Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser, 

Russland machte vergangenes Jahr vor, was mit sogenannter biometrischer Datenerfassung möglich ist: Bei der Beerdigung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny filmte die russische Polizei offenbar Demonstranten. Ein paar Tage später nahm sie eine Reihe von ihnen fest. Offenbar waren sie über die Videoaufnahmen in Kombination mit neuen Technologien zur Gesichtserkennung identifiziert worden.

Biometrische Daten wie Gesichter, Gangart oder Stimmaufnahmen, gespeichert von Sicherheitsbehörden – für die einen ein Angstszenario, für die anderen die Hoffnung, Kriminalität wirksamer bekämpfen zu können. Im heutigen Thema des Tages geht es darum, ob solche Technik bald auch bei uns zum Einsatz kommen könnte.

Außerdem möchte ich Ihnen heute ein Update zu den Auswirkungen einer CORRECTIV-Recherche geben. Vor ein paar Wochen hatten wir berichtet, dass an der bekannten Berliner Rütli-Schule der Ehemann eines Lehrers queerfeindlich belästigt wurde, offenbar von Schülern mit migrantischem Hintergrund – und dass weder Schulleitung noch Schulaufsicht spürbar etwas unternommen haben. Im Raum steht seither die Frage: Was können und müssen Schulen tun, wenn Schüler (mit und ohne Migrationshintergrund) freiheitsfeindliche Einstellungen haben?

Nun liegt uns die Antwort der zuständigen Bildungssenatorin auf kritische Fragen dazu aus der Senatsverwaltung vor. Sie räumt darin Versäumnisse im Umgang mit dem Fall ein. Wir sind gespannt, ob dort nun etwas ins Rollen kommt.

Und ich möchte mich noch für Ihre vielen klugen Mails zum gestrigen Thema des Tages bedanken. Es ging um Abschiebungen nach Syrien. 

Besonders gut hat mir die Zuschrift von Monika B. gefallen. Sie fragt: Wenn es der Bundesregierung doch darum geht, dass junge syrische Männer ihr Heimatland vor Ort wieder mit aufbauen sollen – weshalb schafft man dann nicht die Möglichkeit, dass sie zwei bis drei Jahre lang pendeln, Syrien mit wiederaufbauen, und dann endgültig zurückkehren, wenn etwas aufgebaut ist, in das sie zurückkehren können?

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir gern: anette.dowideit@correctiv.org.

P.s.: Die letzten Stunden unserer Spendenaktion laufen gerade. Wenn Sie sich noch beteiligen wollen, können Sie das hier tun.

Thema des Tages: Das gescannte Gesicht

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

CORRECTIV.Faktenforum: Fakes auf Youtube und Tiktok: Entlassung von Dunja Hayali erfunden

Gute Sache(n): Jugendliche reduzieren Social-Media-Konsum • KI macht Holocaust-Opfer identifizierbar • Deutscher Karikaturenpreis für Warnung vor Autokratie

CORRECTIV-Werkbank: Die mentale Gesundheit von jungen Menschen geht uns alle an

Grafik des Tages: Endlagersuche: Diese Regionen sind bereits ausgeschlossen

Wenn Sie dies genauer verstehen möchten: Hier die offizielle Erklärung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik.

Computertechnik hat in den letzten Jahren neue Möglichkeiten für Sicherheitsbehörden eröffnet, um Biometrie für die Bekämpfung von Kriminalität zu nutzen: Terrorverdächtige finden zum Beispiel. 

Doch wo Möglichkeiten sind, lauern immer auch Gefahren. Viele unserer Leserinnen und Leser haben uns geschrieben: Sie besorgt es, wenn biometrische Daten künftig in Polizeicomputern erfasst und per KI ausgewertet werden können. Denn wenn ein Gesicht einmal gespeichert ist, bleibt es im Zweifelsfall bis ans Lebensende gespeichert.

