Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

in der Weltpolitik steht gerade viel auf dem Spiel: Staats- und Regierungschefs ringen darum, wie Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine beendet werden könnte. Und um die umstrittene Siedlungspolitik von Israels Regierung, die neue Wohneinheiten in den Gaza-Streifen bauen will. 

Beide Themen haben eines gemeinsam: Nur, wenn Medien auf Basis nachprüfbarer Fakten berichten, können sich Gesellschaften eine objektive Meinung darüber bilden. Seit jedoch vor ein paar Jahren in den USA Steve Bannon – damals Trumps Medienstratege – erfolgreich das Konzept der „alternativen Fakten“ etabliert hat, ist das stabile Gerüst, an dem wir uns früher festgehalten haben, weggebrochen: die Welt mit Fakten einordnen. Wenn Fakten nichts mehr wert sind, woran können wir uns dann festhalten?

Umso bedrückender ist es, dass unsere Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, die Frau mit dem zweithöchsten Amt im Staat, sich am Wochenende durch eine Aussage vom Grundsatz distanziert hat, dass Journalismus faktenbasiert sein muss. Mehr dazu im Thema des Tages.

Außerdem im SPOTLIGHT: Unser Bericht gestern, dass Stadtverwaltungen Bürgerdaten gegen Geld an Parteien weitergeben, hat für rege Diskussionen gesorgt. In unserer Rubrik „So geht’s auch“ zeigen wir ein Beispiel, das uns eine Leserin geschickt hat – wie es besser geht. Unsere Redaktion recherchiert weiter zu diesem Thema. Wenn Sie Hinweise dazu haben, schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Zählen Fakten noch?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

CORRECTIV.Faktenforum: Altes Bild: Selenskyj reiste im August nicht im T-Shirt nach Washington

Gute Sache(n): Erklärt: Organ als Hoffnung gegen Krebszellen • Widerspruch bei der Adressweitergabe – so geht es vorbildlich • Augentropfen statt Brille

CORRECTIV-Werkbank: Eindrücke aus den USA

Grafik des Tages: Medizinische Selbstzahlerleistungen: Oft mehr Schaden als Nutzen

Dass so viele Medien, auch wir, uns überhaupt für die Veranstaltung interessierten, hat einen bestimmten Grund: Gastgeber war die Firma CompuGroup. Über den Gründer dieser Firma, Frank Gotthardt, haben wir von CORRECTIV kürzlich ausführlich recherchiert. Er ist nämlich auch ein bekannter Rechtskonservativer – und Finanzier des Rechtsaußen-Krawallmediums Nius.

Was dieses Medium so tut, kann man zum Beispiel hier nachlesen.

Bundestagspräsidentin Klöckner bei besagtem Sommerfest. Quelle: picture alliance/dpa | Sascha Ditscher

Klöckners umstrittene Aussage:
Bei ihrer Rede auf dem Fest rechtfertigte die CDU-Politikerin ihren Besuch bei Gotthardt so:

„Die taz kennen Sie alle. Die vertritt das sehr linke Spektrum. Gotthardt investiert in ein Medium genau auf der anderen Seite. Aber in den Methoden sind sich beide nicht so sehr unähnlich, in ihren Vorgehensweisen.“
Julia Klöckner
Bundestagspräsidentin

Was von der Aussage zu halten ist:
Puh. Also, die Fakten:

  • Die taz ist, wie CORRECTIV, der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung, die FAZ, die Zeit und viele andere (zum Beispiel auch viele gute Lokalzeitungen im Land) eine Medienmarke, in der journalistisches Handwerk gemacht wird.
  • Handwerk ist ein wichtiges Stichwort: „Journalist“ ist zwar kein geschützter Begriff – es darf sich also jeder so nennen. Aber es gibt Journalistenschulen, in denen das Handwerk vermittelt wird: Wie formuliert man verständlich? Welche Fragen muss ein Text beantworten? Und vor allem: Wie prüft man die Fakten, auf die man sich bezieht?
  • Seit ein paar Jahren haben sich in Deutschland nun aber eine Reihe von „alternativen Medien“ gegründet, die eben nicht mit Fakten arbeiten, sondern mit dem Gegenteil davon: damit, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen oder Statistiken wissentlich in einen falschen Kontext zu stellen. Es sieht aus wie Fakten, ist aber Manipulation. 

Warum das ein Problem für die Demokratie ist:
Das hat das Magazin Katapult gut zusammengefasst: Die sogenannten Alternativmedien haben Anteil daran, dass das Land politisch nach rechts rückt.

Die Medienstrategen der AfD dürften sich momentan also ziemlich ins Fäustchen lachen über Klöckners Aussage. Denn sie befeuert die Haltung, Fakten seien verzichtbar.

Warum Klöckner die Aussage getroffen haben könnte:
Es gibt zwei Lesarten – und ich hoffe, die erste ist die richtige: 

Entweder weiß sie wenig über das Handwerk des Journalismus, was aber insofern unwahrscheinlich ist, als dass sie selbst mal als Journalistin gearbeitet hat.

