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Liebe Leserinnen und Leser,
in der Debatte um das „Stadtbild“ sorgte sich Friedrich Merz bekanntermaßen auch um die Sicherheit unserer Töchter. Bei einigen erntete der Bundeskanzler damit Zustimmung. Bei anderen stieß er auf Unverständnis oder gar Entsetzen – und etliche Frauen fühlten sich instrumentalisiert.
Rund einen Monat später, am vergangenen Freitag, sprachen in Berlin Familienministerin Karin Prien und Innenminister Alexander Dobrindt ebenfalls über die Sicherheit von Frauen. Anders als der Regierungschef stützten sie sich aber nicht auf Emotionen, sondern auf Fakten. Denn das Bundeskriminalamt (BKA) präsentierte ein Lagebild zur Entwicklung geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Gewalt gegen Frauen erreichte demnach 2024 ein neues Allzeithoch. Und: Am gefährdetsten sind Frauen laut Statistik nicht im „Stadtbild“, also im öffentlichen Raum – sondern in ihren eigenen vier Wänden.
Unternimmt die Bundesregierung genug, um Frauen vor (fast immer männlicher) Gewalt zu schützen? Dieser Frage gingen am heutigen „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ meine Kolleginnen Samira Joy Frauwallner und Katharina Roche nach. Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.
Außerdem im Spotlight: Am Verband der Familienunternehmen gibt es scharfe Kritik für dessen Öffnungsübungen zur AfD. Und hier können Sie noch abstimmen, ob privates Silvesterfeuerwerk eingeschränkt werden sollte oder nicht.
Thema des Tages: Gewalt gegen Frauen: neuer Höchststand
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV.Faktenforum: Kabelgebundene Drohnen zählen nicht als Drachen
CORRECTIV-Werkbank: Warum ich zu sozialer Ungleichheit in der Schweiz recherchiere
Grafik des Tages: Unterstützung der Ukraine: Europa trägt nun die Last
In Deutschland werden jeden Tag mehr als zwei Frauen Opfer eines versuchten oder vollendeten Tötungsdeliktes. Der Tatort: häufig das eigene Zuhause. Die Täter: fast immer Männer, oft Partner oder Ex-Partner der betroffenen Frauen. Insgesamt wurden 2024 exakt 265.942 Personen Opfer häuslicher Gewalt. Rund 70 Prozent waren Frauen.

Die verantwortlichen Politiker mühten sich bei der Präsentation dieser Zahlen am vergangenen Freitag, nicht nur Betroffenheit zu zeigen, sondern auch Entschlossenheit. „Der Schutz von Frauen hat für uns höchste Priorität“, sagte Innenminister Dobrindt. Familienministerin Prien bezeichnete Gewalt gegen Frauen als „ein alltägliches Verbrechen, das wir nicht hinnehmen dürfen“.
BKA-Präsident Holger Münch wies darauf hin, dass die Statistik nur Straftaten abbilde, die der Polizei bekannt werden. Er sagt:
„Gerade bei häuslicher Gewalt, die oft hinter verschlossenen Türen geschieht, gibt es ein hohes Dunkelfeld.“
Holger Münch
BKA-Präsident
Das BKA hat daher eine Opferbefragung durchgeführt. Die Studie soll bald veröffentlicht werden. Erste Ergebnisse zeigen laut Münch, „dass nur ein Bruchteil der tatsächlich erlebten Gewalt zur Anzeige gebracht wird“.
Unternimmt die Politik genug gegen Gewalt gegen Frauen?
Expertinnen bescheinigen der Politik, viel auf den Weg gebracht zu haben. Die über Jahre ignorierte Forderung, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen, setzte der Gesetzgeber im Jahr 1997 um. Das 2001 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz schreibt fest, dass nach Übergriffen nicht die misshandelten Frauen, sondern die (fast immer männlichen) Täter die gemeinsame Wohnung verlassen müssen.
Als Meilenstein werteten Organisationen zum Schutz von Frauen das Anfang dieses Jahres verabschiedete Gewalthilfegesetz. Frauen müssen demnach nicht mehr darauf hoffen, dass Beratungsstellen Zeit für sie haben und Frauenhäuser zufällig über einen freien Platz verfügen. Sie haben laut Gesetz einen Rechtsanspruch darauf. Der Bund zahlt für den Aufbau der Strukturen 2,6 Milliarden Euro. Der Haken: Der Rechtsanspruch gilt erst ab 2032.
Was fordern Expertinnen?