Deshalb hat sich SPOTLIGHT-Reporterin Samira Joy Frauwallner den Stand der politischen Debatte angeschaut. Ihre ausführliche Analyse lesen Sie hier. Und hier für Sie das Wichtigste zusammengefasst.

Biometrie misst einzigartige Eigenschaften von Menschen wie Gesicht, Gang oder Stimme. Sie kann in der Kriminalitätsbekämpfung helfen, besorgt aber auch Datenschützer. Collage: Frauwallner, Correctiv. Quelle: Pexels, Cottonbrostudio

Was machen andere Staaten – und was machen wir bisher?
Viele Leute denken bei Biometrie-Erfassung zunächst an autoritäre Staaten wie China – oder an die USA, wo man als Besucher aus einem anderen Land schon lange seine Fingerabdrücke abgeben muss.

Es gibt aber auch andere Staaten, die biometrische Datenanalysen anwenden (wollen). Zum Beispiel Singapur oder Neuseeland. Auch in der EU wurde ein solches System bereits eingeführt und zuletzt am Flughafen Düsseldorf angewandt.

Was plant die Bundesregierung?
Schon die letzte Bundesregierung wollte vergangenes Jahr die Biometrie-Überwachung ausweiten – zum Beispiel, um Asylbewerberinnen und -bewerber zu erfassen. Und eben zur Terrorbekämpfung. Das geplante Gesetz scheiterte jedoch teilweise am Bundesrat

Die aktuelle Regierung – genauer gesagt das Bundesinnenministerium unter Alexander Dobrindt (CSU) – hat das Vorhaben im Sommer wieder auf den Plan gesetzt. Hier geht es zum Referentenentwurf für das Gesetz.

Dies löste Sorgen bei Datenschützern aus. Sie befürchten (siehe zum Beispiel hier) „unverhältnismäßige Eingriffe in die Rechte der Betroffenen“. 

Wir haben den ehemaligen Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung um eine Einschätzung gebeten, Ulrich Kelber. Von ihm wollten wir vor allem wissen: Was, wenn die AfD künftig die Bundesregierung anführen würde – könnte sie dann unsere gespeicherten biometrischen Daten für politische Zwecke missbrauchen? Er sagt: 

Es bestehe die Gefahr, dass eine autoritäre Regierung viele Institutionen einer Demokratie missbrauchen könnte– von der Polizei über Aufsichtsbehörden bis hin zu technischen Systemen. Viele Überwachungsmaßnahmen könnten auch schnell aufgebaut werden. 

Deshalb solle eine Demokratie es vermeiden, langjährige Datensammlungen mit profilbildenden Daten aufzubauen, die nicht unbedingt notwendig sind. „Denn die wären ein Datenschatz für Missbrauch staatlicher Macht bei einer rechtsextremen Machtübernahme.“

Wie wahrscheinlich ist es, dass bei uns bald eine breite Biometrie-Überwachung kommt?
Unsere Recherche zeigt, dass die deutschen Polizeibehörden noch nicht ganz so weit sind. Die Gewerkschaft der Polizei sagte uns, dass die Behörden derzeit noch an anderen Stellen mit Digitalisierungsprojekten kämpfen, die langsam vorangehen.

Bürgermeisterwahl in New York: Trump spricht Drohung gegen Kandidat Mamdani aus 
Der linksgerichtete Bürgermeisterkandidat Zohran Mamdani gilt als Favorit in der New Yorker Bürgermeisterwahl. Kurz vor der Wahl drohte US-Präsident Donald Trump mit dem Entzug von Bundesmitteln, sollte Mamdani als Gewinner der Wahl hervorgehen. 
deutschlandfunk.de

Lokal: Antisemitismusförderung in Berlin – ohne Ausschreibung?
Der ehemalige Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) soll Projekte ohne Ausschreibung in Millionenhöhe gefördert haben – unter Druck führender CDU-Mitglieder. Im Fokus der Anschuldigung stehen CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sowie Christian Goiny. Die beiden sollen vorgegeben haben, an welche Projekte die Gelder ausgezahlt werden sollen. 
welt.de

