
Calm down, würde ich gern den aufgeregten Nachrichten der letzten Tage zurufen. Wenn alles gleich laut ist, kann man nichts mehr verstehen.
Kimmel, Klar, Kirk, Kontrolle über TikTok. Plötzlich rasen die Debatten, verschränken sich ineinander. Genau das ist es, was sich Leute wie Steve Bannon und die anderen Flood the Zone with Shit-Kampagnen-Schmieden für autoritäre Regime wünschen: Wir erkennen nicht mehr, worum es wirklich geht.
Meine Kollegin Anette Dowideit hat vorgestern an dieser Stelle daher die entscheidenden Fragen zu den Medien-Aufregern entwirrt. Zu Trumps autoritären Angriffen auf die Medien hat Sascha Lobo im Spiegel eine lesenswerte Analyse geschrieben.
Apropos rasen: Haben Sie mitbekommen, dass die Gesundheitsberater der US-Regierung entschieden haben, dass (die absolut unstrittigen und effektiven) 4-fach-Impfungen für Kinder dort nicht mehr die Regel sein sollen? Diese Nachricht kommt schon gar nicht mehr durch. Auch das ist ein Ziel der Strategie. Ein Experte sagte dazu bei Politico übrigens, dass allein die Debatte darüber schon ausreicht, Unsicherheit übers Impfen zu stiften: Die Impfung wird nicht abgeschafft (sie wird nur komplizierter), aber sie wird öffentlichkeitswirksam infrage gestellt.
Die Drohung und die geschürte Unsicherheit sind die entscheidenden Instrumente des Autoritären: Trump muss auch nicht alle politischen Comedy-Formate zum Schweigen bringen, er muss nicht alle Medien mit Millionenklagen überziehen. Es genügt zu zeigen, dass er bei Jimmy Kimmel durchgreifen konnte. Jetzt steht die Drohung im Raum, was in der Regel dazu führt, dass die Betroffenen vorsichtiger werden.
Was können wir tun?
Die USA betreffen uns nicht direkt. Aber wir sehen, welche deutschen Politiker sich bei Trump anbiedern und wer die vom Trump-Lager angefachten Debatten hier nachplappert oder verstärkt. Wer damit demnach zeigt, Fan autokratischer Strukturen zu sein. Das können wir aufdecken. Und es kommt auf uns alle an, wie wir unsere Diskurse in Europa, in Deutschland und vor Ort führen wollen.
Wir machen dazu gerade einen konkreten Vorschlag, und zwar mit einem Projekt vor Ort; das als Idee entstand, als Deutschland im Keller war – ganz wörtlich. Als die Debatte über Heizungen losgetreten wurde, vor allem über vermeintliche Verbote.
Wir sind schon da
Wie wäre es, wenn wir einfach mal gemeinsam über Erfahrungen und Befürchtungen zur „Energiewende zuhause“ sprechen, wenn wir Informationen dazu liefern und über Lösungen diskutieren, die nach vorn gerichtet sind. Das war der Anlass, mit dem SWR ein gemeinsames Projekt aufzusetzen. Seit Mittwoch sind wir mit „Druck im Kessel – Wie trifft mich die Wärmewende“ online und die ersten Reaktionen zeigen, dass es sich lohnt: Wir haben nach drei Tagen über 1000 Einträge, zu denen Ihnen meine Kollegin Lena Schubert im SPOTLIGHT.Inside einen kurzen Blick hinter die Kulissen geben wird. Teilen Sie das gern mit allen, die Sie in Baden-Württemberg kennen (hier). Wir werden im Oktober auch in Stuttgart, Vaihingen und Lörrach vor Ort sein.
Das konkrete offene Gespräch ist doch das, was wir in einer Gesellschaft führen wollen. Dafür müssen wir immer wieder Formate finden. Darum geht es uns.
Wenn Sie Fragen, Kritik oder Lob haben, sind wir für Sie immer erreichbar, heute unter justus.von.daniels@correctiv.org.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende, mit unseren Empfehlungen der Woche!
Herzlich,
Ihr Justus von Daniels

Recherchen der Woche
Jan Marsalek enttarnt
Monatelang haben Reporter von ZDF Frontal, dem Spiegel, dem österreichischen Standard, PBS Frontline und The Insider recherchiert. Mit aktuellen Fotos sowie Pass- und Handydaten zeigen sie, dass der frühere Wirecard-Überflieger Jan Marsalek unter falschem Namen in Moskau lebt. Offenbar arbeitet er für den russischen Geheimdienst. Zahlreiche Überwachungskameras haben ihn in Schlips und Anzug festgehalten, wie er von der U-Bahn zur Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau geht. Zwischen Januar und November 2024 registrierte sein Handy 304 Verbindungen in der Nähe der FSB-Zentrale. Datenanalysen belegen zudem Reisen Marsaleks ins Kriegsgebiet der Ostukraine und ins russisch besetzte Mariupol. Insider in Moskau berichten, er habe dort an Einsätzen hinter den Frontlinien teilgenommen.
Jan Marsaleks geheimes Leben enttarnt (zdf.de, Video)
Der Kampf um Männlichkeit
Wie verfängt sich ein junger Mensch in frauenfeindlichen Online-Ideologien? Diese ARD-Dokumentation dringt tief ein in ein Geflecht aus YouTubern, Influencern und TikTok-Kanälen, die mit aggressiver Männlichkeitsrhetorik Millionen junger Männer ansprechen. Der Film begleitet zwei junge Menschen, deren Leben und politische Ansichten sich durch diese Inhalte grundlegend gewandelt haben, und zeigt, mit welcher Wucht diese Netzwerke wirken. Hinter ihrem Erfolg stehen nicht nur Algorithmen, die solche Inhalte verbreiten, sondern auch wirtschaftliche Interessen und gezielte politische Strategien.
Shut Up, Bitch! Der Kampf um Männlichkeit (ardmediathek.de, Doku)
Wenn Umweltschutz lebensgefährlich wird
Die Organisation Global Witness berichtet für 2024 von zahlreichen Morden an Umweltaktivisten. Die meisten Opfer waren Indigene oder Kleinbauern. Einer von ihnen ist Odey Oyama. Er leitet das Rainforest Resource and Development Centre, kämpft gegen die Zerstörung des Cross-River-Regenwalds in Nigeria und verteidigt die Rechte indigener Gemeinschaften wie der Ekuri, die dort leben.
142 Morde im vergangenen Jahr (taz.de)
Anklage gegen mehrere Apotheker
2021 kaufte der Bund eine Million Packungen Paxlovid und verteilte sie kostenlos. Doch zahlreiche Apotheker verkauften das Medikament weiter, offenbar auch nach China. Jetzt ermitteln Staatsanwälte in aufsehenerregenden Fällen in München und Frankfurt.
Mehrere Apotheker wegen illegalen Handels mit Corona-Medikament angeklagt (sueddeutsche.de)
„Es hat zwölf geschlagen“
Die Eiskapelle am Königssee ist eingestürzt. Für Jonas Niesmann von Geo war sie weit mehr als ein Naturdenkmal: Sie war ein Symbol des Widerstands. Er beschreibt in diesem Artikel, warum der Einsturz der Eiskapelle ein Symbol der Dringlichkeit des Kampfs gegen die Erderwärmung darstellt.
Einsturz der Eiskapelle am Königssee (geo.de)

