
Gestern war ich zum ersten Mal dankbar, dass es auf Bahnhöfen digitale Newsflächen gibt. „Nobelpreis nicht für Trump“ stand da plötzlich als Eilmeldung und der Tag war gerettet. Wir hatten in der Redaktion schon darüber diskutiert, ob es irgendeinen Vorteil hätte, wenn der offenbar narzisstische US-Präsident den Preis für seinen Einsatz im Israel-Gaza-Krieg bekäme.
In der New York Times schrieb der Kolumnist Thomas Friedman, dass der Nobelpreis eine gute Motivation sein könne und Trump vielleicht bei Laune halten könne, den Friedensprozess weiter voranzutreiben. Diese Debatte bleibt uns vorerst erspart.
Das Komitee in Oslo hat anders entschieden: Die venezolanische Politikerin María Corina Machado bekommt die Ehrung, für ihren mutigen Einsatz in einer Diktatur, in der sie mit Klagen und Drohungen vom Staat zu kämpfen hat. Und ja, hier passt eine Anspielung, nicht auf die Wurst, sondern auf diktatorische Züge: Donald Trump geht zeitgleich zu seinen unbestrittenen Verdiensten, einen Frieden zu organisieren, gegen die eigene Bevölkerung in den USA vor.
In Chicago provozierte seine Regierung einen Konflikt, um Soldaten einzusetzen, inklusive der Forderung, den dortigen Bürgermeister zu inhaftieren. Wir haben zudem die Bilder der vergangenen Wochen im Kopf, wie maskierte Staatsbedienstete Menschen über Flure zerren oder auf den Boden drücken. Wenn Trump könnte, würde sein Handeln noch deutlicher zeigen, wie nah er an die Verhaltensweisen diktatorischer Regime rückt.
Aber die USA sind noch eine Demokratie und wenn es ein Zeichen der Hoffnung gibt, sind es derzeit die Gerichte, die Trump wiederholt verboten haben, Soldaten einzusetzen. Es sind mutige Beamte, die ihrem Präsidenten Paroli bieten, indem sie sich auf die geltenden Regeln berufen. Noch ist es so, dass sich die Regierung daran hält.
Was hat das nun mit uns zu tun?
Die gewaltvollen Bilder aus den USA sind selbst unter einer rechtspopulistischen Regierung in Europa so nicht leicht vorstellbar. Aber dass Behörden bestimmte Bevölkerungsgruppen drangsalieren, folgt einem Drehbuch, das verschiedene Versionen kennt. Auch in Deutschland gibt es Szenarien, wie eine rechtspopulistische Regierung auf bürokratischen Wegen beginnt, Menschen zu diskriminieren und Institutionen auszuhöhlen, so dass diese ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können.
María Machado steht für den Kampf um die Demokratie in ihrem Land.
Danke für Ihre Ideen!
Viele von Ihnen haben mir vergangene Woche zu unserem neuen Konzept des Demokratiekompass geschrieben. Das waren E-Mails voller Ideen, Vorschlägen und mit vielen Unterstützungs-Wünschen. Dafür ganz herzlichen Dank! Wir halten Sie in der kommenden Woche auf dem Laufenden. Mein Kollege Jann-Luca Künßberg gibt Ihnen unten im SPOTLIGHT.Inside zudem einen kurzen Ausblick auf unsere mobile Redaktion, die am Dienstag in Stuttgart ihre Türen öffnet.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende, natürlich mit unseren Empfehlungen der Woche!
Herzlich,
Ihr Justus von Daniels
Bundeswirtschaftsministerin berät Reiche
Bei Treffen mit der Stiftung Familienunternehmen gaben Ministerin Katherina Reiche (CDU) und ihr Staatssekretär Tipps, wie die Superreichen-Lobby Steuersenkungen erreichen könne. Das zeigen interne Unterlagen, die Sie im Artikel von Frag den Staat selbst einsehen können.
Reiche berät Reiche (fragdenstaat.de)
Orbáns Agenten in Brüssel
Recherchen des Standard in Zusammenarbeit mit der belgischen Tageszeitung De Tijd, dem ungarischen Recherchemedium Direkt36 und dem Spiegel zeigen: Ungarns Geheimdienst spionierte verdeckt in Brüssel – direkt in den EU-Institutionen. Orbáns Agenten warben Beamte an und sammelten Informationen. Die Recherche zeigt, wie das Netzwerk arbeitete – und wer Bescheid wusste.
Recherche enthüllt ungarisches Spionagenetz (www.derstandard.at)
Datingplattform für Rechtsextreme
Auf einem Datingportal suchen Rechtsextreme nach Partnern: weiß, mit „guten Genen“, um die Blutlinie zu wahren. Doch die deutsche Betreiberin hat noch größere Pläne. Christian Fuchs und Eva Hoffmann haben für die Zeit ein Portal untersucht, das Gleichgesinnte rechtsextremer Ideologie zusammenbringt.