Die Berichterstattungsstelle Geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte fordert daher mehr Tempo. Laut Daten der Organisation aus dem Jahr 2022 konnten Schutzeinrichtungen tausende Frauen nicht aufnehmen – aus Platzmangel. Wie ernst die Lage in Frauenhäusern ist, hatte CORRECTIV bereits vor rund eineinhalb Jahren berichtet.
Bedienstete von Polizei und Justiz würden misshandelte und verprügelte Frauen zudem oft unangemessen behandeln. Besonders betroffen davon sind in Strafverfahren Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, wie wir am Beispiel der Schweiz in dieser heute veröffentlichten Recherche zeigen. Expertinnen fordern daher verpflichtende Fortbildungen. Die Leiterin der Berichterstattungstelle, Müşerref Tanrıverdi, sagt: „Wir brauchen einen Kurswechsel Richtung Prävention.“
Wichtig sei auch ein Mentalitätswandel. Wenn ein verlassener Ehemann seine (Ex-)Frau ermordet, weil er ihr das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben abspricht, sei das kein „Familiendrama“ – sondern ein Femizid. Das Problem: Derzeit herrscht kein Konsens darüber, was mit dem Begriff gemeint ist, zumindest nicht auf Behördenebene. Das BKA arbeitet daher nun an einer einheitlichen Definition.
Die SPD will Femizid im Strafgesetzbuch festschreiben
Die SPD will „Femizid“ sogar als eigenständiges Mordmerkmal im Strafgesetzbuch verankern. Die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge sagte CORRECTIV: „Wir müssen Femizide als das anerkennen, was sie sind: Morde an Frauen, nur weil sie Frauen sind.“
Expertinnen außerhalb der Politik sind dagegen zurückhaltend. „Ohne ein Verständnis für geschlechtsbezogene Gewalt wird auch ein Straftatbestand Femizid nichts bringen“, sagt etwa Dilken Celebi, Vorsitzende der Strafrechtskommission beim Deutschen Juristinnenbund.
Klar scheint: Bei der Prävention und beim Schutz vor Gewalt gegen Frauen hinkt Deutschland hinterher. Spanien etwa habe die Femizid-Rate „mit einem umfassenden Ansatz“ halbiert, sagt Expertin Tanrıverdi. 2023 seien dort statistisch gesehen pro 100.000 Frauen 0,45 Frauen getötet worden. In Deutschland lag der Wert bei 0,89.
Hier geht es zu den heute erschienenen Recherchen:
Bundesweite Bombendrohung: Polizei ermittelt mit Hochdruck
Hunderte Drohmails gab es zuletzt gegen Schulen, Bahnhöfe, Einkaufszentren und andere öffentliche Einrichtungen. Die Polizei ermittelt nun gegen vier Beschuldigte. Laut dem Bundeskriminalamt gab es bereits Durchsuchungen, bei denen zahlreiche Elektrogeräte sichergestellt wurden. Die Tatverdächtigen sollen das Ziel gehabt haben, den öffentlichen Frieden zu stören und Verunsicherung in der Bevölkerung auszulösen.
sueddeutsche.de
Kritik aus Politik und Wirtschaft: Annäherung des Verbandes der Familienunternehmer an die AfD
Die Ankündigung des Verbands der Familienunternehmer, künftig auch mit der AfD zu sprechen, stößt auf Kritik in Politik und Wirtschaft. Der Industrieverband BDI distanzierte sich vom Vorgehen des Verbands. Die Deutsche Bank schloss ihn für eine geplante Veranstaltung von seinen Räumlichkeiten aus. Auch der Wirtschaftsflügel der Union geht auf Distanz.
tagesschau.de
Lokal: Städtischer Mitarbeiter in Kempten soll eine Million Euro aus Parkautomaten gestohlen haben
Ein städtischer Mitarbeiter im bayerischen Kempten wird des Diebstahls in mehr als 700 Fällen verdächtigt. Er soll Münzen im Wert von einer Million Euro aus einem städtischen Parkautomaten entwendet haben. Durch einen Geldwäscheverdacht bei seiner Bank flog der Mann schließlich auf. Er und seine Frau sitzen nun in Haft.
allgaeuer-zeitung.de
Recherche: AfD-Mitarbeiter mit rechtsextremen Aktivisten zu Besuch bei den Taliban
Eine Recherche des MDR Investigativ zeigt, wie ein Mitarbeiter der Thüringer AfD-Landtagsfraktion mit rechtsextremen Aktivisten nach Afghanistan reiste. Mit dabei war auch ein Teilnehmer des Potsdamer Geheimtreffens. Zusammen wollten sie in Afghanistan eine Art „alternative Außenpolitik“ vorantreiben, in dem sie Kontakt zu den Taliban suchen.
