Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.


In Wohnheimen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und in Peschawar warten laut Bundesinnenministerium derzeit etwa 1.850 Menschen aus Afghanistan darauf, dass die Bundesrepublik ihnen Visa für die Einreise nach Deutschland erteilt. Die Ampel-Koalition hatte ihnen dies nach dem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan in Aussicht gestellt, um sie vor der Willkürherrschaft der Taliban zu schützen. Die Betroffenen sollten nach Pakistan reisen und dort die Erledigung der Einreiseformalitäten abwarten. Doch nun stecken sie fest – denn die Regierung Merz hat das Aufnahmeprogramm im Zuge ihrer Verschärfung der Migrationspolitik ausgesetzt. Ist das in Ordnung? Oder haben die Afghanen angesichts des Versprechens der Vorgängerregierung einen Rechtsanspruch auf Aufnahme in Deutschland? Mehr dazu im Thema des Tages.  

Außerdem möchte ich Ihnen den neuen Faktencheck meiner Kollegin Sara Pichireddu empfehlen. Sie hat sich einer Behauptung gewidmet, die derzeit im Internet kursiert: Flüchtende Muslime suchen demnach ausschließlich in nicht-muslimischen Ländern Schutz. Aber stimmt das? 

Thema des Tages: Afghanen warten auf Visa für Deutschland

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Doch, muslimische Flüchtlinge suchen auch in muslimischen Ländern Asyl

Gute Sache(n): Nord-Aralsee erholt sich: Fische sind zurück • 19 vs. 89: Zwei Generationen im Gespräch • China: In sechs Monaten rund doppelt so viel Solarkraft wie Deutschland in 25 Jahren

CORRECTIV-Werkbank: Warum wir anderen wieder mehr zuhören sollten

Grafik des Tages: Die meisten Menschen in Deutschland lehnen Rechtsextremismus ab

Wer verstehen will, wie es so weit kommen konnte, muss einen Blick zurück werfen – in den August 2021. Die westlichen Alliierten verließen das von Krieg und Bürgerkrieg geschundene Afghanistan damals nach dem „Krieg gegen den Terror“ und einem jahrelangen Hilfseinsatz fluchtartig

Die Bundesrepublik plagte angesichts des planlosen Rückzugs ein schlechtes Gewissen – und die Ampel-Koalition legte ein „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ auf: Zusätzlich zu den Afghaninnen und Afghanen, die deutsche Organisationen als Ortskräfte unterstützt hatten, sollten auch Menschen nach Deutschland kommen dürfen, die fürchten mussten, von den Taliban verfolgt zu werden. In Pakistan sollten sie auf ihre Weiterreise nach Deutschland warten. Ausgewählt wurden sie von Nichtregierungsorganisationen. Wie das Auswärtige Amt CORRECTIV mitteilte, kamen in den vergangenen Jahren durch die verschiedenen Aufnahmeprogramme insgesamt mehr als 33.000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland. 

An dem Bundesaufnahmeprogramm regte sich Kritik. Denn die Regierung nannte weder die Namen der NGOs, noch konnten die Verantwortlichen vermitteln, nach welchen Kriterien die Menschen ausgewählt wurden.

Die Regierung Merz, getrieben vom Versprechen einer schärferen Migrationspolitik, stoppte die Programme. Das Problem: Die ausgewählten Personen waren in Erwartung einer Weiterreise nach Deutschland schon nach Pakistan gefahren – und dort sitzen viele immer noch. Einige hundert haben Kanzler Merz nun einen Brief geschrieben. Die Bundesrepublik müsse sich an ihre Zusage halten. Die Rückkehr nach Afghanistan würde „für viele von uns brutal und gewaltsam enden“, schreiben sie.

Wie also ist das mit Versprechen? Muss man sie nicht einhalten? Oder kann es veränderte Umstände geben, die es rechtfertigen, Zusagen zu kassieren? Und: Wie verbindlich waren die Versprechen? 

In der Rechtsprechung zeichnet sich eine Linie ab

Die bisherige Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Aber es zeichnet sich doch eine Linie ab: Afghaninnen und Afghanen, denen eine Aufnahme nach dem Verfahren für sogenannte Ortskräfte in Aussicht gestellt wurde, haben demnach schlechte Karten. Teilnehmende des „Bundesaufnahmeprogramms“ haben die Einreise nach Deutschland dagegen mehrfach erfolgreich eingeklagt. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, allein seit Mitte September seien aufgrund richterlicher Entscheidungen mehr als 100 Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland gekommen.

Sollten die Gerichte bei ihrer Linie bleiben, könnten weitere Teilnehmende des Aufnahmeprogramms –aus dem Auswärtigen Amt heißt es, in Pakistan seien es insgesamt noch rund 1.000 – Einreisevisa einklagen. Die Merz-Regierung müsste dann erklären, wie diese Einreisen zur Migrationswende passen. Die Bundesregierung versichert daher zwar einerseits pflichtschuldig, rechtsverbindliche Zusagen einzuhalten. Andererseits suchen die Verantwortlichen nach Wegen, das Thema vom Tisch zu bekommen. Innenministerium und Auswärtiges Amt verweisen auf Anfrage von CORRECTIV auf Sicherheitsüberprüfungen. Den Wartenden, die nicht im „Bundesaufnahmeprogramm“, sondern aufgrund anderer Programme auf Einreise hoffen, stellte das Ministerium mehrere Tausend Euro in Aussicht – wenn sie auf ihren Einreisewunsch verzichten.    