Recherche: Wie Desinformationen über Palästinenser Rassismus propagiert 
Eine Recherche des DW-Faktenchecks zeigt, dass sich anti-palästinensische Desinformationen und daraus resultierender Rassismus immer mehr im Internet verbreiten. Darüber hinaus ergaben Nachforschungen, dass der Staat Israel mindestens 42 Millionen Euro für anti-palästinensische Propaganda-Werbung ausgegeben hat.
dw.com

Bild: Christoph Hardt / Picture Alliance / Panama Pictures

So geht’s auch
Es ist das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte: Über sechs Millionen jüdische Menschen wurden während der Shoah ermordet. Doch auch über 80 Jahre später sind noch nicht alle Opfer identifiziert. Laut der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem seien die Namen von etwa fünf Millionen Ermordeten bekannt. Auf Basis von Künstlicher Intelligenz könnten nun weitere 250.000 Namen ermittelt werden. Die von der Gedenkstätte entwickelte KI-Software soll helfen, Millionen Dokumente zu analysieren, deren manuelle Auswertung bisher nicht möglich gewesen sei.
deutschlandfunk.de   

Fundstück
Mit der Cartoon-Arena haben wir vergangene Woche eine neue Kategorie für den SPOTLIGHT gestartet – und gestern den Beitrag von Stephan Rürup zum ersten Sieger gekürt. Auch deutschlandweit wurden am vergangenen Sonntag Preise für humoristische Zeichnungen vergeben. Der diesjährige Gewinner des deutschen Karikaturenpreises ist der Hamburger Piero Masztalerz. Sein Cartoon „Abwarten“ lässt sich als Warnung vor Autokraten verstehen – und vor dem Nichtstun. Abgebildet sind zwei gefesselte Personen an einer Wand. Hinter ihnen stehen zwei bewaffnete Männer in dunklen Mänteln, an deren Ärmel eine Armbinde mit der Aufschrift „AfD“ zu sehen ist. Der gefesselte Mann sagt: „Vielleicht hätten wir mehr für den Erhalt der Demokratie tun sollen!“ Die Frau antwortet: „Jetzt warte doch erstmal ab!“ Hier können Sie die Karikatur sehen: 
tagesspiegel.de


Vergangene Woche hat das Institut der deutschen Wirtschaft einen Report veröffentlicht, in dem die Forschenden sich mit den volkswirtschaftlichen Risiken dieser Entwicklung beschäftigen. Kurz gesagt: Psychische Erkrankungen und Belastungen sind ein Risikofaktor dafür, dass junge Menschen die Schule, das Studium oder die Ausbildung nicht abschließen. Wenn es Kindern und Jugendlichen also mental nicht gut geht, dann geht uns das alle an. Denn es sind die Kinder und Jugendlichen, die später einmal unsere Rente zahlen sollen. 

Eine Maßnahme, die die Wirtschaftswissenschaftler empfehlen, um der psychischen Belastung von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken: mehr Psychologinnen und Sozialarbeiter an den Schulen. 

Gerade diese Fachkräfte, die Schüler entlasten sollen, sind derzeit selbst stark überlastet, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der HTW Saar zeigt: Fast jeder zweite Schulsozialarbeiter in Deutschland denkt daran, seinen Job aufzugeben – vor allem wegen großem emotionalen Stress.

Wir bei CORRECTIV nehmen diese Studienergebnisse sehr ernst und haben deshalb vor Kurzem eine Umfrage für Schulsozialarbeiter gestartet: Erzählen Sie uns vertraulich von Ihren Erfahrungen – was erschwert Ihre Arbeit? Was müsste sich ändern? 

Vielen Dank an alle Menschen, die sich schon beteiligt haben. Wir bleiben dran und recherchieren weiter zum Thema.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt, Ulrich Kraetzer und Jule Scharun.