Gesellschaft

Nein, dieses Foto beweist keine Manipulation durch Medienberichte über Syrien

Seit einigen Jahren wird eine Collage verbreitet, die belegen soll, dass mit gefälschten Bildern über das Leid der Assad-Gegner im Syrien-Krieg berichtet wird. Wir konnten aber keine Berichte finden, in denen die Fotos so genutzt wurden. Zudem tauchten sie, ebenso wie die Collage, zuerst im Zusammenhang mit dem Krieg im Jemen auf.

von Tania Röttger

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Ein Mann, der einem Mädchen eine Wunde schminkt – dieses Bild soll Manipulation in Syrien belegen. (Screenshot und Collage: CORRECTIV)
Bewertung
Falsch. Die Bilder werden nach unseren Recherchen nicht von deutschen Medien als Belege für das Leid von Assad-Gegnern in Syrien genutzt.

Ein Artikel mit dem Titel „Nimm die rote Pille! – Manipulierte Geschichten aus Syrien“ auf der Webseite des Kopp Verlag zeigt eine Collage als Beispiel für eine angebliche Manipulation der Öffentlichkeit. Auf dem ersten Foto liegt ein offenbar verletztes oder totes Mädchen auf einem schmutzigen Boden, mit roten Spritzern um sich herum. Auf dem zweiten schminkt ein Mann einem ähnlich angezogenen Mädchen blutige Wunden ins Gesicht. Ob es sich um dasselbe Kind handelt, ist unklar, da ihr Gesicht nicht erkennbar ist. Dieser Artikel wurde laut dem Analysetool Crowdtangle ab dem 17. April 2018 von mehreren Facebook-Seiten mehr als 800 Mal geteilt.

In einem Artikel vom 15. April 2018 auf dem Blog Alles Schall und Rauch soll die Collage belegen, „wie „‘Opfer von Assad’ für eine Inszenierung von den Terroristen hergerichtet werden“. 

Der Blog „Alles Schall und Rauch“ bringt dieses Bild in Verbindung mit Syrien. (Screenshot: CORRECTIV)

Deutsche und russische Webseiten: Fotos zeigen Maskerade für Syrien-Krieg

Die Bilder-Collage wurde unseren Recherchen nach Ende August 2016 in Zusammenhang mit Syrien gebracht. Zum Beispiel veröffentlichte sie der Twitter-Account Novosyria am 26. August 2016 mit folgendem Text auf Russisch: „So ‘gezielt’ macht man Bombenopfer.“ Andere russische Webseiten schrieben: „So macht man ‘Opfer’ Assads.“ 

Russlands Militär unterstützt den syrischen Präsidenten Bashar al Assad. Dieser Allianz werfen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch vor, Kriegsverbrechen gegen das syrische Volk zu begehen und begangen zu haben. 

Ein Nutzer auf Twitter teilte die Bilder am 26. August 2016. Auf Russisch steht darüber: „So ‘gezielt’ macht man Bombenopfer.“ (Screenshot: CORRECTIV)

Wir fanden keine Berichte in deutschen Medien, die das Bild des Mädchens verwenden, um über Kriegshandlungen von Assads Regierung zu berichten. Allerdings fanden wir mehrere Hinweise darauf, dass das Foto nicht aus Syrien, sondern aus dem Jemen stammt. 

Bild tauchte zuerst im Kontext des Jemen-Kriegs auf

Das Bild, in dem das Mädchen auf dem Boden liegt, fanden wir als Teil einer Bildstrecke auf der Webseite der iranischen Nachrichtenagentur FARS. Dort tauchte es auf, um Kriegsverbrechen im Jemen durch Saudi-Arabien zu bebildern. 

Das Foto des Mädchens in einer Bildstrecke der iranischen Nachrichtenagentur FARS. (Screenshot: CORRECTIV)

Im Jemen stehen sich Huthis und eine von Saudi-Arabien geleitete Koalition gegenüber. Am 26. März 2015 eskalierte der Konflikt durch einen Luftangriff der Saudi-Arabier auf die Huthis. Es gibt umstrittene Behauptungen, der Iran würde die Huthi-Rebellen unterstützen.

