Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Justus von Daniels

Vor ein paar Tagen ist ein Urteil gefallen, das die großen Plattformen (endlich) zu mehr Verantwortung zwingen könnte. Dazu gleich mehr. 

In diesem Jahr ist viel Klarheit entstanden und damit eine gute Voraussetzung, wie man mit Problemen umgehen kann. Zum Beispiel, wie rechtsradikal die AfD wirklich ist; wie autoritär Trump agiert; wie wenig Putin auf einen echten Frieden setzt; und eben auch die Einsicht, dass die Sozialen Plattformen wirklich reguliert werden müssen. 

Ein Meilenstein

Eine Frau in Rumänien hat hinsichtlich der Verantwortung eben dieser Plattformen nun wahrscheinlich einen Meilenstein gesetzt. Von ihr waren im Netz Bilder erschienen mit dem Angebot von „sexuellen Dienstleistungen“. Sie selbst wusste davon nichts und wollte damit auch nicht in Verbindung gebracht werden. Sie verklagte den Provider, also die Firma, die die Inhalte verbreitete, auf Schadensersatz. Das Gericht sagte zunächst: keine Chance. Denn ein Provider muss nicht von sich aus rechtswidrige Inhalte löschen und ist auch nicht für die Inhalte verantwortlich.

Die Rumänin zog nach Luxemburg vor den Europäischen Gerichtshof, und das hat nun folgenschwer entschieden: Die Plattform muss von sich aus rechtswidrige Inhalte löschen, weil das Teil des Datenschutzes sei. Diese Firmen könnten sich bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht wie bisher darauf berufen, dass sie nur die Boten seien und nichts für den Inhalt können.

Ein ähnlicher Fall wird bald auch in Deutschland entschieden werden. Renate Künast klagt mit Unterstützung der Organisation HateAid wegen der Löschung von Memes, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzen – das Luxemburger Urteil dürfte Rückenwind für sie sein.

Was hat das nun mit der Klarheit zu tun? 

Auch wir veröffentlichen immer wieder Texte dazu, welche Verantwortung Soziale Plattformen unterlaufen oder wie sie reguliert werden sollten. Immer mit dem Blick darauf, dass eine Gesellschaft dem Geschäftsmodell einiger weniger nicht schutzlos ausgeliefert sein darf. Schließlich bestimmen die Orte, wo wir kommunizieren, auch die Art, wie wir miteinander umgehen.

Das Bewusstsein dafür ist mittlerweile bei vielen angekommen, auch in der Politik. Die Zögerlichkeit, die auf dem Gebiet herrscht, liegt auch dank vieler guter Recherchen offen zutage. Daher ist es ein gutes Zeichen, wenn von einem europäischen Gericht nun das Signal ausgeht, dass Plattformen künftig auch von sich aus dafür sorgen müssten, dass rechtswidrige Inhalte nicht weiterverbreitet werden.

Am Ende dieses SPOTLIGHT nimmt Sie meine Kollegin Viera Zuborova auf einen Abend mit, an dem Journalistinnen und Journalisten im Exil „Geschichten von Trauer und Wahnsinn, Hass und Liebe, vom Gefühl des Verlorenseins und dem Finden von etwas Neuem“ erzählten, wie Viera schreibt. Aber lesen Sie selbst über den stimmungs- und auch hoffnungsvollen Abend, den unser Team CORRECTIV.Exile organisiert hat.

Ihnen ein erholsames Wochenende an diesem 2. Advent, wie immer mit unseren Empfehlungen der Woche!

Herzlich,

Angestellte in Deutschland fehlen so lange wie selten zuvor
Wer besonders häufig ausfällt und warum, zeigt eine neue Auswertung des Dachverbandes der Krankenkassen. Am häufigsten fehlen Menschen wegen Problemen mit Muskeln und Knochen, wegen Atemwegserkrankungen und wegen seelischer Belastungen. In körperlich belastenden Berufen wie etwa der Altenpflege fallen statistisch gesehen Angestellte am häufigsten aus. Wer wissen will, wie es in der eigenen Branche (nach Alter, Geschlecht und Beruf) aussieht, kann dies in einem Beitrag der Zeit mittels eines Tools auswerten lassen.
zeit.de (€) / Aktueller Gesundheitsreport: bkk–dachverband.de 

Globale Krisen drücken weiter auf die Psyche junger Menschen
Die neue „Copsy“-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt: Die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hat sich auch 2024 nicht vollständig erholt. Nach Corona würden inzwischen wieder mehr junge Menschen von Stress, Ängsten und geringerer Lebensqualität berichten – rund fünf Prozent mehr als vor der Pandemie. Gründe für den Stress sind: Kriege, wirtschaftliche Probleme und der Klimawandel sowie soziale Medien und belastende Nachrichten. Besonders stark betroffen seien Kinder aus Familien mit wenig Geld oder belasteten Eltern. Ein stabiles soziales Umfeld schütze.
uke.de / spiegel.de (€) 


Aber dieser Donnerstag war anders. Wir haben ein besonderes Format gewählt: einen Stand-up-Abend, eine Feier mit Emotionen und kraftvollen Geschichten, die das gesamte Spektrum der Gefühle umfassten. Neun Rednerinnen und Redner – aus dem Sudan, Russland, Iran, Belarus, Afghanistan, Aserbaidschan und der Ukraine – standen vor uns und öffneten ihre Herzen, teilten zutiefst persönliche, intime Momente aus ihrem Leben. Geschichten von Trauer und Wahnsinn, Hass und Liebe, vom Gefühl des Verlorenseins und dem Finden von etwas Neuem. Von eindrucksvoller poetischer Bildsprache bis zu Momenten unerwarteten Humors – ihr Storytelling webte einen unsichtbaren Faden, der uns alle verband.

Wir waren wie gebannt. Ich erinnere mich, wie ich mich umschaute und bemerkte, dass der gesamte Raum verstummt war, gefesselt von diesen mutigen Menschen im Exil. Einige Zuhörerinnen und Zuhörer lachten, andere weinten, und wieder andere saßen wie erstarrt da und versuchten, jede Emotion aufzunehmen, die von der Bühne ausstrahlte.

In diesem Moment verstand ich, warum unsere Arbeit wichtig ist. Sie wird jetzt mehr denn je gebraucht. Diese Medienschaffenden bieten uns ein Teleskop in die Zukunft und fordern unser Verständnis von Resilienz heraus.

Auf dem Foto ist der Ausschnitt einer Heizung zu sehen. Darüber ein Stück einer Fensterbank

„Druck im Kessel“: Wie die Wärmewende die Menschen trifft
Baden-Württemberg will klimaneutral heizen – wir haben gemeinsam mit dem SWR monatelang Bürgerinnen und Bürger befragt, Fachleute begleitet und bei Veranstaltungen Stadtvertreter und Entscheider eingeladen. Ein Rückblick.
correctiv.org 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Finn Schöneck, Elena Kolb und Martin Böhmer.