Nein, wegen der Schließung einer Flüchtlingsunterkunft werden nicht alle Elektrogeräte entsorgt
In den sozialen Netzwerken kursiert ein Video, in dem ein Mann durch eine Unterkunft für Flüchtlinge läuft und behauptet, dass alle neuwertigen Geräte dort entsorgt würden, weil das Heim schließt. Die Behauptung ist größtenteils falsch.
Die Facebook-Seite „Deutschland schafft sich“ und mehrere private Facebook-Nutzer veröffentlichten zwischen dem 16. und 17. Juli ein etwa einminütiges Video. Unklar ist, wer das Video zuerst verbreitete. Nutzer teilten uns mit, dass es auch auf WhatsApp kursiert. In dem Video filmt ein Mann eine Unterkunft für Asylbewerber und Flüchtlinge und stellt mehrere Behauptungen und Mutmaßungen zum Inventar auf.
Das Video beginnt in einem Raum, in dem sich viele Waschmaschinen befinden. Dazu mutmaßt der Mann hinter der Kamera, dass diese „höchstwahrscheinlich auch entsorgt werden“. Mehrfach kommentiert er: „Unglaublich. Wird alles entsorgt, weil sie das Asylantenheim zusammengelegt haben.“ Auch sagt er: „Hier seht ihr, wie blöde die Deutschen sind.“ Er zeigt Herde, die in einem Container gestapelt sind und angeblich noch funktionieren. Außerdem sollten ihm zufolge noch ein Holzsteg und ein Spielplatz „weggekloppt“ und entsorgt werden. Es habe in der Unterkunft auch einen „Catering-Service“ für die Asylbewerber gegeben.
Das Video löst bei vielen Nutzern wütende Reaktionen aus: „So wird das Geld verschwendet, man kann doch die Sachen einfach verschenken oder nicht“, kommentiert eine Person. Auch die Facebook-Seite „Deutschland schafft sich ab“ stellt in den Kommentaren einige Fragen zu dem Video: „Was passiert mit diesen Geräten?“
CORRECTIV hat bei der zuständigen Behörde nachgefragt.
Unterkunft steht in Berlin und soll geschlossen werden
Bereits in den Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass die Einrichtung in Berlin stehen soll. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin (LAF) bestätigt in einer Mail an CORRECTIV, dass in dem Video die Gemeinschaftsunterkunft Columbiadamm, die sich auf dem Tempelhofer Feld in Berlin befindet, zu sehen ist. Laut LAF soll diese Unterkunft tatsächlich bald geschlossen werden.
Das Unternehmen „Tamaja“ betreibt nach eigenen Angaben zwei Gemeinschaftsunterkünfte in Berlin. Eine davon ist die aus dem Video. Auf der Internetseite des Betreibers befinden sich Bilder von Waschmaschinen. Es handelt sich augenscheinlich um dasselbe Modell wie bei den Maschinen, die im Video zu sehen sind. Unsere Fragen wollte Tamaja nicht beantworten und verwies uns ans LAF.
Waschmaschinen, Trockner und Herde?
Per Email teilte uns das LAF mit, dass es im Jahr 2017 für die Unterkunft Columbiadamm 48 Waschmaschinen für jeweils 1.100 Euro sowie 48 Trockner für jeweils 800 Euro und 200 Herde für jeweils 160 Euro angeschafft wurden. Laut LAF soll es sich bei den Waschmaschinen um Industriewaschmaschinen handeln. Zu Beginn der Schließung sollen noch knapp 900 Menschen in der Einrichtung gelebt haben. Die Waschmaschinen sollen ausgelastet gewesen sein. Deshalb habe es zuletzt für die Bewohner „strikt einzuhaltende Waschzeiten“ gegeben.
Funktionierende Geräte werden laut LAF nicht entsorgt
Wir wollten vom LAF wissen, ob diese Geräte wie im Video behauptet „entsorgt“ werden. Die Antwort: „Die sogenannte weiße Ware wird nicht verkauft, sondern in anderen Einrichtungen des LAF eingesetzt. Die Waschmaschinen und Trockner wurden bereits vorgestern abgeholt. Das Gleiche gilt für mehrere Dutzend Herde, die ebenfalls in anderen Unterkünften Verwendung finden. Nur defekte Herde werden entsorgt.“ (Hinweis der Redaktion: Weiße Ware steht in der Fachsprache für Haushaltsgeräte wie zum Beispiel Kühlschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen.) Auch in dem Video ist mindestens ein kaputter Herd zu sehen.
Sascha Langenbach, Pressesprecher des LAF, Sascha Langenbach, schreibt in einer weiteren Mail CORRECTIV außerdem, dass es ein „Experten-Team“ in der Abteilung gebe. Es prüfe vor einer Schließung „in jedem Einzelfall sorgfältig“ welche Ausstattung und Geräte weiter verwendet werden könnten. Das sei „eine Selbstverständlichkeit, da der Umgang mit Materialien, die durch Mittel der Allgemeinheit angeschafft wurden, nach dem Prinzip der Sorgfalt und Nachhaltigkeit erfolgen muss.“
Holzböden waren aufgrund von Denkmalschutz nötig
Die Gemeinschaftsunterkunft wurde auf dem Tempelhofer Feld gebaut. Das Tempelhofer Feld befindet sich auf dem ehemaligen Flughafengelände Berlin Tempelhof. Für die Erhaltung des Geländes wurde am 14. Juni 2014 ein „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“ verabschiedet.
Das Gesetz ist laut LAF auch der Grund, weshalb dort Holzböden verbaut wurden: „Gemäß Tempelhofer Feldgesetz ist es nicht erlaubt, auf dem Gelände feste Gebäude zu errichten, u.a. weil die Bodenplatten denkmalgeschützt sind. Zum Schutz der Platten war es daher nötig den Holzboden zu verlegen. Die Gestaltung in Holz war zudem die wirtschaftlichste Variante für den Zweck.“ Auch in diesem Falle versichert das LAF, dass die Böden nach dem Rückbau, soweit möglich, an weiteren Standorten eingesetzt werden sollen.
Spielplätze und „Catering-Service“?
Auf Nachfrage bestätigt das LAF zudem, dass es in der Unterkunft mehrere Spielplätze gibt. Dennoch sollen auch diese, anders als im Video behauptet, nicht entsorgt werden. Die Spielplätze würden nach dem Abbau weitere Verwendung in anderen Einrichtungen verwenden finden oder „der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden“.
Und gab es für die Bewohner einen „Catering-Service“? In der Mail an CORRECTIV dementiert das LAF dies ebenfalls: „Es handelt sich bei der Unterkunft um eine Gemeinschaftsunterkunft, das heißt, dass die Bewohner sich alle selbst versorgen konnten. Deswegen gibt es in der Unterkunft schließlich auch Herde. Ein Catering hat es in dieser Unterkunft folglich nicht gegeben.“