Technologie, deren Einführung komplex sei und hohe Anfangsinvestitionen sowie lange Zeiträume erfordere. Seit November 2021 führe die Bundeswehr das Vorhaben im Rahmen eines langfristig angelegten Projekts ein, das sich derzeit noch in der Pilotphase befinde.
Messbare und nachhaltige Effekte auf das Gesamtsystem seien aus Sicht des BMVg erst nach Abschluss der Einführung im Jahr 2030 zu erwarten. Eine Bewertung von „Erfolg und Wirtschaftlichkeit“ sei zum jetzigen Zeitpunkt daher nicht sinnvoll.
Trotz Pilotstatus seien bereits erste Erfolge sichtbar, so das Bundesverteidigungsministerium: Marine, Streitkräftebasis und Luftwaffe hätten einzelne Ersatzteile aus Kunststoff gefertigt. Der logistische Prozess sei etabliert, perspektivisch sei auch der Druck mit metallischen Werkstoffen geplant. Dafür seien jedoch weitere „Folgeinvestitionen notwendig“.
Welche Bedeutung haben 3D-Drucker für das Militär?
Die Hightech 3D-Drucker ermöglichen es, Ersatzteile schnell und direkt selbst herzustellen – ohne lange Lieferzeiten oder komplizierte Bestellungen. Statt Teile von Firmen zu kaufen, können sie vor Ort gedruckt werden.
So können zum Beispiel einfache Kunststoffteile direkt vor Ort nachgedruckt werden – etwa für Ausrüstung, Waffenzubehör, Nachtsichtgeräte oder Fahrzeuge. Künftig sollen auch einzelne Metallteile per 3D-Druck hergestellt werden, beispielsweise für Waffensysteme oder Kampfflugzeuge.
Der 3D-Druck ist im Militärbereich kein völlig neues Konzept – doch erst seit etwa 2016 steigt die praktische Nutzung deutlich an. Länder wie die USA und Israel gelten dabei als Vorreiter. Die US-Streitkräfte setzen 3D-Druck heute nicht nur für Ersatzteile an Fahrzeugen und Flugzeugen ein, sondern auch für temporäre Bauten oder Ausrüstungen direkt im Einsatzgebiet. In Israel kommt die Technologie unter anderem bei der Instandhaltung älterer Militärflugzeuge zum Einsatz – mit teils besseren Ergebnissen als bei herkömmlichen Ersatzteilen. Deutschland hingegen befindet sich noch in einer Pilotphase.
Worum geht es konkret?
Seit 2016 prüft die Bundeswehr die Einführung von 3D-Drucktechnik – mit dem Ziel, Ersatzteile schnell und dezentral selbst herstellen zu können. Fakten aus dem Bericht:
- Die Bundeswehr investierte bereits 3,4 Millionen Euro für 33 3D-Drucker, ohne über ausreichende Konstruktionsdaten oder Fertigungsrechte für den Druck bestimmter Objekte zu verfügen – die Technik bleibt dadurch nahezu wirkungslos.
- Weitere 15 Millionen Euro sollen bis 2028 in neue Drucker fließen, obwohl die bestehenden kaum genutzt werden.
- Nur für zehn Ersatzteile liegen momentan überhaupt Druckdaten vor, obwohl die Bundeswehr über drei Millionen Ersatzteile verwaltet.
- Der 3D-Druck wurde nicht in Beschaffungsverträge integriert – weder rechtlich noch technisch vorbereitet. Beschaffungsverträge werden zwischen der Bundeswehr und Unternehmen abgeschlossen, um Ausrüstung zu beschaffen.
- Das Projekt läuft offiziell noch bis 2030.
Was kritisiert der Bundesrechnungshof?
Der Bundesrechnungshof stellt in seinem Bericht fest, die Bundeswehr habe das Potenzial des 3D-Drucks bislang nicht ausgeschöpft. Aus Sicht der Prüfer wäre es erforderlich gewesen, vorrangig Konstruktionsdaten und Fertigungsrechte zu sichern, um dafür zu sorgen, dass zum Beispiel Ersatzteile schneller vorliegen. Stattdessen habe die Bundeswehr den falschen Schwerpunkt gesetzt und vor allem in eigene Drucker investiert.
Kritik übt der Bericht auch am Bundesverteidigungsministerium. So habe das BMVg „versäumt, messbare Ziele vorzugeben, die es mit dieser Technik erreichen will.“ Es fehle auch ein verlässlicher Arbeits- und Zeitplan.
Was der Bundesrechnungshof vorschlägt:
Der Bundesrechnungshof sieht im 3D-Druck ein erhebliches Potenzial für die Bundeswehr. Damit könnte sie ihre materielle Einsatzbereitschaft deutlich verbessern:
„Die Bundeswehr fokussiert sich noch zu sehr auf technische Aspekte und vernachlässigt die sinnvolle Einbindung in den logistischen Kontext.“ Und weiter: „Das BMVg sollte unverzüglich darauf hinwirken, dass die Bundeswehr Forderungen zum 3D-Druck in ihre Beschaffungsverträge aufnimmt. Dazu muss es Vorgaben machen und dafür sorgen, dass die Bundeswehr diese umsetzt.“
Welche Aufgabe hat der Bundesrechnungshof?
Der Bundesrechnungshof ist eine unabhängige Kontrollbehörde, die prüft, wie der Bund mit Steuergeldern umgeht. Er deckt Verschwendung auf und macht Vorschläge, wie der Staat effizienter arbeiten kann: Der Bericht des Bundesrechnungshofs hat keine unmittelbaren rechtlichen Folgen, ist aber politisch einflussreich.
Finale Ergebnisse erst Ende 2029 – wenn überhaupt
Trotz der harschen Kritik verweist die Bundeswehr gegenüber CORRECTIV auf Fortschritte: „Aktuell werden alle beschafften 3D-Drucker genutzt“, erklärt ein Sprecher des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr auf Anfrage. Demnach seien sowohl ortsfeste als auch mobile Einheiten, etwa Marineschiffe, mit der Technik ausgestattet.
Zwar lägen inzwischen Konstruktionsdaten für eine „untere dreistellige Zahl“ an Ersatzteilen vor, doch die Zahl vollständig nutzbarer Datensätze bleibe „im unteren zweistelligen Bereich“. Konkrete Anwendungen gebe es aber: In 140 Fällen sei die Einsatzfähigkeit von 84 Systemen wiederhergestellt oder erhöht worden – beispielsweise durch Kunststoffbauteile für Nachtsichtgeräte oder Waffensysteme.
Momentan sei man noch in der Umsetzung des Projekts, so der Sprecher des Bundesamts für Ausrüstung gegenüber CORRECTIV. Erst Ende 2029 sei mit finalen Ergebnissen zu rechnen.
Redaktion: Justus Von Daniels
Redigat und Faktencheck: Gesa Steeger