Migration

Dieser Twitter-Account gibt sich als syrischer Flüchtling aus

Seit Monaten verbreitet ein angeblicher Flüchtling auf Twitter provozierende Beiträge. Regelmäßig werden diese für echt gehalten, auch kürzlich wieder. Es handelt sich jedoch um einen Fake-Account. Dahinter steht eine Gruppe namens „Zusammen gegen Intoleranz“, die Beiträge unter falscher Flagge veröffentlicht.

von Alice Echtermann

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Der Twitter-Account von „Dawuhd Nabil“ gehört keinem echten syrischen Flüchtling – es ist ein sogenannter Fake-Account. (Screenshot: CORRECTIV)
Bewertung
Falsch. „Dawuhd Nabil“ ist keine echte Person. Der Account gehört zu einer Gruppe, die Satire betreibt, ohne diese kenntlich zu machen. 

Auf Facebook verbreitete die Seite „Gegen Masseneinwanderung 2“ am 4. Dezember einen Screenshot eines Twitter-Beitrags, angeblich veröffentlicht von einem syrischen Flüchtling namens „Dawuhd Nabil“, der in Berlin lebe. In dem Tweet steht, die Wohnungsnot betreffe vor allem Flüchtlinge, es sei nicht sozial, dass viele keine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus hätten, deshalb müsse auch über Enteignung geredet werden. 

„Gegen Masseneinwanderung 2“ kommentierte das so: „Migrant fordert die Enteignung von Deutschen, damit Zuwanderer endlich eigene Häuser etc. bekommen.“ Der Facebook-Beitrag wurde bisher 188 Mal geteilt. 

Unsere Recherche zeigt: Der Twitter-Account und seine Beiträge dienen allein der Provokation. 

Der Facebook-Beitrag mit dem Screenshot des Tweets. (Screenshot: CORRECTIV)

Der Original-Tweet vom 22. Juli 2019 lässt sich zwar auf dem Account von „Dawuhd Nabil“ finden. Das Twitter-Profil gehört jedoch keiner echten Person, sondern Aktivisten von „Zusammen gegen Intoleranz“ (ZGI). In der Beschreibung des Profils steht, er sei „Syrian Refugee, Muslim, Activist, Columnist at #ZGI.“ 

Einsatz für Flüchtlinge oder Klimaschutz wird lächerlich gemacht

ZGI hat keine Webseite und kein Impressum, deshalb ist nicht klar, wer dahinter steckt und wie die Initiative organisiert ist. Die Aktivisten betreiben einen Twitter-Account und eine Facebook-Seite, die auf den ersten Blick so aussehen, als sollten sie für Vielfalt und Weltoffenheit werben und sich gegen Hass und Rassismus stellen. In den Beiträgen werden jedoch zum Beispiel Menschen lächerlich gemacht, die sich für Flüchtlinge oder den Klimaschutz einsetzen. So verfasste ZGI etwa im Februar einen Tweet über Luisa Neubauer von Fridays for Future mit dem Text: „Jetzt Solidarität mit Luisa zeigen: Fliegen gegen rechte Hetze und dabei das Klima retten!“

Die Autoren bedienen sich dabei satirischer Mittel, machen allerdings selbst nirgends kenntlich, dass es sich um Satire handelt. So fallen Nutzer leicht auf die Beiträge herein. 

„Dawuhd Nabil“ twitterte beispielsweise Anfang Dezember: „Die #AfD und andere Nazis wollen es nicht wahrhaben, dass wir Flüchtlinge inzwischen von hier sind und Deutschland zusammen nach unsere Wille demokratisch neu aufbauen werden. Ihr könnt uns abschieben, doch wir werden kommen immer wieder! #noAfD #Antifa“. In den Kommentaren schreiben Nutzer Dinge wie „Demokratie hat bis jetzt in keinem arabischen Land funktioniert“.

Den Twitter-Account von „Nabil“ gibt es seit Februar 2019. Zeitgleich kündigte ZGI auf Facebook an, man habe den „Twitter-Star“ Dawuhd Nabil „unter Vertrag“ nehmen können. ZGI schrieb: „Schnell erreichte er eine große Anzahl an Fans, da er sich stets mutig gegen die AfD positionierte: ‘Sie versuchen uns mit ihrer Menschenfeindlichkeit anzustecken. Obwohl es so offensichtlich ist, fallen viele immer wieder darauf herein’, so Dawuhd in seiner Rede bei der gestrigen CRJ-Gala (Claas Relotius Journalistenpreis, Anm. d. Redaktion).“

Beiträge unter „falscher Flagge“

Den „Claas-Relotius-Journalistenpreis“ gibt es nicht. Das Profilfoto von „Nabil“ lässt den Titel dieses angeblichen Preises im Hintergrund erkennen, es ist also wahrscheinlich eine Fotomontage. Wir haben das Foto auch mit einer Bilder-Rückwärtssuche bei Google, Bing und Yandex gesucht und keinen einzigen relevanten Treffer gefunden.

Außerdem haben wir mit zeitlich begrenzten Google-Suchen nach Spuren von „Dawuhd Nabil“ vor Februar 2019 und außerhalb von Twitter gesucht und nichts gefunden.  

Laut Mimikama gab es früher auf der Facebook-Seite von ZGI den Hinweis, dass es sich um Satire handele. Diesen findet man dort allerdings nicht mehr. Über „Nabil“ schreibt Mimikama, es handele sich um einen Fake-Account, der „einzig dazu ins Leben gerufen wurden, um Meinung zu machen, Ressentiments zu schüren, Angst zu verbreiten“.

Und die Tagesschau schrieb im August in einem Artikel über ZGI und „Dawuhd Nabil“ („Unter falscher Flagge“): „Seine Tweets machen ‘Nabil’ zum idealen Feindbild für rechte Hetze. So ideal, dass ‘Nabil’ selbst höchstwahrscheinlich nur ausgedacht ist.“