CORRECTIV Inside
Das ist absolut überwältigend: Über 1.000 Menschen haben seit Mittwoch bei unserem neuen CrowdNewsroom „Druck im Kessel – Wie trifft mich die Wärmewende?“ mitgemacht!
Schon um 6:44 Uhr am Mittwochmorgen kam die erste Antwort. Seitdem berichten uns Bürgerinnen und Bürger aus Baden-Württemberg, wie sie die Wärmewende zu Hause erleben.
Wir Reporterinnen und Reporter lesen jede einzelne Antwort mit Spannung. Denn die Hinweise, Sorgen und Erfolge der Menschen sind der Kern unserer gemeinsamen Recherche mit dem SWR.
Was auffällt: Viele haben ihre Heizung getauscht und schwärmen von ihrer Wärmepumpe. Andere würden gerne umsteigen – wenn sie auf höhere Zuschüsse und klare Gesetze zählen könnten.
Doch uns erreichen auch alarmierende Hinweise: Manche berichten von krassen Missständen. Wer oder was die Wärmewende ausbremst, das werden wir in den kommenden Wochen bei CORRECTIV und dem SWR berichten.Sie leben in Baden-Württemberg? Denken über Ihre Heizung nach? Wollen Erfolge teilen oder uns auf Probleme hinweisen? Dann machen Sie mit beim CrowdNewsroom und gehören Sie zu den nächsten 1.000, die dabei sind! Hier finden Sie die Umfrage.

Wärmewende: Kommunen kämpfen mit Milliardenlücke
Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg schlagen Alarm: Für die Wärmewende fehlen Geld und klare Regeln. Das Zieljahr 2040 wackelt – der Stand im Südwesten zeigt, welche Hürden deutschlandweit warten.
correctiv.org
Wie Jens Spahn hunderte Millionen Euro verbrannte
Als Gesundheitsminister hat CDUler Spahn viel öffentliches Geld verschwendet. Neue Recherchen von CORRECTIV enthüllen einen besonders sinnlosen Deal: für hunderte Millionen Euro eingekaufte Covid-Arzneien mussten entsorgt werden.
correctiv.org
Der Mordsdurst der Schlachthöfe
Sie sind Deutschlands geheime Wasserschlucker: Laut Recherchen von CORRECTIV und FragDenStaat nutzen manche Schlachthöfe mehr Wasser als der Tesla-Konzern in Brandenburg. Viele Ämter und Betriebe mauern bei Fragen zum Wasserkonsum.
correctiv.org
Umstrittener US-Konzern könnte den Betrieb von deutschen NATO-Pipelines übernehmen
Die Bundesregierung prüft derzeit ein Geschäft zwischen zwei internationalen Konzernen, bei dem Teile der deutschen Energieinfrastruktur verkauft werden sollen. Nach Informationen von CORRECTIV sind davon auch Anlagen der NATO und der zivilen Luftfahrt betroffen. Grüne im Bundestag fordern den sofortigen Stopp des Geschäfts.
correctiv.org
Privat zahlen beim Arzt – weil der sich die Fortbildung gespart hat
Selbstzahlerleistungen beim Arzt (IGeL) sind oft teuer und nicht immer wirksam für die Patienten. Ein Bericht der Verbraucherzentrale zeigt nun: Patienten zahlen häufig auch dann selbst, wenn es sich eigentlich um eine Kassenleistung handelt – nur, weil die Ärzte sich keine Genehmigungen einholen.
correctiv.org
Wie es zum Wahlerfolg der AfD in Gelsenkirchen kommen konnte
In Gelsenkirchen hat es die AfD in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters geschafft. Bei der Bundestagswahl im Februar war die Partei schon stärkste Kraft geworden, bei der Kommunalwahl lag sie jetzt bei rund 30 Prozent nur ganz knapp hinter der SPD. Unsere Gelsenkirchener Lokalredaktion versucht, die Gründe zu erklären – und warum es wichtig ist, dass jetzt ganz Deutschland nach Gelsenkirchen schaut.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Max Bernhard, Gesa Steeger und Finn Schöneck.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.