Politik

Neuwahlen nach Rücktritt? Erneut kursiert erfundene Behauptung über Merz

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll Friedrich Merz angeblich zu einem Rücktritt zwingen und Neuwahlen einleiten. Das ist frei erfunden.

von Steffen Kutzner

tinywow_titelbild-merz-rücktritt-DTS-Agentur Picture Alliance_85140929
Friedrich Merz dankt nicht ab (Foto: DTS-Agentur / Picture Alliance)
Behauptung
Friedrich Merz sei „ab morgen“ zum Rücktritt verpflichtet, wie das Bundesverfassungsgericht mitgeteilt habe.
Bewertung
Falsch. Das Bundesverfassungsgericht kann Merz nicht zum Rücktritt verpflichten. Abgesehen davon sind keine Rücktrittspläne von Merz bekannt.

Das Team von Friedrich Merz soll angeblich vor dem Rücktritt stehen, heißt es in verschiedenen Videos Anfang Oktober 2025. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll Friedrich Merz „ab morgen“ zum Rücktritt zwingen, wird darin behauptet. 

Diese Behauptung ist nicht neu, sie wird so ähnlich schon seit Monaten verbreitet und ist frei erfunden. Weder sind Rücktrittspläne von Merz bekannt, noch gab es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das sich mit ihm befasste oder das ihn zum Rücktritt zwingen würde. Das bestätigte uns auch die Pressestelle der CDU.

Allein auf Youtube finden sich mehrere der Videos, bei denen der Tag, ab dem die Pflicht gelten soll, immer ein anderer ist (Quelle: Youtube; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Auch Neuwahlen stehen nicht an; die könnte ohnehin nur der Bundespräsident ansetzen, indem er den Bundestag auflöst. Das Bundesverfassungsgericht dagegen kann einen Kanzler per Urteil weder absetzen noch anders zum Rücktritt zwingen; solche Entscheidungen fallen auch gar nicht in die Zuständigkeit des Gerichts

Der Potsdamer Verwaltungsrechtsanwalt Klaus Herrmann erklärte uns telefonisch, dass das Bundesverfassungsgericht zwar prüfe, ob eine Vertrauensfrage eines Kanzlers zulässig gewesen sei, wie etwa im Fall von Gerhard Schröder 2005, es aber keine Befugnisse habe, einen Kanzler abzusetzen. Womit genau sich das Bundesverfassungsgericht befasst, ist in Artikel 94 des Grundgesetzes festgeschrieben. Zu seinen Aufgaben gehört zum Beispiel die Auslegung des Grundgesetzes oder die Beurteilung der Frage, ob bestimmte Bundes- und Landesgesetze miteinander vereinbar sind.

Wer den Kanzler absetzen kann – und wer nicht

Zum Rücktritt gezwungen werden kann ein Bundeskanzler in Deutschland nur dann, wenn der Bundestag ihn im Rahmen eines Konstruktiven Misstrauensvotums abberuft. Dann muss der Bundestag sich jedoch auf einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin einigen. Auch dabei würde also keine Neuwahl anstehen, da der Kanzler nicht vom Volk gewählt wird. Insofern steht der Rücktritt eines Kanzlers auch nicht zwingend in Zusammenhang mit Neuwahlen.

Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl

CORRECTIV im Postfach
Lesen Sie von Macht und Missbrauch. Aber auch von Menschen und Momenten, die zeigen, dass wir es als Gesellschaft besser können. Täglich im CORRECTIV Spotlight.