
Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie haben es vielleicht mitbekommen: Unions-Bundestagsfraktionschef Jens Spahn sagte diese Woche zur Abschiebedebatte nach Syrien:
„Ich halte es für eine patriotische Pflicht, dass man seine Heimat wieder aufbaut, dass man dort mithilft. Und das gilt auch für die syrischen Flüchtlinge hier im Land. Natürlich sollen sie zu Hause mithelfen.“
Jens Spahn
Unions-Fraktionschef im Bundestag
Aus diesem Anlass haben wir nachgeforscht: Wie steht es eigentlich um die patriotische Pflicht, deutsche Staatsbürger wieder zurückzunehmen, die in Syrien straffällig geworden sind – also die deutschen IS-Kämpfer, die dort in Gefangenenlagern einsitzen? Darum geht es im Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Unser Reporter Till Eckert war kürzlich für mehrere Monate aus Austausch-Reporter in den USA bei ProPublica, dem amerikanischen Pendant zu CORRECTIV: Er recherchierte dort über Trumps Abschiebe-Maschinerie – und hat die fast unfassbaren Zustände, die er dort beobachtete, nun in einer lesenswerten Reportage zusammengetragen.
Morgen im Wochenend-SPOTLIGHT geht es um Kamikaze-Drohnen, die Deutschland jetzt kaufen will – und welche großen politischen Fragen diese Anschaffungen jetzt aufwerfen.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Schreiben Sie mir gern – ich lese alle Ihre E-Mails gern, auch wenn ich es nicht schaffe, alle zu beantworten: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: „Patriotische Pflicht“
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Erfundener Bericht über Gespräch von Schröder und Putin
CORRECTIV-Werkbank: Orbán bricht erneut Tabu und manipuliert den Wahlkampf mit KI-Videos
Grafik des Tages: Hebesätze in Sachsen: Differenz des kommunalen Hebesatzes zur Landesempfehlung
Bundeskanzler Friedrich Merz hat diese Woche den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa nach Deutschland eingeladen: Er will mit ihm darüber sprechen, dass Syrien bald Straftäter und Gefährder zurücknehmen soll.
Denn ohne ein Abkommen mit der syrischen Regierung kann Deutschland keinen einzigen Straftäter zurückschicken – so sehr sich die Hardliner in der Union das wünschen mögen.

Um abschieben zu können, muss Merz gut Wetter mit al-Sharaa machen. Da stellt man sich zwei Fragen:
Die erste Frage haben mir mehrere SPOTLIGHT-Leserinnen geschrieben: Wieso lässt Merz den syrischen Präsidenten zu uns reisen – wieso fliegt er nicht nach Syrien, wo er doch in der Bittsteller-Position ist? (Bei der Gelegenheit könnte der Kanzler sich übrigens gleich selbst ein Bild vom Ausmaß der Zerstörungen im Land machen.)
Die zweite Frage: Wenn wir Deutschen wollen, dass Syrien seine straffälligen Staatsbürger zurücknimmt – müssten wir Deutschen dann auch nicht unsere straffälligen Staatsbürger zurücknehmen, die in Syrien sind?
Um wen geht es genau?
Sie erinnern sich vielleicht an unsere letzte Story dazu vor ein paar Monaten: In syrischen Gefängnissen befinden sich immer noch etwa vierzig deutsche Staatsbürger, denen schwere Verbrechen zur Last gelegt werden. Sie sollen sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben.

Jener Terrormiliz also, die in ihrer Hochphase in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts weite Teile Syriens und des Iraks beherrschten und ihre Gegner, „Ungläubige“ und alle, die die Islamisten dafür hielten, grausam foltern und umbrachten.
Warum gingen damals deutsche Staatsbürger nach Syrien?
Der IS übte auf Islamisten seinerzeit eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Das Versprechen, beim Aufbau eines neuen Kalifats mitwirken zu können, und wohl auch eine gehörige Portion Abenteuerlust motivierten damals auch mehr als tausend Männer und Frauen aus Deutschland, in die Kampfgebiete zu reisen und sich dem IS als Unterstützer anzudienen.
Mit dem Niedergang des IS in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre gerieten die meisten IS-Kämpfer in Gefangenschaft. Auch mutmaßliche Terroristen aus Deutschland wurden in Gefängnissen und Lagern eingesperrt.
Vor allem Frauen und Kinder holte die Bundesregierung zurück. Etwa vierzig Männer – und auch einige Frauen – befinden sich aber eben noch in Gefangenschaft.
Was wird jetzt aus ihnen?
Dazu hat unser Nachrichtenchef und Innenpolitikexperte Ulrich Kraetzer recherchiert. Seine eben veröffentlichte Story zeigt:
Die Bundesregierung weigert sich derzeit beharrlich, diese Menschen zurückzunehmen. Die mutmaßlichen einstigen IS-Unterstützer gelten als Sicherheitsrisiko, das man sich lieber nicht ins Land holen möchte.