Dinkel88 sucht nach Liebe (zeit.de, €)
Hungern als Lifestyle
Hungern als Lifestyle auf TikTok, Tipps für den perfekten Bikini-Body auf Instagram – der Skinny-Tok-Trend dominiert die sozialen Medien. Junge Frauen erzählen, wie das Streben nach Schlankheit ihr Leben prägt. Influencer verdienen an Abnehmprogrammen, Pharmakonzerne machen Milliarden mit Spritzen wie Ozempic oder Mounjaro, während Experten vor schweren Nebenwirkungen warnen. Das Team Recherche der ARD zeigt, wie gefährliche Algorithmen Essstörungen fördern – und enthüllt, wer tatsächlich vom Abnehm-Hype profitiert.
Skinny um jeden Preis – Wer profitiert vom Abnehm-Hype? (ardmediathek.de, Video)
Von grün zu grau
Von Skandinaviens Wäldern bis zu Portugals Küsten: Eine neue Analyse enthüllt, dass Europa Natur und Ackerland schneller verliert als gedacht. Die EU will bis 2050 keine Netto-Versiegelung mehr zulassen – doch das Rechercheprojekt Green to Grey zeigt, wie weit die Wirklichkeit von diesem Ziel entfernt ist. Zur Versiegelung in Städten hatten wir vergangenes Jahr eine umfangreiche Recherche veröffentlicht.
How Europe is squandering the little nature it has left (greentogrey.eu, Englisch)

CORRECTIV Inside
Die Wärmewende stockt. Bürgerinnen und Bürger klagen über unklare und steigende Preise, die ein wesentlicher Grund für Ungewissheit und den schleppenden Netzausbau sind. Im jüngsten Artikel unseres Wärmewende-Schwerpunkts geht es um klimafreundliche Wärmenetze und die Probleme, die so viele damit haben. Aber wie geht es nach der Recherche weiter? Wir wollen mit Ihnen ins Gespräch kommen!
Wie bei unseren anderen Recherchen zur Wärmewende ist auch hier bemerkenswert, dass sich eigentlich alle Beteiligten mehr Planungssicherheit wünschen: Die Bevölkerung, die Kommunen, Wohnbaugesellschaften, Energieversorger – die Bundesregierung aber schafft mit unklaren Aussagen bisher bloß neue Ungewissheiten.
Bei aller berechtigten Kritik am Fortgang der Transformation zeigen unsere Recherchen aber auch, wie viele Akteure sich bereits auf den Weg gemacht haben und motiviert sind, die gemeinsam gesteckten Klimaziele zu erreichen. Das passt nicht zu der Stimmung, in der die Berliner Politik sich wähnt. Es steht also zu befürchten, dass sie Schritte zurückgehen wird, die Arbeit der vielen Pionierinnen und Pioniere bremst, statt sie zu belohnen.
Wir legen jetzt richtig los: Am Dienstag eröffnen wir gemeinsam mit dem SWR in Stuttgart das erste von drei PopUp Studios, um noch mehr interessante Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger auf deren ganz eigenen Wärmewende-Erfahrungen kennenzulernen und die Politik damit zu konfrontieren. Wir laden prominente Gäste, Politikerinnen und Politiker, Fachleute und natürlich alle Interessierten dazu ein.
Wir sind gespannt, welche Geschichten uns die Stuttgarter, die Vaihinger und die Lörracher vor Ort noch erzählen, welche Fragen sie mitbringen und nicht zuletzt: welche Antworten, von denen auch andere profitieren können.

Das heikle Problem mit der Queerfeindlichkeit an Schulen
Wie geht man damit um, wenn an Schulen homosexuelle Schüler oder Lehrer gemobbt werden – vor allem, wenn es Schulen mit hohem arabisch-muslimischem Schüleranteil sind? Ein aktueller Fall an der Berliner Rütli-Schule zeigt, wie schwer sich Beteiligte mit dem Thema tun.
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Verdrängung durch Abriss
Vielerorts wird günstiger Wohnraum abgerissen, um Platz für teure Neubauten zu schaffen. Selbst kommunale Wohnungsgesellschaften drängen alteingesessene Mieterinnen und Mieter mit rabiaten Methoden hinaus. Doch in einer alten Essener Arbeitersiedlung wehren sich die Menschen.
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Klimaziel in Gefahr: Warum der Ausbau der Wärmenetze feststeckt
Kommunen in Baden-Württemberg wollen bis 2040 klimaneutral heizen. Doch der Netzausbau hängt: Hohe Kosten, intransparente Preise und geringe Nachfrage bremsen die Wärmewende aus.
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Verwaltungsdigitalisierung droht zu scheitern – Ministerium wiegelt ab
Ein Milliardenprojekt unter Druck: Für die Modernisierung von staatlichen Datenbanken fehlen hunderte Millionen Euro, Zeitpläne wackeln, und die EU droht mit dem Entzug von Fördergeldern. Der Bundesrechnungshof sieht die Registermodernisierung in Gefahr – das Ministerium gibt sich gelassen.
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An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Martin Böhmer, Finn Schöneck und Pia Siber.
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