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Liebe Leserinnen und Leser,
Usedom ist mit seinen kilometerweiten Sandstränden eine beliebte Urlaubsinsel. Dass auf der polnischen Seite nun ein enormes Öl- und Gasfeld entdeckt wurde, löst Sorge aus – vor Folgen für Tourismus und Umwelt. Auch auf der Insel Borkum in der Nordsee gibt es einen erbitterten Streit um ein großes Gasförderfeld. Wir ordnen es im Thema des Tages ein – und zeichnen das größere Bild, was dies mit dem Gas-Revival der Bundesregierung zu tun hat. Eine passende Fortsetzung finden Sie dazu in der Werkbank – über eine Maßnahme, die den Ausbau erneuerbarer Energien ausbremsen könnte.
Außerdem im SPOTLIGHT: Am Montag hatten wir die Begleitumstände des ARD-Sommerinterviews mit Alice Weidel thematisiert. Heute wird es nochmal inhaltlich. Das Team vom CORRECTIV.Faktencheck stellt wichtige Behauptungen der Parteichefin auf den Prüfstand – und hat dafür Daten und Kontext zu Themen wie Gehalt, Ausreisepflicht oder Bürgergeld ausführlich aufbereitet.
In der Grafik des Tages gibt es heute die Auswertung zu unserer Boomer-Soli-Umfrage.
Haben Sie einen guten Abend und schreiben Sie mir gern unter sebastian.haupt@correctiv.org.
Thema des Tages: Zweifelhaftes Gas-Revival
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Bundeswirtschaftsministerin vs. Energiewende?
Grafik des Tages: Rente – So denken die SPOTLIGHT-Lesenden über den „Boomer-Soli“
Diese Nachricht sendete gestern Schockwellen an die deutschen Ostseestrände aus: Vor Usedom gab es den womöglich größten Fund an Erdöl und -gas in der polnischen Geschichte.

Darum hat das Streitpotential:
In Polen löste die Nachricht einige Euphorie aus. Auf deutscher Seite hingegen herrscht Sorge. Usedom, ein beliebtes Ziel an der Ostsee, lebt vom Tourismus. Kilometerlange Sandstrände mit Bade- und Kurorten prägen die Insel. Die polnische Hafenstadt Swinemünde, nur wenige Kilometer von den Vorkommen entfernt, liegt in Sichtweite. Droht dort bald eine Bohrplattform? Auf deutscher Seite fürchtet man ums Tourismusgeschäft – und die Umwelt.
Das ist der aktuelle Stand:
Ob sich die Förderung lohnt, müssen weitere Probebohrungen zeigen. Frühestens in einigen Jahren könnte ein regulärer Förderbetrieb beginnen und bis zu fünf Prozent des polnischen Bedarfs an fossilen Brennstoffen decken. Polen wird also kein zweites Kuwait.
Usedom ist nicht der einzige Streitfall
Ortswechsel zur Nordsee. Vor Borkum, im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, liegt ein großes Gasfeld. Dort steht bereits eine Förderplattform der niederländischen Firma One-Dyas. Vor wenigen Wochen genehmigte die Bundesregierung ein Förderabkommen mit den Niederlanden. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Ein Teil des Gases soll nach Deutschland fließen.
Umweltverbände kämpfen gegen das Projekt. Sie warnen vor Schäden im Wattenmeer und erzielten einen ersten Erfolg: Ein Gericht untersagte dem Betreiber, ein Stromkabel durch das Meer zu verlegen. Doch das letzte Wort ist damit noch nicht gesprochen.
Mehr Gasförderung in Deutschland?
Das umstrittene Gasvorhaben deckt sich mit der energiepolitischen Ausrichtung der schwarz-roten Bundesregierung. Man wolle „die Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland nutzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch wo gibt es Reserven in Deutschland?
