Selbstschießende Polizeiautos in China? Was hinter dieser Falschmeldung steckt
Im Sommer 2025 heißt es im Netz und verschiedenen deutschen Medienberichten, dass es in der chinesischen Stadt Tianjin selbstschießende Polizeiautos gebe. Wieso das falsch ist.

„Eine Horrorvision aus China“, schreibt ein Nutzer Anfang September 2025 auf Facebook und teilt dazu einen Screenshot eines Artikels der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) mit dem tatsächlich dystopisch klingenden Titel „Das selbstschießende Polizeiauto aus China“. Auch andere Beiträge in Sozialen Netzwerken und weitere Medien verbreiteten die Behauptung: Angeblich seien in der chinesischen Stadt Tianjin neue Polizeiautos vorgestellt worden, die nicht nur selbst fahren, sondern auch selbst schießen könnten.
Dabei handelt es sich um eine Falschmeldung. Einige der Medien haben sich inzwischen korrigiert. Wie es zu der Falschmeldung kam, lesen Sie im Faktencheck.

Übersetzungsfehler: Polizeiautos nicht mit „Schussgerät“ ausgestattet, sondern mit Kamerasystem
Wie die FAS und das Technikmagazin Chip in Hinweisen unter ihren Artikeln inzwischen erklären, liegt der Falschmeldung ein Übersetzungsfehler zu Grunde. So heißt es bei der FAS: „Tatsächlich geht es um selbstfahrende Autos, die nicht mit scharfen Waffen, sondern vorerst nur mit Kameras Fotos ,schießen‘.“
Chip verweist auf einen chinesischen Artikel der staatlichen Nachrichtenagentur China News Service (CNS) mit einem Video eines solchen selbstfahrenden Polizeiautos. Dessen Beschreibung sei falsch übersetzt worden.
Wir haben die chinesische Beschreibung von unterschiedlichen Onlinediensten übersetzen lassen. Tatsächlich nennt beispielsweise der Dienst Reverso auf Deutsch ein „Schießgerät“. Andere Dienste übersetzen die chinesische Beschreibung korrekt – es geht um ein Kamerasystem: „Berichten zufolge sind diese Streifenwagen nicht nur mit Kamerasystemen, sondern auch mit Notruf-Funktionen ausgestattet“, heißt es bei CNS.

Medien trugen Übersetzungsfehler weiter – Ursprung lag offenbar bei der Nachrichtenagentur AP
Wie der österreichische Medienwatchblog „Kobuk“ herausfand, verbreitete sich die Falschmeldung mit dem Video von CNS schon am 11. August auf verschiedenen deutschen Nachrichten-Plattformen. In dieser Version, die von der Agentur KameraOne stammt, heißt es auf Deutsch: „Das autonome Fahrzeug ist mit einem Schusssystem […] ausgestattet“. Unten ist das Logo der Associated Press (AP) zu sehen, darunter steht CNS. Der China News Service ist einer der Partner, dessen Bildmaterial die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP nutzt.

CNS dürfte also der Urheber des Videos sein. Die falsche Übersetzung hat KameraOne nach eigenen Angaben von der Nachrichtenagentur AP übernommen, wie uns Wolfgang Harbauer, Chefredakteur für die DACH-Region bei KameraOne, auf Nachfrage erklärte. Das KameraOne-Video werde Kunden nicht weiter angeboten. AP antwortete bis zur Veröffentlichung nicht auf eine Anfrage dazu.
In Aufnahmen der Polizeiautos ist kein Schusssystem zu erkennen
Auffällig ist auch, dass an keinem der Fahrzeuge, die zu der Falschmeldung abgebildet wurden, außen Waffen oder Schusssysteme erkennbar sind. Zudem ist das Titelbild des FAS-Artikels veraltet. Es zeigt nicht den unbemannten Streifenwagen, der in Tianjin vorgestellt und ursprünglich im Video von CNS gezeigt wurde, sondern einen autonomen Streifenwagen des Herstellers Neolix aus Chinas Hauptstadt Beijing.
Roboter mit tatsächlichen Waffensystemen, die China bereits militärisch einsetzt werden, sehen im Vergleich anders aus. Die Waffen sind dort klar erkennbar.
Hersteller des autonomen Polizeiautos produziert offenbar auch für chinesisches Militär
Das selbstfahrende Polizeifahrzeug aus Tianjin wird von der Firma „HiGuard“ aus Shanghai hergestellt, wie sich an dem Aufdruck und Logo an der Vorderseite des Autos erkennen lässt.
Unter seinen Kunden und Partnern listet „HiGuard“ neben der Bewaffneten Volkspolizei auch die chinesische Armee. Auf ihrer Webseite zeigt die Firma auch „Sicherheitsroboter“ die mit Zylindern ausgestattet sind. Wofür die Zylinder verwendet werden, erklärt die Firma allerdings nicht auf ihrer Webseite. In Wenzhou im Osten Chinas gibt es laut Medienberichten allerdings bereits einen Polizei-Roboter einer anderen Firma, der Tränengas, Fangnetze oder Rauchgranaten abfeuern kann. Ob das autonom geschieht, wird in den Berichten nicht erklärt.

Wie der Blick durch die Kamera des in Tianjin vorgestellten autonomen Polizeiautos aussieht, lässt ein Video des Herstellers erahnen. Darin ist offenbar ein Soldat zu sehen, der mutmaßlich einen anderen Wagen der Firma „HiGuard“ aus der Ferne steuert. Auf einem Bildschirm ist zu erkennen, wie Menschen auf der Straße von dem Kamerasystem erkannt und Fotos ihrer Gesichter zugeordnet werden.

Redigatur: Sarah Thust, Kimberly Nicolaus