
Treffen sich Putin und Trump in Alaska. Klingt wie der Beginn eines mäßig amüsanten Witzes, aber die Verhandlungen zwischen dem russischen und dem amerikanischen Präsidenten sind nicht lustig. Das Duo entscheidet über Krieg und Frieden in der Ukraine, über Leid und Trauer, über Weltmärkte und darüber, wie optimistisch viele von uns in die Zukunft blicken.
Ich vertrete unseren Chefredakteur Justus, der hoffentlich eher an den nächsten italienischen Cappuccino als an das arktische Treffen denkt. Als Klima- und Energiejournalistin sehe ich den unausgesprochenen Grund, warum die Welt so gebannt auf diese beiden Männer, schaut: Unsere Gesellschaft hängt an fossilen Energien. Putin liefert der Welt Gas und Öl, Trump Öl und Gas. Ohne die konventionellen Brennstoffe in ihrem Boden wären ihre Länder nicht bedeutender als viele andere. Der eine wäre ein Cowboy mit stechendem Blick, der andere ein alternder Sitcom-Star.
Denn, sorry für die schlechte Nachricht an einem schönen Augustwochenende (am Ende wird es wieder optimistischer, also lesen Sie unbesorgt weiter). Wer nicht sonderlich öko lebt, beginnt den Tag schon mit Kohle- oder Erdgasstrom: beim Einschalten der Nachttischlampe oder dem Weckerklingeln. Womöglich schlüpfen wir in Funktionskleidung – aus Erdöl.
Das Frühstück? Zwei Scheiben Brot, gebacken in Gasöfen. Mit Wurst belegt aus Schweinen, gemästet mit südamerikanischem Futter, transportiert mit Schweröl.
Der Weg zur Arbeit? Das Auto fährt mit Mineralöl, die Straße besteht wahrscheinlich aus erdölhaltigem Asphalt. Im Winter heizt Erdgas Büros, Fabriken und Krankenhausflure.
Zur Mittagspause ein Salat mit Lachs? Der Dünger für das Gemüse wird mit Erdgas hergestellt, der Lachs reist mit Schweröl. Die Baustelle auf dem Heimweg lärmt mit einem Presslufthammer – betrieben mit Mineralöl. Zuhause entspannen wir auf der Couch, gepolstert mit erdölbasiertem Schaumstoff. Danach eine Dusche mit Durchlauferhitzer – Erdgas.
Die Börsennachrichten? Fast alle Dax-Konzerne hängen an fossilen Energien.
Und die Pizza am Abend? Der Lieferant bringt sie mit einem Benzinroller. Die beruhigende Nachtcreme enthält Paraffine aus Erdöl. Ja, gute Nacht.
Oder besser: Guten Morgen! Denn es geht auch anders, mit weniger Trump und Putin im Bett und Magen. Und hier kommt nun die optimistische Klima- und Energiejournalistin in mir durch: Wir könnten uns befreien. Deutschland hat kein eigenes Öl und Gas, aber Wind und Sonne. FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete Wind- und Solarkraft in einer seiner hellsten Stunden mal als „Freiheitsenergien, die uns aus der Abhängigkeit lösen“.
Bislang aber verschärft die Merz-Regierung unsere Abhängigkeit. Warum?
Regierungsentscheidungen folgen nicht immer sachlichen, triftigen Gründen. Manchmal spielen, wie wir es bei unserer Recherche zu Wirtschaftsministerin Katherina Reiche recherchiert haben, ideologische Gründe eine Rolle für ihre übermäßige Gasliebe, die sich – siehe oben – bis nach Alaska auswirkt.
Manchmal auch Buddys, Netzwerke, und auch Interessenkonflikte. Jens Spahn, CDU-Fraktionsvorsitzender und Meister der Netzwerke, liefert ein Paradebeispiel. Unsere Artikelserie über ihn liest sich wie ein Krimi. Nach dem Finale – in wenigen Wochen – wird ein großartiges Schaubild stehen, unser Designer Anwar arbeitet daran. Unsere Chefredakteurin Anette veröffentlichte diese Woche einen knackigen Artikel zu Spahns Boys-Club.
Das hoffnungsvolle Ende sollte jetzt eigentlich die UN-Konferenz für ein weltweites Abkommen gegen Plastikmüll liefern, schließlich ist Plastik aus Erdöl und insofern schon wieder mit dem Putin-Trumpschen Alaskatreffen verknüpft. Werde nie den entsetzten Blick meines kleinen Sohnes vergessen, als er erfuhr, dass die geliebten Legozüge noch größtenteils aus Erdöl bestehen. Aber leider ist das Abkommen vorerst an der Lobby der Erdölstaaten gescheitert. Die positive Rolle spielt nun in dieser Woche CORRECTIV, wie hoffentlich häufig in Ihrem Leben: Wir bleiben dran. An diesen Lobbys, an Merz, Putin und Trump, selbst an Alaska: Diese Woche begrüßten wir unsere Kollegin Jenna aus Alaska in der Redaktion. Unser Medienhaus wird immer größer, internationaler und energiegeladener.
Und das ist eine sehr gute Nachricht.
