Die Polizei berichtete nicht über die Vergewaltigung einer 13-Jährigen in Graz – zum Schutz des Opfers
In einem Leserbrief in der „Kleinen Zeitung“ in Österreich wird behauptet, über eine Vergewaltigung einer 13-Jährigen sei 2018 von der Polizei nicht berichtet worden, weil Ausländer beteiligt waren. Die Polizei bestreitet das. Der Grund sei der Schutz des Opfers gewesen.
Die Facebook-Seite „Einzelfälle in Österreich“ veröffentlichte am 18. August ein Foto eines Leserbriefs, offenbar aus einer Zeitung. Er bezieht sich auf einen Artikel mit dem Titel „13-Jährige brutal vergewaltigt“, laut des angegebenen Datums wurde dieser am 7. August veröffentlicht. In dem Brief schreibt ein Leser namens Werner S., über die Vergewaltigung habe nichts im Polizeibericht an die Presse gestanden. Weiter behauptet er, Amtshandlungen, die Ausländer betreffen, würden regelmäßig „in den Schubladen von Polizei und Justiz verschwinden“. Somit würden Verbrechen vertuscht und Täter geschützt. Der Facebook-Beitrag wurde bisher mehr als 2.800 Mal geteilt.
CORRECTIV-Recherchen haben ergeben, dass der Leserbrief aus der regionalen Tageszeitung Kleinen Zeitung stammt. Auf Anfrage schickte die Redaktion uns den Zeitungsbericht und den Leserbrief zur Bestätigung als PDF zu. Der Leserbrief erschien demnach am 18. August. Der Artikel ist online nicht zu finden, allerdings gibt es auf der Webseite der Kleinen Zeitung eine andere Version vom 6. August (bezahlpflichtig), in der es um denselben Fall geht.
Der Artikel, der in der gedruckten Zeitung am 7. August 2019 erschienenen ist, beginnt mit den Worten: „Fast ein Jahr lang wurde dieser schockierende Fall der Öffentlichkeit verschwiegen.“ Allerdings wird im Artikel kein Grund dafür genannt.
Im Text steht weiter, ein 13-jähriges Mädchen aus Afghanistan sei Ende Oktober 2018 in Graz von fünf jungen Männern – ebenfalls Afghanen – in einer Wohnung vergewaltigt worden. Die fünf Täter seien zwischen 17 und 22 Jahre alt gewesen. Sie seien am 11. Juli 2019 vor dem Grazer Landesgericht verurteilt worden, zu sechseinhalb, vier, sieben und zweimal acht Jahren Haft. Die Urteile seien aber noch nicht rechtskräftig. Das Mädchen sei ein „Flüchtlingsmädchen“, heißt es in dem Artikel.
Polizeisprecher: Keine Pressearbeit zum Schutz des Opfers
Fritz Grundnig, Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark, bestätigte auf eine Anfrage von CORRECTIV per Mail, dass das Mädchen und die Täter die afghanische Staatsbürgerschaft haben. Er bestreitet aber, dass dies der Grund war, warum über den Fall nicht berichtet wurde. Es habe „aufgrund interner Vorschriften und in Absprache mit der Staatsanwaltschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens bei Sexualdelikten aus Gründen des Opferschutzes keine aktive Pressearbeit“ gegeben. Das Opfer sei minderjährig und alle Verdächtigen seien bekannt gewesen, so dass keine Öffentlichkeitsfahndung nötig gewesen sei. „Dass Opferschutz in derartigen Fällen besonders zu beachten ist, beweist auch die Entscheidung des Gerichtes, die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen.“
Auch Barbara Schwarz, Sprecherin des Landesgerichts für Strafsachen Graz, bestätigt, dass die Eckdaten des Falls im Bericht der Kleinen Zeitung korrekt wiedergegeben seien. Sie erklärt auf Anfrage per Email: „Bei dem von Ihnen angesprochenen und im Leserbrief monierten Fall handelt es sich um die Verurteilung von jugendlichen Straftätern, daher war die Öffentlichkeit bei der Verhandlung ausgeschlossen und gab und gibt es auch keine Informationen zu den einzelnen Personen (Täter und Opfer), dies zum gesetzlich vorgesehenen Schutz der jugendlichen Täter und des – ebenfalls jugendlichen – Opfers.“
Polizei und Gericht betonen, die Nationalität der Täter oder des Opfers hätten bei der Entscheidung, die Öffentlichkeit nicht zu informieren, keine Rolle gespielt. „Die Nationalität von Täter und Opfer ist unerheblich, bedeutsam ist allein das jugendliche Alter von Täter und Opfer und der damit verbundene besondere rechtliche Schutz“, so Schwarz.
Und Polizeisprecher Grundnig schreibt: „Die im von Ihnen zitierten ‘Leserbrief’ behaupteten Vorwürfe gegen Polizei und Justiz entbehren jeglicher Grundlage. Die Staatsangehörigkeit von Opfern und von Tatverdächtigen spielen für polizeiliche Ermittlungstätigkeit und die damit einhergehende Berichterstattung keine Rolle.“