Möglicherweise im oberbayerischen Ort Reichling, in der Nähe von Landsberg am Lech. Dort will ein kanadischer Konzern Probebohrungen durchführen. Umweltverbände laufen Sturm, im Ort ist die Angelegenheit hoch politisiert.
Die größten aktiven Fördergebiete liegen hingegen in Niedersachsen. Doch dort sinken die Fördermengen seit Jahren. Das verweist auf ein zentrales Problem: Die bekannten Vorkommen reichen bei der aktuellen Förderrate noch etwa acht Jahre – mit konventionellen Methoden. So schätzt es die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ein.
Wer mehr aus der Erde holen will, muss demzufolge entweder sehr viel Geld in die Erschließung stecken – mit ungewissem Erfolg. Oder übers Fracking sprechen. Bisher gibt es keinen Vorstoß, diese heikle Debatte erneut aufzumachen.
Rolle rückwärts in der Umweltpolitik
Offiziell geht es beim neuen Gas-Kurs um Energiesicherheit. CORRECTIV-Recherchen zeigen aber, dass die Koalition insgesamt eine Rückwärtsrolle in der Energiepolitik vollzieht. Kritiker fürchten, dass Deutschland so seine Klimaziele verfehlen könnte.
Wie Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche den Klimaschutz ausbremst, hat unser Team CORRECTIV.Klima kürzlich hier bilanziert. In der Werkbank lesen Sie heute von einem neuen Vorstoß: Reiche plant, Anbieter erneuerbarer Energien stärker zu belasten, während sie die Gasindustrie entlastet.
Merz verteidigt die Nichtbeteiligung Deutschlands an Gaza-Appell
Deutschland hat den Appell für ein Ende des Gazakriegs nicht mitunterzeichnet. Bundeskanzler Merz verteidigt das Vorgehen und betont, dass er als einer der Ersten den Zustand des Gazastreifen als nicht länger hinnehmbar erachtet hatte.
spiegel.de
Selenskyj billigt Gesetz, das Antikorruptionsbehörden einschränkt
In mehreren Städten in der Ukraine wird demonstriert. Auch die Europäische Union äußerte sich kritisch zu dem Gesetzesbeschluss, es sei laut EU-Kommissarin Marta Kos „ein ernsthafter Rückschritt“.
tagesspiegel.de
Lokal: Berlin will von Journalistengruppe Geld zurück
Mit Landesgeldern soll eine Journalistengruppe ein Wohnhaus in der Oranienstraße in Kreuzberg saniert haben. Das Ziel dieser Investition sollte ursprünglich sein, Raum für soziales Wohnen zu schaffen. Laut dem Land Berlin wurde dies nicht eingehalten. Sie fordern nun die Rückzahlung der Fördergelder plus Zinsen.
spiegel.de (€) / tagesspiegel.de
Pharmakonzern will geheim Rabatt mit Krankenkassen vereinbaren
Laut Informationen, die dem NDR, WDR und der SZ vorliegen, macht sich ein Pharmakonzern ein umstrittenes Gesetz zunutze und verhandelt einen geheimen Rabatt eines Medikaments mit den Krankenkassen.
sueddeutsche.de (€) / tagesschau.de

Faktencheck

Das Sommerinterview von Alice Weidel in der ARD wurde von lauten Demonstrationen gestört. Dazu – und zu anderen Themen – stellte Weidel mehrere falsche oder unbelegte Behauptungen auf.
correctiv.org
Endlich verständlich
Die AfD hatte im letzten Jahr Revision eingelegt: gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass die Partei als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden darf. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurückgewiesen – die Einstufung ist damit rechtskräftig. Damit darf der Verfassungsschutz die Partei unter anderem mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten.