Oder sie ist sich der Wirkung ihrer Worte bewusst und hofft, sie selbst und die CDU profitieren politisch, wenn rechte Propaganda-Portale an Einfluss auf die Meinungsbildung im Land gewinnen. 

Hinzu kommt, dass Klöckner und Millionär Gotthardt einander gut kennen, wie das Recherche-Team von T-Online hier berichtet.

Wie einflussreich sind die alternativen Medien?
Bisher ist zumindest Nius längst noch nicht so relevant, wie es nach der Klöckner-Äußerung scheinen könnte. In unserer Spahn-Gotthardt-Recherche hat unser Reporter Jean Peters dazu ein paar Fakten zusammengetragen: 

Kritisches Siedlungsprojekt in Israel genehmigt 
Ein Planungsausschuss in Israel hat einem international kritisierten Bauprojekt zugestimmt. Es handelt sich um eine Siedlung im Westjordanland, in der 3.400 Wohneinheiten entstehen sollen. Sie würde das Westjordanland in zwei Teile spalten und die Mobilität der palästinensischen Bevölkerung erheblich einschränken. 
deutschlandfunk.de

Lokal: Österreichischer Rechtsextremist hält Lesung in München 
Der rechtsextreme Österreicher Martin Sellner hält in Räumen der AfD-München eine Lesung. In Augsburg durfte er als Leitfigur der Identitären Bewegung nicht auftreten. Zur Erinnerung: Sellner war einer der zentralen Protagonisten auf dem Treffen zwischen Rechtsextremen und Vertretern der AfD in Potsdam, das CORRECTIV aufgedeckt hatte
sueddeutsche.de (€)   

Millionen Paypal-Zugangsdaten im Darknet  
Im Darknet sind 15,8 Millionen Zugangsdaten von Paypal-Nutzern aufgetaucht. Die Cybersecurity-Szene schlägt Alarm. Die Daten wurden durch eine sogenannte Schadsoftware erbeutet, diese infiziert die Geräte von Nutzern und greift so gespeicherte Daten ab.
wdr.de / sueddeutsche.de(€) 

So geht’s auch
Sie erinnern sich: Gestern berichteten wir im „Thema des Tages“ über Städte, die Bürgerdaten gegen Gebühr an Parteien gegeben haben. Heute hat uns dazu eine interessante Nachricht von unserer Leserin Inge S. erreicht – ein Beispiel dafür, dass manche Städte auch verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen. Sie erzählt, dass sie sich nach ihrem Umzug an einen neuen Wohnort ummelden musste und dabei ein Formular erhielt, auf dem sie der Weitergabe ihrer Daten an Parteien, Behörden und Telefonbuchverlage widersprechen konnte. Wir finden: ein vorbildlicher Ansatz.

Fundstück
Können Augentropfen eine Lesebrille ersetzen? In den USA erhält erstmals eine Augentropfenlösung die Zulassung zur Behandlung der Altersweitsichtigkeit (Presbyopie). Die Lösung verengt die Pupille leicht und erzeugt so den Pinhole-Effekt, der das Nahsehen für bis zu 10 Stunden verbessert. Anwender können in dieser Zeit auf die Lesebrille verzichten.
futurezone.at


Im US-Justizministerium wurden mehr als 200 Mitarbeitende entlassen, ohne jede Begründung. Dabei traf es häufig solche, die Korruptionsermittlungen gegen Trump oder seine Verbündeten unterstützt hatten. Beim FBI sieht es ähnlich aus. Es ist ein Muster: Kritische Akteure werden systematisch aus Macht- und Entscheidungsstrukturen verdrängt. 

Solche Entlassungen zeigen, dass Loyalität über selbstkritischer Aufarbeitung steht – ein deutliches Merkmal autoritärer Herrschaftsausübung. Behörden könnten so nach und nach ihre Funktion als neutrale Kontrollinstanzen verlieren. Mitarbeitende könnten aus Angst weniger widersprechen, Verfahren wegen Amtsmissbrauch oder möglicher Korruption ins Stocken geraten.

Doch wie sieht es mit der innerstaatlichen Opposition aus? Die Republikaner kontrollieren weite Teile des politischen Apparats, selbst moderate Abgeordnete folgen meist der Parteilinie. Die Demokraten sind zwar im Repräsentantenhaus und im Senat präsent, können aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse wenig ausrichten. Eine Restbastion bilden einige Gouverneure, Bürgermeister, Gerichte: Sie stemmen sich gegen Eingriffe in ihre Rechte. Aber ihre Macht ist regional begrenzt. Die größte oppositionelle Kraft in den USA stellt, das merke auch ich in Gesprächen mit lokalen Akteuren hier, die Zivilgesellschaft. 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Maximilian Billhardt, Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.