Migration

Flüchtlinge randalieren auf dem Weg nach Europa? Desinformation war Grund für Unruhen in Griechenland

Ein Video auf Facebook und Twitter wird mit der Behauptung verbreitet, es zeige randalierende Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Das Video ist echt, doch die Leute sind inzwischen wieder in ihren griechischen Unterkünften. Sie waren offenbar einer Falschmeldung über offene Grenzen aufgesessen.

von Tania Röttger

GREECE-EUROPE-MIGRANTS
Die französische Nachrichtenagentur AFP war am 5. April in Diavata, Fotos zeigen kleinere Feuer, wie auch in dem Video. (Quelle: Sakis Mitrolidis / AFP)
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Das Video ist echt. Allerdings sind die Menschen wieder in ihren Unterkünften in Griechenland und nicht auf dem Weg nach Westeuropa. Falschmeldungen hatten offenbar sie in Richtung Grenze getrieben. Ob sie nach Deutschland wollten, ist nicht klar.

In dem Video sieht man einen Mann, der trockenes Gras auf ein kleines Feuer legt, eine blonde Frau, die einen Kinderwagen über Schotter schiebt und erbost auf Englisch ruft: „Das ist ein Baby. Was soll das?“. Man sieht Feuer am Wegesrand und einen Mann, der sich immer wieder hinkniet, wohl um etwas anzuzünden. Im Postingtext der Facebook-Seite „Klartext für Deutschland“ zu dem Videoausschnitt heißt es: „ihr Ziel liegt auf der Hand: Deutschland“. Seit dem 24. April wurde der Beitrag mehr als 2000 Mal geteilt.

Seit dem 22. April verbreitet sich dieses Video auf den sozialen Medien, zum Beispiel durch „Klartext für Deutschland“. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Video ist eingerahmt von den Worten: „Flüchtlinge zünden Feuer in Griechenland an“. Zudem ist „Diavata, 04-05-19“ zu lesen.

Ist das Video echt?

Tatsächlich gab es am 5. April in Diavata, was bei Thessaloniki liegt, Unruhen. Migranten hatten sich dort versammelt in der Hoffnung, Griechenland in andere europäische Länder verlassen zu können.

Diavata liegt in der Nähe von Thessaloniki, ca. 60 Kilometer von der Grenze nach Nordmazedonien entfert. (Quelle: Google Maps; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In Deutschland berichteten etwa die Welt, Zeit oder T-Online über die Zusammenstöße. Diese Berichte sprachen nicht von Feuern, sondern davon, dass Migranten versucht hätten, die Polizeisperre zu durchbrechen. Die Polizei habe Tränengas gegen die Menschen eingesetzt, woraufhin diese Steine auf die Polizisten geworfen hätten. Ein Fotojournalist sei verletzt worden.

Das Video stammt von diesen Zusammenstößen in Diavata. Die blonde Frau, die im Video  „was soll das?“ ruft, taucht auch in einem Agenturfoto über die Zusammenstöße auf. Die New York Times bebilderte damit einen Artikel über die Vorkommnisse.

Die New York Times nutzt ein Bild der AFP, auf dem eine Frau aus dem Video mit zwei Kindern vor einer Reihe griechischer Polizisten gestikuliert. (Quelle: nytimes.com; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Andere Fotos der AFP aus Diavata zeigen auch kleinere Feuer, wie im Titelbild zu diesem Artikel.

Migranten machten sich wohl wegen Falschmeldungen auf den Weg

Auslöser für die Versammlung waren offenbar anonyme Nachrichten auf verschiedenen sozialen Medien. Eine griechische Webseite zeigt Screenshots davon. Im Artikel heißt es, die Grenze nach Nordmazedonien werde am 5. April geöffnet. Migranten aus Thessaloniki, aber auch aus dem Raum um Athen machten sich daraufhin auf den Weg. Bei Diavata, nahe Thessaloniki, mehr als 60 Kilometer von der Grenze entfernt, bauten sie ein Lager auf.

Eine der Nachrichten, die laut der griechischen Webseite lifo.gr Flüchtlinge dazu aufriefen, zur Grenze nach Nordmazedonien aufzubrechen. (Quelle: lifo.gr; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Behörden reagierten: Die griechische Polizei hinderte die Menschen am weiter ziehen. Sie teilte mit, dass die Grenzen geschlossen blieben. Schließlich wurden die Leute mit Bussen wieder zu ihren griechischen Wohnorten gebracht werden.

Der UNHCR, Flüchtlingskommissar der UN, veröffentlichte eine Warnung vor solchen Falschmeldungen auf seiner Webseite.

Warnung vor Falschmeldungen auf der Webseite des UNHCR. (Quelle: UNHCR; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Am Telefon sagt Boris Cheshirkov vom UNHCR gegenüber CORRECTIV, seinen Informationen nach sammelten sich bis zu 1.500 Menschen vom 4. April bis zum 7. April in Diavata. „Am Ende des dritten Tages verließen sie ihre aufgebauten Unterkünfte wieder.“

Wer hinter den Falschmeldungen steckt, ist unbekannt.

Auch das Auswärtige Amt warnt vor Falschmeldungen

Die Behörde schreibt auf CORRECTIV-Anfrage: „Das Auswärtige Amt beobachtet an Migrantinnen und Migranten gerichtete Mobilisierungsaufrufe in den sozialen Medien genau und bemüht sich zusammen mit der EU, dem UNHCR und der IOM Fehlinformationen entgegen zu wirken.“

Auf der Webseite „Rumours about Germany“ („Gerüchte über Deutschland“), die vom Auswärtigen Amt stammt, steht im Moment der Hinweis, den Aufrufen der sogenannten „Karawane der Hoffnung“ nicht zu folgen.

Warnung auf der Webseite https://rumoursaboutgermany.info, die vom Auswärtigen Amt betrieben wird. (Quelle: rumoursaboutgermany.info; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)