Nein, es gibt keinen Beschluss der Ministerpräsidenten, den Rundfunkbeitrag automatisch zu erhöhen
Auf Facebook wird behauptet, die Ministerpräsidenten der Länder hätten beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag ab 2023 automatisch regelmäßig erhöht werden soll. Auch mehrere Medien berichten ähnlich. Das neue Modell ist aber noch nicht beschlossen.
Am 6. Juni wurde bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin eine Entscheidung zur zukünftigen Gestaltung des Rundfunkbeitrags erwartet. Medien wie die FAZ berichteten, es sei wahrscheinlich, dass die Länderchefs sich einigen würden. Auf der Facebookseite „Politik und Zeitgeschehen“ wurde dann am 7. Juni ein Bild veröffentlicht, auf dem es heißt: „Während alle mit Klöcker (sic!) und Nestlé beschäftigt waren, wurde beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag künftig regelmäßig und automatisch steigt. Ab 2023 soll der Rundfunkbeitrag alle zwei Jahre automatisch steigen, dass (sic!) haben die Ministerpräsidenten beschlossen.“ Der Beitrag wurde mehr als 6.800 Mal geteilt.
Widersprüchliche Medienberichte
Doch wurde das wirklich beschlossen? Dazu gibt es zunächst mal widersprüchliche Medienberichte. Der Deutschlandfunk und DWDL berichten am 6. und 7. Juni, die Entscheidung sei bei der Ministerpräsidentenkonferenz vertagt worden. Auch die Abgeordnete Doris Achelwilm, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, kommentierte auf ihrer Webseite die erneute Vertagung einer Entscheidung über ein Indexmodell, mit dem der Rundfunkbeitrag automatisch regelmäßig angehoben würde: „Die Diskussion der Umstellung auf einen Index-Automatismus darf nicht die nötigen Reformen bei den Öffentlich-Rechtlichen blockieren.“ Dagegen berichteten Spiegel Online und die Bild am 6. Juni, die Regierungschefs hätten sich auf ein Indexmodell geeinigt.
Tatsächlich gibt es Pläne, nach denen die Rundfunkkommission beauftragt werden soll, ein Indexmodell für den Rundfunkbeitrag zu entwickeln. Die neue Regelung solle am 1. Juni 2023 in Kraft treten, berichtete die FAZ. Damit würde der Beitrag regelmäßig steigen, zum Beispiel angepasst an die Verbraucherpreise, also die Inflation. Dafür müsste der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden, und dies muss von allen Landesparlamenten getragen werden. Derzeit liegt der Rundfunkbeitrag bei 17,50 Euro pro Haushalt. Änderungen sind bisher nur möglich, wenn die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (Kef) dies empfiehlt. Alle Rundfunkanstalten legen bisher der Kef ihre mittelfristige Finanzplanung für vier Jahre vor; die Kommission prüft diese und schlägt mögliche Anpassungen des Beitrags vor.
Indexmodell beschlossene Sache?
Spiegel Online zitierte am 6. Juni Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Aussage, die Länder hätten sich auf ein Indexmodell geeinigt. Nur die Modalitäten seien nicht abschließend entschieden. Bis Redaktionsschluss bekamen wir keine Rückmeldung vom Autor des Artikels, worauf genau er diese Aussagen stützt.
Im Phoenix–Video-Mitschnitt des Pressestatements von Tschentscher nach der Konferenz ist ab Minute 14:50 jedoch zu hören, wie eine Journalistin Tschentscher fragt: „Wie sind Sie denn bei der Rundfunkfinanzierung verblieben?“ Der Politiker antwortet: „Was Sie eigentlich interessiert: Was ist mit dem Rundfunkbeitrag? Das ist heute nicht abschließend besprochen oder entschieden worden. […] Aber wir sind ja schon in einem Konzept, auf das wir uns nahezu verständigt haben, dass wir Indexierung wollen, dass wir uns eine globalere Beauftragung des öffentlichen Rundfunks wünschen. Aber es gibt jetzt noch nicht das, worauf alle warten: wie sich der Rundfunkbeitrag ganz präzise entwickeln soll die nächsten Jahre.“ Und auf erneute Nachfrage der Journalistin fügte er hinzu: „Das ist der überwiegende Gesprächsstand. Es gibt aber hierzu noch keinen endgültigen Beschluss, wie wir das ausgestalten. Aber die Diskussion bewegt sich stark in die Richtung […].“
Auf eine Presseanfrage von CORRECTIV teilte Tschentschers Sprecher Marcel Schweitzer per E-Mail mit: „Bei der letzten MPK wurden die Rundfunkthemen nicht besprochen. Herr Dr. Tschentscher hatte sich auf Nachfrage nur zur generellen Richtung bzw. zum aktuellen Diskussionsstand geäußert.“ Konkret auf die Berichterstattung von Spiegel Online angesprochen, ergänzte Schweitzer: „Nicht alle Landesregierungen (die ja von unterschiedlichen Parteien getragen werden) sind sich vollends einig, WIE das Indexmodell aussehen soll, weshalb es noch abschließender Gespräche bedarf. Im Grundsatz hat man sich aber auf ein Indexmodell verständigt. Da der Prozess noch voll im Gang ist, gibt es also noch keinen formellen Beschluss, sondern nur einen ‘Stand der Dinge’, den Herr Tschentscher mitteilte.“
FDP ist gegen ein Indexmodell
Bisher sieht es nicht so aus, als wären sich alle Bundesländer einig. So berichtete die Welt am 6. Juni, die FDP blockiere das Indexmodell, da sie zuerst die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überarbeitet sehen wolle. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Nicola Beer, twitterte ebenfalls am 6. Juni: „Eine automatische Steigerung des Rundfunkbeitrags ist der komplett falsche Ansatz: Wir müssen Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reformieren – nicht Strukturdefizite mit Geld stopfen.“ Die FDP regiert in drei Bundesländern mit. Ähnlich äußerte sich auch mal die Landtagsfraktion der CDU in Sachsen.
Indexmodell noch nicht beschlossen
Fest steht also: Das Indexmodell, mit dem der Rundfunkbeitrag automatisch regelmäßig angehoben würde, ist noch nicht beschlossen. Das bekräftigt auch Sprecherin Martina Burrell vom Büro der stellvertretenden Sprecher der Landesregierung Rheinland-Pfalz auf Anfrage von CORRECTIV. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, ist die Vorsitzende der Rundfunkkommission. In der schriftlichen Erklärung aus dem Büro der Landesregierung heißt es, es sei bei der Ministerpräsidentenkonferenz kein Beschluss gefasst worden. Es werde weiterhin lediglich geprüft, „ob ab dem 1. Januar 2023 der Rundfunkbeitrag mittels eines Index angepasst werden soll. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich daher noch keine gesicherte Prognose abgeben, ob und, wenn ja, in welcher Form ein Wechsel auf ein indexbasiertes Finanzierungsmodell erfolgen wird.“