Davon unabhängig hatte der Verfassungsschutz die Bundes-AfD kürzlich vom „Verdachtsfall“ zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Das gerichtliche Verfahren dazu läuft noch weiter.
tagesschau.de
So geht’s auch
Können Nikotinpflaster auch als Therapie bei Long-Covid- und Fatigue-Syndrom eingesetzt werden? Die Pflaster werden eigentlich zur Rauchentwöhnung verwendet. Inzwischen finden sie auch bei Long-Covid und ME/CFS-Patienten Anwendung. Durch das Coronavirus wird das menschliche Nervensystem gestört, Symptome wie Muskelschwäche und Konzentrationsprobleme können auftreten. Die Nikotinpflaster sollen diese Störungen ausgleichen. Dies wird aktuell näher erforscht.
web.de
Fundstück
Die Löhne und Gehälter in Deutschland steigen wieder. Die Deutschen verdienen im Schnitt 217 Euro mehr als im Vorjahr 2024. Es bestehen jedoch große Gehaltsunterschiede, die durch Wohnort und Geschlecht variieren.
faz.net
Die Energiewende muss vorankommen, wenn Deutschland seine Klimaziele bis 2045 erreichen will. Der Ausbau von Windanlagen und Stromnetzen ist teuer – entscheidend ist dabei auch, wer die finanzielle Last trägt. Bisher sind das vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Netzbetreiber.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) schlägt nun vor, auch Ökostrom-Anbieter stärker an den Ausbaukosten zu beteiligen, wie das Handelsblatt berichtet – also jene Unternehmen, die mit Wind- und Solarenergie das Rückgrat der Energiewende bilden. Statt diese Unternehmen zu entlasten, legt Reiche ihnen nun zusätzliche Hürden in den Weg.
Dabei ist unstrittig: Die maroden Stromnetze müssen umfassend modernisiert und ausgebaut werden, damit grüner Strom überall ankommt. Laut Bundesrechnungshof belaufen sich die erforderlichen Investitionen auf bis zu 460 Milliarden Euro bis 2045. Reiches Lösung? Die Erneuerbaren sollen zahlen. Betreiber von fossilen Gaskraftwerken offenbar nicht.
Ein Vorgang, der erneut den Eindruck erhärtet, dass Katherina Reiche den fossilen Energien näher steht als den Erneuerbaren. Denn wenn es um Kohle, Gas oder Atomkraft geht, scheint die solidarische Finanzierung kein Problem zu sein. Wie im Fall der Gasspeicherumlage, die nach dem Willen der Bundesregierung jetzt über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) bezahlt wird. Fossiles Gas wird so künstlich vergünstigt – auf Kosten des Klimaschutzes.
Daran müssen wir uns offenbar gewöhnen.

Ein klares Nein. Wir wollten von Ihnen wissen, ob Sie die Idee des „Boomer-Soli“ gut finden. Also den Vorschlag einiger Ökonomen, dass die wohlhabenderen Ruheständler diejenigen mit geringen Renten finanziell unterstützen sollen. Über zwei Drittel bewerten die Idee negativ.
Rentnerinnen und Rentner haben, so lautet ein Kommentar, „verdient, ein sorgenfreies Alter zu genießen. Sie sind nicht schuld an der Misere“. Andere kritisieren, dass diejenigen bestraft würden, die privat vorsorgen. Das heißt jedoch nicht, dass die meisten das gegenwärtige Rentensystem als fair empfinden. Im Gegenteil: Gut zwei Drittel bewerten es eher oder klar negativ.
In den Kommentaren gab es daher zahlreiche Reformvorschläge. Viele forderten ein einheitliches Rentensystem für alle, bei dem etwa auch Beamte einzahlen müssen. Andere wollen ein finanzpolitisches Umdenken: Vermögen stärker besteuern und härter gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Augenmerk legten einige auch auf den aktuellen Arbeitsmarkt: Die große Zahl an Minijobs könne das Rentensystem nicht finanzieren. Und langfristig stellen sich viele die Finanzierungsfrage: Braucht es mehr kapitalgestützte Elemente? Einer der durchaus kreativen Vorschläge: Wer mehr Kinder hat, solle eine höhere Rente bekommen. Ob das für einen Babyboom sorgen kann?
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner und Jule Scharun.
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