Faktencheck

Griechenland: Es sind nicht „vier Millionen“ Menschen auf dem Weg in die EU

In einem Artikel wird behauptet, dass vier Millionen Menschen in der Türkei darauf warten würden, in die EU einreisen zu können. Die Zahl wurde aus dem Kontext gerissen.

von Bianca Hoffmann

Türkei Griechenland Grenze Flüchtlinge
Migranten betreten den Grenzbereich zwischen der Türkei und Griechenland. (Foto: picture alliance/ZUMA Press)
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Unbelegt. Die genauen Zahlen der Menschen, die sich auf den Weg in die EU machen, sind unklar.

In einem Artikel von Compact Online wurde am 29. Februar behauptet, vier Millionen Geflüchtete würden aus der Türkei nach Europa kommen. Impliziert wird auch, dass sie nach Deutschland kommen würden. 

Es seien nach Angaben der Türkei seit Freitag bereits 18.000 Menschen über die türkische Grenze in die EU gekommen, mit den Zahlen von Samstag könnten 30.000 auf dem Weg sein, heißt es in dem Text. Dann wird ein Vergleich mit 2015 gezogen: Damals seien täglich 10.000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen.

Der Artikel wurde laut dem Analyse-Tool Crowdtangle bereits mehr als 4.100 Mal auf Facebook geteilt. Die im Text genannten Daten sind unbelegt, denn die Angaben der einzelnen Akteure zu den Zahlen weichen stark voneinander ab.

In der Türkei gibt es etwa 4,1 Millionen Flüchtlinge

Im Jahr 2015 wurden vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge 890.000 Zugänge von Asylsuchenden in Deutschland registriert. Laut Medienberichten waren es im September 2015 teilweise „bis zu 10.000 Geflüchtete“ pro Tag, die eingereist sind. 

Die Aussage, vier Millionen Asylbegehrende würden auf ihre „Einkehr ins gelobte Land“ warten, ist eine Übertreibung. Im Jahr 2020 leben etwa 4,1 Millionen Flüchtlinge in der Türkei, berichtet der UNHCR, die Flüchtlingsagentur der Vereinten Nationen. Darunter seien 3,7 Millionen Syrer. Allerdings gibt es keine Informationen darüber, ob diese Menschen alle ihre Flucht in Richtung EU fortsetzen wollen. 

Widersprüchliche Zahlen aus der Türkei, Griechenland und von der IOM

Im Text heißt es, es hätten sich 18.000 beziehungsweise 30.000 Menschen auf den Weg gemacht. Dazu gibt es unterschiedliche Angaben. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu veröffentlicht täglich bei Twitter Zahlen dazu. Er schrieb tatsächlich am Samstag (29. Februar), dass 36.776 Menschen das Land über Edirne verlassen würden. Die letzte von ihm veröffentlichte Zahl stammt von Freitag (6. März). Demnach seien es inzwischen 142.175 Menschen. 

Der Tweet des türkischen Innenministers Süleyman Soylu. (Screenshot: CORRECTIV)
Der Tweet des türkischen Innenministers Süleyman Soylu. (Screenshot: CORRECTIV)

Die griechische Regierung veröffentlichte jedoch – ebenfalls bei Twitter – eine Meldung, wonach niemand die griechische Grenze in die EU überqueren könne. Außerdem wies das Land darauf hin, dass die Zahlen, die durch die Türkei verbreitet werden, falsch und irreführend seien. 

Dieser Tweet des griechischen Außenministeriums besagt, dass niemand die griechische Grenze überschreiten könne. (Screenshot: CORRECTIV)
Dieser Tweet des griechischen Außenministeriums besagt, dass niemand die griechische Grenze überschreiten könne. (Screenshot: CORRECTIV)

Beide Länder beschuldigen sich derzeit gegenseitig, sodass sie als Quellen nicht herangezogen werden können. 

Anders ist das bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Das ist eine internationale Organisation der Vereinten Nationen, die Hilfsprogramme für Migranten durchführt. Mitarbeiter vor Ort zählten laut einer Pressemitteilung vom 1. März 13.000 Flüchtlinge und Migranten an der türkisch-griechischen Grenze. Sie sammeln sich dort, weil die Grenze von Griechenland geschlossen wurde. 

Am Donnerstag (5. März) schrieb der UNHCR in seinem „The Refugee Brief“, die griechische Regierung habe berichtet, seit Samstag sei die illegale Einreise von 35.000 Menschen an der Grenze verhindert worden. 

Unklar, wie sich die Situation an der Grenze entwickeln wird 

Es ist unklar, wie sich die Situation an der türkisch-griechischen Grenze weiter entwickeln wird. 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Samstag (29. Februar) laut Medienberichten erklärt, die Tore zur EU seien für Migranten geöffnet. Daraufhin hatte es einen Ansturm auf die Grenze gegeben. In Folge dessen ist es auch zu Ausschreitungen entlang der Grenze gekommen.