Wie ein Übersetzungsfehler zu Falschmeldungen über einen angeblichen Anschlag führte
Angeblich soll es auf Guadeloupe einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt gegeben haben: Zehn Tote seien zu beklagen, als ein Auto in eine Menschenmenge fuhr. Doch die Geschichte ist falsch und beruht offenbar auf einem Übersetzungsfehler.
„Tragödie bei Weihnachtsvorbereitungen in Sainte-Anne“, heißt es in einem X-Beitrag vom 6. Dezember. Mindestens zehn Menschen seien bei einem Unfall gestorben, darunter Kinder, neun weitere Menschen seien verletzt worden. Sainte-Anne ist eine Gemeinde auf der Karibikinsel Guadeloupe, die zu Frankreich gehört. In anderen Beiträgen auf X, wie beim AfD-Kandidaten für den Berliner Senat Julian Adrat, und auf Facebook wird aus dem Unfall sogar ein Anschlag samt Vertuschung: „10 Tote bei Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Frankreichs Guadeloupe. Warum schweigt der ÖRR?“
Adrat und auch Elon Musk teilten und kommentierten einen viralen Beitrag des rechtsextremen britischen Aktivisten Tommy Robinson. Die Beiträge haben zusammen mehr als 80 Millionen Aufrufe. In vielen der Beiträge sind Aufnahmen von Rettungswagen und Sanitätern zu sehen.
Doch an der Geschichte stimmt einiges nicht. Sowohl die Polizei wie auch die Pressestelle des Stabs-Chefs auf Guadeloupe bezeichnen die Behauptungen als falsch. Tommy Robinson veröffentlichte später eine Korrektur – der falsche Beitrag ist aber weiter online.
Verkehrsunfall auf Guadeloupe: Berauschter Fahrer verletzt 19 Personen
Es gab zwar am 5. Dezember einen Unfall auf der Insel, bei dem ein Autofahrer, der unter Einfluss von Alkohol und Cannabis stand, in eine Menschenmenge vor einem Imbisswagen gefahren ist. Das war aber kein Anschlag, sondern laut Sprecherin des Stabs-Chefs ein Verkehrsunfall. Der Fahrer habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und 19 Menschen verletzt. Dass es zehn Tote gegeben habe, seien „Fake News“.
Eine Google-Suche nach dem Unfall in Sainte-Anne führt auch zu mehreren Medienberichten und Videos, die dieselbe Szene zeigen, wie sie auch in den Videos in Sozialen Netzwerken zu sehen sind. In einigen Berichten ist von 16 Leicht- und drei Schwerverletzten die Rede, von denen aber niemand in Lebensgefahr schwebe.
Der Unfall hat sich auch nicht auf einem Weihnachtsmarkt ereignet, wie teilweise online behauptet wird. Den Berichten nach standen die verletzten Menschen in der Nähe eines Platzes, auf dem am selben Tag die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet wurde – die Veranstaltung sei zum Zeitpunkt des Unfalls aber beendet gewesen, erklärte der stellvertretende Präfekt der Gemeinde noch am Unfallort. Verletzte bei der Weihnachtsveranstaltung habe es nicht gegeben.
Falschmeldung beruht auf mehreren indischen Webseiten: Gab es einen Übersetzungsfehler?
Robinson nennt in seiner Korrektur als Quelle für die Falschmeldung die Zeitung The Indian Express. Auch in deutschen Beiträgen sind indische Quellen verlinkt, darunter die Hindustan Times. Beide Webseiten hatten tatsächlich zunächst von zehn Toten gesprochen. Die Faktencheck-Redaktion von Reuters fand weitere indische Webseiten, die falsch berichtet hatten.
Laut Reuters könne es sich um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben: Die Hindustan Times gab gegenüber Reuters an, man habe die Information über mehrere Todesopfer von der französischsprachigen Nachrichtenseite RCI Guadeloupe übernommen. Tatsächlich übersetzt Google Translate den Titel von RCI Guadeloupe falsch: Aus dem Französischen „une dizaine de victimes fauchées“ (übersetzt: „ein Dutzend Opfer erfasst/überfahren/niedergestreckt“) wird sowohl im Englischen als auch im Deutschen „etwa zehn Opfer getötet“.

Google erklärte gegenüber Reuters, dass ihr Übersetzer die Standardkommunikation effektiv bewältige, die subtilen Nuancen von Wortspielen, Redewendungen und kulturellen Kontexten nach wie vor eine große Herausforderung darstellten. Der Konzern sei sich bewusst, dass diese Komplexität gelegentlich zu Fehlern führe und arbeite daran, die Genauigkeit zu verbessern.
Sowohl der Indian Express als auch die Hindustan Times haben ihre Artikel inzwischen korrigiert. Der AfD-Kandidat Julian Adrat schreibt uns auf Nachfrage, ob er seinen X-Beitrag löschen oder sich korrigieren wolle: „Was ich getwittert habe, habe ich getwittert.“
Redigatur: Paulina Thom, Gabriele Scherndl