Und jetzt?
Die Rechtsprechung zur Frage, ob wir die IS-Kämpfer mit deutschem Pass zurücknehmen müssen, ist nicht ganz eindeutig:
Regierungen müssen demnach zwar gründlich prüfen, ob sie ihre Staatsbürger zurückholen können. Sie sind aber nicht unbedingt verpflichtet, eine solche Rückholaktion auch in jedem Einzelfall durchzuführen.
Durch diplomatische Gespräche mit der syrischen Zentralregierung und informelle Gesprächskanäle mit den Kurden ließe sich eine Rückholaktion (womöglich mit Hilfe der USA) aber durchaus in die Wege leiten. Das sagen uns Beobachter wie der renommierte Terrorismusexperte Peter Neumann.
Doch Deutschland will nicht. Auf Anfrage der Linksfraktion teilte die Bundesregierung vor wenigen Wochen mit, gegenwärtig „keine Repatriierung deutscher Staatsangehöriger aus Syrien oder Irak” zu planen.“ Auf Anfrage von CORRECTIV nach etwaigen weiteren Rückholaktionen äußerte sich das Auswärtige Amt offiziell nicht.
Ist ja auch irgendwie klar. Wenn die wichtigste Botschaft der Union in der Bundesrepublik lautet: Wir schieben jetzt entschieden ab – dann sieht es echt blöd für sie aus, wenn sie gleichzeitig Straftäter aus Syrien holt. Das Echo, das dann aus konservativen Medien und aus der AfD erschallen würde, kann man sich jetzt schon vorstellen.
Unter dem Strich:
Eine Bundesregierung, die Handlungsfähigkeit bei Abschiebungen zeigen will, muss verstehen: Nehmen ist manchmal seliger denn Geben.
Ahmed al-Scharaa steht nicht weiter auf Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrats
Der UN-Sicherheitsrat hat den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa von der Sanktionsliste genommen. Al-Scharaa und sein Innenminister standen darin wegen ihrer einstigen Verbindungen zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und zum Terrornetzwerk Al-Kaida.
zeit.de
RSF-Miliz im Sudan stimmt Waffenruhe zu
Die sudanesische RSF-Miliz („Rapid Support Forces“) hat nach eigenen Angaben dem Vorschlag der USA für eine humanitäre Waffenruhe zugestimmt. Die andere Seite, die Militärregierung von Abdel Fattah al-Burhan, hat sich bislang nicht zu dem Vorschlag geäußert. Der anhaltende Bürgerkrieg gilt derzeit als einer der schlimmsten Konflikte weltweit.
tagesschau.de
Lokal: Neue Erkenntnisse über die Hakenkreuzschmierein in Hanau
Nachdem im hessischen Hanau rund fünfzig Autos mit Hakenkreuzen aus menschlichem Blut beschmiert worden waren, haben die Ermittler nun einen Mann vorläufig festgenommen. Nach ersten Erkenntnissen soll der Mann die Tat unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen haben. Das Blut stammt demnach vom Täter selbst.
hessenschau.de
CORRECTIV: So arbeitet Trumps Abschiebemaschine
Donald Trump greift den US-amerikanischen Rechtsstaat an. Nirgends zeigt sich das deutlicher als in den Gängen eines Gerichts am 26 Federal Plaza in New York. Die Regierung lässt Einwanderer nach routinemäßigen Terminen verhaften – und entlässt Richter, die nicht spuren.
correctiv.org

Leserfrage der Woche

SPOTLIGHT-Leser Claudius S. fragte uns: In welchen Bundesländern gibt es den Radikalenerlass noch und inwiefern findet er noch Verwendung? Wie läuft die Überprüfung ab ? Ab welchem Grad gilt ein Mensch nach der Ansicht des Verfassungsschutzes als radikal oder extrem? Gibt es genaue Richtlinien? Ist der Radikalenerlass bundesweit zu vereinheitlichen?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stellt auf CORRECTIV-Nachfrage klar, dass der sogenannte Radikalenerlass von 1972 der Überprüfung der Verfassungstreue von Beschäftigten und Bewerberinnen im öffentlichen Dienst diente. Seit Bayern 1991 als letztes Bundesland die Anwendung beendet hat, finde der Radikalenerlass „keine Anwendung mehr auf Länderebene und im Bund“. Da der Radikalenerlass nicht mehr in Kraft sei, könne auch keine Aussage darüber getroffen werden, „ob dieser zu vereinheitlichen ist“, so das BfV.
„Eine einzelne, auch radikale Meinungsäußerung“ sei von einer „extremistischen Bestrebung zu unterscheiden“. Lediglich „radikale Ansichten von Bürgern“ würden dem Verfassungsschutz keinen Anlass geben, „aktiv zu werden“. Die Grenzen zum Extremismus und damit zur Verfassungsschutzrelevanz sei überschritten, wenn: „Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden, welche auf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung hinauslaufen – also ein Agieren gegen ihre Kernbestandteile Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip.“