mdr.de

CORRECTIV.Faktenforum

Eine Schnur an die Drohne binden und damit Regulierungen umgehen? Das soll laut einem Video gehen, das Fluggerät zähle dann als Drachen, heißt es darin. Das stimmt nicht.
faktenforum.org
Endlich verständlich
Die Koalition streitet bereits heftig über die ersten Schritte zur Rentenreform, wie wir gestern berichteten. Dabei stehen die wirklich großen Debatten erst noch aus. Die Herausforderung: Wie lässt sich das Rentensystem angesichts des demografischen Wandels finanzierbar halten? Dazu kursieren zahlreiche Vorschläge – zum Beispiel Beamte und Selbstständige mit in das Umlagesystem einzubeziehen. Die Kehrseite: Die in der Regel höheren Ansprüche von Beamten müssten dann ebenfalls aus der Rentenkasse beglichen werden. Es ist also kompliziert. Das Handelsblatt gibt einen Überblick, welche großen Stellschrauben aktuell in der Diskussion sind – und bewertet sie anhand der Finanzperspektive.
handelsblatt.com
So geht’s auch
Buch statt Smartphone: In Warschau bietet eine Bibliothek in der U-Bahn-Station diese Möglichkeit zum „Digital Detox“. Fast direkt am Gleis kann man sich etwa Bücher für die Fahrt ausleihen.
dw.com
Fundstück
Filmpreis für deutsche Produktion: Eine deutsche Jugendserie über die DDR gewinnt einen internationalen Emmy. Die Serie „Auf Fritzis Spuren – Wie war das so in der DDR?“ holte den Preis als beste Auslandsproduktion für Kinder. Sie thematisiert Fragen, wie Kinder und Jugendliche in der DDR gelebt haben, welche Musik sie gehört oder welche Klamotten getragen haben – und was die Stasi war.
zeit.de
Als junger Erwachsener war ich ein paar Monate obdachlos. Aufgrund einer Sanierung und der damit verbundenen Mieterhöhung mussten mein Vater, der Bauarbeiter war, und ich vor rund zehn Jahren aus unserer Wohnung ausziehen. Ich wollte damals nicht mehr mit ihm zusammenleben. Aber weil ich Depressionen und keinen Job hatte, fand ich kein neues WG-Zimmer.
Alle paar Wochen schlief ich bei anderen Freunden auf dem Sofa. Einer meiner besten Freunde half mir dann, mich beim Sozialamt anzumelden. Die Bürokratie überforderte mich in diesem Zustand völlig. Nach einem selbst gewählten Time-out auf einem Permakultur-Hof, wo ich für Kost und Logis arbeitete – und mit der finanziellen Hilfe des Sozialamtes – fand ich ein bezahlbares WG-Zimmer. Die Zeit danach war trotzdem hart: Ein Leben am Existenzminimum ist sehr schwierig. Durch Therapie, Medikamente und ein unterstützendes Umfeld konnte ich die Depression überwinden. So fand ich zu meinem Beruf als Journalist und konnte wieder auf eigenen Beinen stehen.
Missstände aufzudecken, treibt mich an. Besonders, wenn es um die soziale Ungerechtigkeit geht. Da ist die Vermögensungleichheit eine der größten. In der Schweiz ist fast jeder zweite Franken des gesamten Vermögens vererbt. Kürzlich recherchierten wir zusammen mit der Wochenzeitung WOZ, was Banken, Treuhänder und Steuerämter ausländischen Superreichen anbieten, um Steuern zu sparen.
Das Fazit der verdeckten Recherche war erschütternd für mich: Die Steuerämter selbst verraten die besten Tricks, um Steuern zu sparen. Nun will ich, zusammen mit Ihrer Hilfe, weitere Missstände aufdecken. Wenn Sie Fälle kennen, wo vermögenden Personen geholfen wurde, Steuern zu sparen, erzählen Sie mir davon hier.

Seit drei Jahren und neun Monaten tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Während die USA lange der wichtigste Partner für die überfallene Ukraine waren, änderte sich das mit der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps radikal. Das zeigt nicht nur der umstrittene 28-Punkte-Plan, sondern auch der Blick auf die reinen Daten: Die Vereinigten Staaten sind aus der Unterstützung der Ukraine weitgehend ausgestiegen.
kielinstitut.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Maximilian Billhardt, Till Eckert, Sebastian Haupt, Ulrich Kraetzer und Jule Scharun.
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