Doch, ARD und ZDF haben über Mord mit Schwert in Stuttgart berichtet
In einem viel geteilten Facebook-Beitrag wird behauptet, die Sender ARD und ZDF hätten nicht über einen Mord in Stuttgart berichtet. Das ist falsch. Beide Sender haben über den Fall berichtet, entschieden sich jedoch gegen eine Thematisierung in den Hauptnachrichten.
In einem Beitrag behauptete die Facebook-Seite „KonradsErben“ am 3. August, ARD und ZDF hätten den „Schwertmord von Stuttgart am 1. August 2019 bewusst ignoriert“. Im Gegensatz dazu habe „die ganze Welt – einschließlich der New York Times“ über den Fall berichtet. Der Beitrag wurde bisher mehr als 8.300 Mal geteilt.
Wir haben die Behauptungen des Facebook-Beitrags überprüft.
Mord in Stuttgart am 31. Juli
Gegen 18:15 Uhr am 31. Juli riefen Zeugen in Stuttgart die Polizei und berichteten von einem Mann, der mit einem schwert-ähnlichen Gegenstand auf einen anderen Mann einsteche. So steht es in der Pressemitteilung, die die Polizei am selben Abend um 22:44 Uhr veröffentlichte.
Im „Heute-Journal“ früher am selben Abend um 21:15 Uhr erwähnten die ZDF-Moderatoren den Mord nicht. Auch in späteren der „Heute Plus“-Sendung am selben Abend griff die Redaktion den Vorfall nicht auf. Auch in der „Tagesschau“ um 20 Uhr und in den „Tagesthemen“ um 22.15 Uhr an diesem Abend war der Fall kein Thema.
Stimmt es, dass die Sender ARD und ZDF gar nicht berichteten ?
Nein. Sowohl ARD als auch ZDF haben am 1. August über den Mord berichtet. Die ARD-Sendung „Brisant“ um 17:15 Uhr und die ZDF-Sendung „Hallo Deutschland“ um 17:10 Uhr, jedoch nicht in den Hauptnachrichten.
Dass das ZDF den Mord nicht in den Hauptnachrichten aufgriff, begründete der Sender auf Presseanfragen am Tag nach dem Vorfall damit, dass über Straftaten in den heute-Nachrichten nur dann berichtet werde, wenn sie eine „deutschlandweite gesamtgesellschaftliche Dimension“ hätten. Außerdem stünden laut Staatsanwaltschaft keine religiösen oder politischen Motive hinter der Tat. „Wegen der besonderen Umstände der Tat in Stuttgart hat jedoch unsere Magazinsendung ‘hallo Deutschland’ ausführlich berichtet“, schreibt die Pressestelle auf eine Presseanfrage von CORRECTIV.
Die ARD argumentiert in einer Antwort auf eine Presseanfrage von CORRECTIV, es gelte zwischen der regionalen Relevanz und der bundesweiten Berichterstattung zu unterscheiden. „Hier wird deutlich, dass diese grausame Tat auf offener Straße in der Region anders gewichtet wird als überregional.“ Deshalb habe der SWR, in dessen Berichtsgebiet Stuttgart falle, ausführlichst über die Tat berichtet.
SWR berichtete umfangreich über Mord
Die Berichterstattung des SWR, in dessen Region der Mord stattfand, belegt die ARD mit zahlreichen Beispielen:
- „SWR Aktuell Baden-Württemberg“ am 31. Juli um 19:30 Uhr und um 21:45 Uhr
- „Am 1.8. sendete der SWR um 18 Uhr den Beitrag aus Brisant, um 19.30 Uhr und 21.45 Uhr ein eigenes Nachrichtenstück von gut 2 Minuten Länge“, so der Pressesprecher
- „SWR Aktuell Baden-Württemberg“ am 2. August Vorfall in allen Ausgaben thematisiert
Auch auf der Website „SWR Aktuell Online“ habe die Redaktion ab dem 31.Juli in mehreren Artikeln berichtet:
- Hauptartikel: „Tötungsdelikt am Fasanenhof – Polizei gibt weitere Details bekannt“ – (31.07. mit Updates bis zum 2.8.)
- Video von Fasanenhof-Verbrechen im Netz geteilt – ist das strafbar? (2.8.19)
- Psychologin: „Menschen müssen da erst mal hingucken“ (2.8.19)
- Strobl fordert nach tödlicher Attacke mehr Polizei in Wohngebieten (2.8.19)
- Justizminister Wolf: „Schmaler Grat zwischen Mitgefühl und Sensationsgier“ (2.8.19)
Warum der Fall nicht von den ARD-Nachrichten thematisiert wurde
Die zentrale Nachrichtenredaktion ARD-aktuell, zu der Tagesschau, Tagesthemen und Tagesschau.de gehören, begründet das Nicht-Aufgreifen des Themas in ihren Sendungen gegenüber CORRECTIV ebenfalls damit, dass „ein politisch, rassistisch oder religiös motivierter Hintergrund der Tat“ nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen sehr unwahrscheinlich sei. Ein solcher Hintergrund „hätte für die Tagesschau Grund sein können, über diesen Fall zu berichten“. Auch eine politische oder gesellschaftliche Debatte habe der Fall in den Tagen nach der Tat nicht ausgelöst.
Irreführende Anführungsstriche im Facebook-Beitrag
Weiter zitiert der Facebook-Beitrag von „KonradsErben“ eine Stellungnahme des Deutschlandfunks, die der Sender am 2. August veröffentlichte. Die Überschrift war: „Warum wir nicht über den Stuttgarter ‘Macheten-Mord’ berichten“. Neben einem Zitat daraus setzt „KonradsErben“ eine eigene Interpretation, die missverständlich in Anführungsstrichen steht. Die Interpretation der Autoren kann von Lesern deshalb als Aussage des Deutschlandfunk missverstanden werden.
Aus dem Deutschlandfunk-Artikel zitieren die Autoren korrekt: „In den Nachrichten des Deutschlandfunks spielen einzelne Kriminalfälle nur selten eine Rolle. Voraussetzung für die Berichterstattung ist eine bundesweite und gesamtgesellschaftliche Bedeutung […]“.
Der Satz „Öffentliche Hinrichtungen mit dem Schwert am helllichten Tag sind in Deutschland normale einzelne Kriminalfälle, wie etwa Autodiebstähle oder Handtaschenraub“ findet sich in der Stellungnahme des Deutschlandfunk nicht.