Faktenforum

Gerhard Schröder habe Putin angerufen und mit ihm über Frieden, Energie und die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen diskutiert. Das stimmt nicht.
faktenforum.org
Endlich verständlich
Drei Viertel der Deutschen lehnen extrem rechte Einstellungen ab. Zu diesem Ergebnis kam die diesjährige Mitte-Studie. Auch würden weniger Menschen ein rechtsextremes Weltbild haben als vor zwei Jahren. Während 2022/23 rund 8 Prozent klar rechtsextrem eingestellt waren, waren es nun 3,3 Prozent. Ebenfalls positiv: 79 Prozent der Menschen in Deutschland bezeichnen sich selbst als „überzeugte Demokraten.
taz.de
So geht’s auch
Alle Autofahrer können künftig ihren Fahrzeugschein zu Hause lassen. Denn die neue „i-Kfz“-App ersetzt bei Polizeikontrollen und in der Werkstatt die Zulassungsbescheinigung.
tagesschau.de
Fundstück
Letzte Woche ist eine Dokumentation über den Rapper Haftbefehl erschienen. Jetzt wird viel diskutiert – über die Doku selbst, aber auch darüber, ob Themen, die Teil der Doku sind, im Schulunterricht aufgegriffen werden sollten.
Der Stadtschüler:innenrat in Offenbach, Haftbefehls Heimatstadt, hat zum Beispiel gefordert, die Texte und das Leben von Haftbefehl im Unterricht zu behandeln. Der hessische Kultusminister lehnt das jedoch ab. Die Texte und sein Auftreten stünden nicht im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag.
instagram.com
Viktor Orbáns Fidesz-Partei nutzt massiv künstliche Intelligenz zur Fälschung von Videos gegen den Oppositionsführer Péter Magyar. Deepfake-Videos zeigen Magyar bei Aussagen, die er nie gemacht hat – zum Beispiel über Rentenkürzungen. Politologe Gábor Török spricht von einer „neuen Ebene“ der Manipulation im Wahlkampf.
Parallel dazu tobt ein Zahlenkrieg um die Oktober-Massendemonstrationen. Orbán behauptet, sein Friedensmarsch habe doppelt so viele Teilnehmer angezogen wie die Opposition. Unabhängige Soziologen der ELTE-Universität widersprechen.
Orbán plant eine Washington-Reise zu Donald Trump, will dort über russische Sanktionen verhandeln und er verspricht einen Putin-Trump-Gipfel in Budapest, bei dem Frieden in „zwei bis drei Tagen“ geschlossen werden könne.
Für die EU und Deutschland sind diese Entwicklungen frappierend: Die systematische Nutzung von Deepfakes setzt einen gefährlichen Präzedenzfall für künftige Wahlen. Und Orbáns Vermittlerrolle zwischen Putin und Trump würde die EU-Einheit gegenüber Russland weiter untergraben – insbesondere für Deutschlands Bemühungen um eine geschlossene Sanktionspolitik.
Die demokratische Erosion in einem EU-Mitgliedstaat direkt an Deutschlands erweiterten Grenzen könnte rechtspopulistische Bewegungen wie die AfD dazu inspirieren, ähnliche Taktiken anzuwenden.

Mehr Fairness – aber keine Steuererhöhungen. Das hatte der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zum Beginn der Grundsteuerreform versprochen. Eine am Freitag erschienene CORRECTIV-Recherche zeigt jedoch: In vielen Kommunen kommt es offenbar doch zu höheren Steuern. Aus guten Gründen, denn vielen Städten und Gemeinden mangelt es an Geld.
Im Prinzip hatte Scholz damals ein Versprechen abgegeben, das ihm gar nicht zustand. Denn wie hoch die Grundsteuer am Ende ausfällt, entscheiden die Kommunen eigenständig über den sogenannten Hebesatz. Die Grafik des Tages veranschaulicht, welche Kommunen sich in Sachsen nicht an die Empfehlungen des Bundeslandes für sogenannte faire Hebesätze gehalten haben, die eine Steuererhöhung ausschließen sollten. Die Recherche erklärt, warum:
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Maximilian Billhardt, Samira Joy-Frauwallner, Ulrich Kraetzer, Till Eckert, Jule Scharun, Sebastian Haupt, Stella Hesch.
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