Der Jurist Max Kolter, Redakteur des Fachmagazins Legal Tribune Online (LTO), hat die Rechtslage analysiert. Auf Anfrage von CORRECTIV sagte der Fachjournalist, die Bundesrepublik sei aufgrund der jüngsten Rechtsprechung verpflichtet, die Menschen aus dem „Bundesaufnahmeprogramm“ aufzunehmen. Die Verantwortlichen wollten das aber offenbar nicht akzeptieren. 

„Die Regierung sucht stattdessen immer kreativere Wege, um den Betroffenen die Einreise zu verwehren. Erst hieß es, die Zusagen seien nicht rechtsverbindlich. Nachdem die Gerichte das anders bewerteten, versucht die Regierung in einigen Fällen, den Betroffenen das Schutzbedürfnis abzusprechen. Teil der Strategie könnte sein, die Verfahren so weit in die Länge zu ziehen, bis die Betroffenen aus Pakistan ausgewiesen werden und in Afghanistan schlicht nicht mehr auffindbar sind.“
Max Kolter 
Jurist 

Israels Parlament stimmt in erster Lesung für Gesetz zur Todesstrafe 
Israels Parlament stimmte in der ersten Lesung zur Gesetzeserhebung der Todesstrafe, mit 39 Stimmen dafür und 16 Stimmen dagegen. Um den Entwurf endgültig zu verabschieden, muss in drei Lesungen über das Gesetz abgestimmt werden. 
deutschlandfunk.de    

Lokal: Dortmunder setzt Kopfgelder auf deutsche Politiker aus 
Ein Dortmunder soll im Darknet zu Anschlägen auf deutsche Politiker wie Olaf Scholz oder Angela Merkel aufgerufen haben. Zudem soll der Mann um Spenden in Form von Kryptowährung gebeten haben, um Kopfgelder zu finanzieren. Die Polizei nahm den 49-Jährigen bereits am gestrigen Abend fest. 
ruhrnachrichten.de / zeit.de 

Recherche: Das sadistische Online-Netzwerk 
Ein internationales Online-Netzwerk, es nennt sich „764“, soll Kinder und Jugendliche angestiftet haben, sich selbst zu verletzen oder sogar sich selbst zu töten. Auch Missbrauch steht im Raum. Die internationale kriminelle Gruppe ist in den USA als Terror-Organisation eingestuft. Nun laufen auch in Baden-Württemberg deswegen Ermittlungen.
zvw.de

Eine Flüchtlingsfamilie geht durch die zu einer Massenunterkunft umfunktionierten Messehalle in Frankfurt.
Wenn Menschen aus ihrem Heimatland vertrieben werden, flüchten sie am häufigsten in ein Nachbarland. Das zeigen Daten der Vereinten Nationen. (Symbolbild: Boris Roessler / DPA / Picture Alliance)

So geht’s auch
Außerhalb der eigenen Familie haben verschiedene Generationen meistens wenig Kontakt miteinander. Deshalb treffen im Zuge der neuen Podcastfolge unserer Jugendredaktion Salon5 der Jugendreporter Titus (19) und Ingrid (89) aufeinander. Sie sprechen über Vorurteile, Missverständnisse und darüber, wie jüngere und ältere Menschen die Welt sehen. Dabei zeigt sich: In mancher Hinsicht sind sie sich ähnlicher als gedacht. 
Spotify 


Wie ich darauf komme: Vergangenes Wochenende war ich auf der BEYOND NEWS-Konferenz in Hamburg. Dort diskutierten wir, rund 150 Journalistinnen und Journalisten, über Haltung, Verantwortung – und Selbstreflexion in der Gesellschaft. Darüber, ob es uns „Journos“ gelingt, wirklich alle Menschen zu erreichen. Oder ob wir längst in unsere eigenen Spiegel sprechen? Ein paar Fragen habe ich von dort mitgebracht und möchte jetzt gerne mit Ihnen gemeinsam reflektieren:

Wir Menschen bewegen uns gerne in vertrauten Kreisen, hören vor allem das, was uns bestätigt – und verlieren schnell das Interesse an allem, was anders klingt oder fremd ist. Das passiert vor allem dann, wenn wir in sozialen, kulturellen, ökonomischen Blasen leben. Das hat mit unreflektiertem Klassismus zu tun, mit Privilegien, Echokammern und Filterblasen. Das Problem daran: Meiden wir das Fremde und „Andere“, geht uns Begegnung verloren. Und wenn dann jeder nur noch seine eigene Wahrheit pflegt und sich im vertrauten Meinungskreis spiegelt, verliert Demokratie ihr Fundament: den Dialog. 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Jule Scharun, Ulrich Kraetzer, Rose Mintzer-Sweeney