Herzlich,
Ihre
Annika Joeres
Kulturkampf im Verein
Deutschland ist das Land der Vereine. Im Kleingartenverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Sport – überall kommen Menschen zusammen. Doch was, wenn die Menschen gegensätzlicher nicht sein könnten? Der eine, AfD-Mitglied, drängt in die Vereine. Der andere, Feuerwehrmann, stellt sich gegen Rechtsextremismus. Die Thüringer Allgemeine zeigt in ihrem Podcast „Vereinnahmt“, wie die Neue Rechte Vereine gezielt unter Druck setzt: mit Drohungen, dem Entzug der Gemeinnützigkeit und dem Vorwurf mangelnder „Neutralität“. So verschieben sie den Diskurs – und machen Vereine und Ehrenamt zur Bühne ihres Kulturkampfs.
Folge 1 – Plötzlich politisch? (thueringer-allgemeine.de, Podcast)
Das Sterben einer Demokratie
Viele glauben, der Tod einer Demokratie komme mit einem großen Knall. Ein Fehler, schreiben Forscher Peter Neumann und Journalist Richard Schneider in ihrem neuen Buch: Ihr Sterben passiert schleichend, sodass es einige nicht einmal bemerken. Ein Interview mit dem Deutschlandfunk.
Das Sterben einer Demokratie vollzieht sich schleichend (deutschlandfunk.de, Audio)
Stadthitze: Parkplätze statt Bäume
Versiegelte Parkplätze treiben die Temperaturen in Städten nach oben. Bäume könnten Abhilfe schaffen. Eine Datenrecherche von FragdenStaat und ARD Story haben sich die am stärksten versiegelten Parkplätze in sechs Städten angesehen, in denen es besonders heiß wird: Mannheim, Stuttgart, Frankfurt am Main, Hannover, Braunschweig und Köln. Ihre Recherche zeigt: Die Städte kümmern sich kaum um das Hitzeproblem – obwohl sie es könnten.
Parkplatz mit Aussicht auf Hitzschlag (fragdenstaat.de)
Wie leben wir in zehn Jahren?
Litauens Ex-Außenminister Landsbergis entwirft im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ein Best- und ein Worst-Case-Szenario: Es geht um Putin, Trump, Deutschland – und einen Staat, der gerade die gesamte EU lähmt.
Europa 2035 – das sind mögliche Szenarien (sueddeutsche.de, €)

CORRECTIV Inside
Der brandenburgische Verfassungsschutz hat diese Woche zum ersten Mal proaktiv das AfD-Gutachten veröffentlicht. Der Landesverband wird in diesem für gesichert rechtsextremistisch erklärt. Zwei zentrale Akteure: Andreas Kalbitz, der dem aufgelösten Flügel um Björn Höcke angehörte, und Dennis Hohloch, Landtagsabgeordneter in Brandenburg.
Kalbitz und Hohloch begegnete ich zufällig im Sommer 2019. Damals 21 und gerade für ein Praktikum in Berlin, saß ich im Flugzeug – komplett nichtsahnend – neben zwei der wichtigsten Größen der rechtsextremen Szene.
Der Flug ist mir bis heute gut in Erinnerung. Nicht nur, weil mir Kalbitz aus Versehen seinen Wein über den Schoß schüttete. In Brandenburg war damals Wahlkampf und die beiden bereiteten Hohlochs Kampagne vor. Was mich daran entsetzte: Hohloch, damals noch Lehrer, sprach darüber, wie er seine Schülerinnen und Schüler einbinden könne. Und auch wenn die AfD 2019 noch nicht in Gänze so radikal auftrat, wie sie es heute tut: Den Gedanken, dass Minderjährige für ihre Politik instrumentalisiert werden, fand ich schon damals schlimm.
Ein Blick in das Gutachten zeigt, dass mich mein Bauchgefühl bei Hohloch nicht getäuscht hat. So sprach er 2024 davon, dass Kinder namens Mohammed und Ali „gewalttätig“ seien und andere Kinder „erpressen“ und „bedrohen“ würden. Und er versprach: Unter einem AfD-Bildungsminister würde diesen Kindern „das Recht auf Bildung“ entzogen werden.
Nicht mal ein Jahr nach unserer Begegnung wurde Kalbitz aus der AfD geschmissen. Grund waren seine Verbindungen in die verbotene „Heimattreue Deutsche Jugend“. Ein neonazistischer Verein, der Zeltlager für Kinder organisierte und diese ideologisch drillte. Hohloch stand Kalbitz weiterhin nah, setzte sich auch innerhalb der Partei noch eine Zeit lang für ihn ein. Später wurde Hohloch schließlich selbst vom Brandenburger Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem erklärt. Trotzdem sitzt er bis heute im Landtag.
Mittlerweile sind mir die beiden natürlich ein Begriff – auch durch meine Arbeit. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, wer und was die AfD-Brandenburg so radikal macht, können Sie es hier detailliert nachlesen. Der brandenburgische Verfassungsschutz hat es auf 142 Seiten festgehalten.

Posten für Freunde
Unter Jens Spahn als Gesundheitsminister erhielten zwei Männer hochrangige Jobs in der Gesundheitsbranche, die privat gut mit Spahn bekannt sind. Bei beiden erschließt sich nicht unbedingt, weshalb sie die bestgeeignetsten Kandidaten waren.
correctiv.org
Milliardenschäden durch Hacker – und Deutschland ist schlecht vorbereitet
Die Zahl der Hackerangriffe steigt seit Jahren – ebenso die dadurch verursachten Schäden. Der Bundesrechnungshof warnt: Die Bundesregierung muss Cybersicherheit endlich zentral steuern und ausreichend finanzieren. Doch auf CORRECTIV-Nachfrage zeigt sich: Die Koalition verfügt über keine klare Strategie.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Finn Schöneck.
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