Die Fotostrecke von FARS trägt das Datum 26. März – keine Jahreszahl. Allerdings taucht das erste Bild aus der Strecke in anderen Medienberichten über den Luftangriff Saudi-Arabiens 2015 im Jemen auf, zum Beispiel in der Financial Times. Diese Artikel sind vom 26. März 2015, das Foto stammt von der Nachrichtenagentur Reuters. Es liegt also nahe, dass die Fotostrecke von FARS ebenfalls von 2015 stammt.  

Das gleiche Bild mit einem anderen Bildausschnitt in einer Bildstrecke auf der Seite der iranischen Nachrichtenagentur (links) und in einem Artikel der Financial Times. Das Datum stimmt bis auf die fehlende Jahreszahl überein. (Screenshots und Markierung: CORRECTIV)

Gerüchte über Manipulation

Die Behauptung, das Bild des Mädchens sei gefälscht, stellten Twitter-Nutzer einen Monat später auf, am 12. April 2015. Dies ergab eine Bildersuche bei Tineye. Ein Nutzer schrieb laut Google Translate: „Die Huthis haben keine Grenzen in ihren Lügen, sie malen auf Kindergesichter [um] zu behaupten, sie [seien] Opfer“. 

Unter einen anderen Tweet, der ebenfalls am 12. April die Collage teilte, kommentierte jemand, die Huthis würden „die Unschuld von Kindern beschmutzen“ und sie für Propaganda nutzen, um Saudi-Arabien zu verleumden. Die Nutzer unterstellen den Huthis offenbar, die Angriffe Saudi-Arabiens zu erfinden oder ihre Konsequenzen zu übertreiben. Im Gegensatz dazu gibt es, wie oben geschildert, Medienberichte und Berichte von Menschenrechtsorganisationen, die Saudi-Arabien klar als Initiatoren von Luftangriffen sehen.

Einer der Tweets enthält auch die Nahaufnahme des Gesichts eines Mädchens. Dieses Bild ist offenbar ein Screenshot von einem Facebook-Beitrag. Der wurde am 28. März auf Facebook gepostet. Also in der Zeit nach der iranischen Bildstrecke und vor dem Tweet, der behauptet, die Bilder seien gestellt.

Rechts das Bild, das am 28. März auf Facebook geteilt wurde, links das Bild aus dem Tweet vom 12. April 2015, in dem behauptet wird, das Mädchen sei nicht verletzt, es sei nur geschminkt. Mit Blau hervorgehoben: Ähnlichkeiten auf den Bildern. (Screenshots und Markierungen: CORRECTIV)

Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass zumindest dieses Bild mit dem zweiten Schmink-Bild zusammenhängt: Die Wunde verläuft ähnlich; ein Ohrring ist sichtbar; dem Mädchen hängt eine Jacke über der Schulter, schwarz-weiß gewebt, die der Jacke des Mannes gleicht, der das Mädchen schminkt.

Fazit

Offensichtlich tauchte das Foto eines verletzten Mädchens, das am Boden liegt, zuerst in einem iranischen Medium im Zusammenhang mit Luftangriffen im Jemen auf. Kurz darauf erscheint es in einer Collage mit Schminkbildern kombiniert, mit der Behauptung, die Huthis hätten das Foto inszeniert und würden Opfer erfinden. Ein Jahr später wurde die Collage dann in ähnlichen Behauptungen über Syrien genutzt. 

Wir konnten nicht herausfinden, ob das Mädchen, das auf dem Boden liegt, dasselbe Mädchen ist, das der Mann schminkt. Es gibt aber Belege von Nachrichtenagenturen, dass es zu der Zeit saudische Luftangriffe im Jemen gab, bei denen auch Menschen verletzt wurden.