Faktencheck

Dieses Foto zeigt keine kürzliche Trauerfeier einer „Clan-Familie“ in Berlin, sondern entstand schon 2018

Ein Beitrag auf Facebook erweckt den Eindruck, im April hätten zahlreiche Menschen bei der Trauerfeier einer „Clan-Familie“ dicht an dicht gestanden – ohne sich an die Corona-Regeln zu halten. Es wurde aber ein Foto von 2018 verwendet. Die Polizei achtete bei der Beerdigung im April auf Einhaltung der Abstandsregeln.

von Lea Weinmann

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Ein Facebook-Beitrag erweckt den Eindruck, in Berlin hätten sich zahlreiche Menschen bei der Trauerfeier einer Clan-Familie nicht an die Corona-Abstandsregeln gehalten. Das Foto in dem Beitrag ist aber von 2018. (Quelle: Facebook, Screenshot und Collage: CORRECTIV)
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Größtenteils falsch. Das Foto aus dem Beitrag ist von 2018. Bei der Trauerfeier im April 2020 wurden die Corona-Regeln von der Polizei kontrolliert.

Auf Facebook verbreitet sich ein Beitrag, in dem behauptet wird, dass die Corona-Kontaktbeschränkungen bei Beerdigungen angeblich nur für Deutsche und nicht für Mitglieder einer „Clan-Familie“ gelten würden.

Als Beleg dafür werden zwei Fotos gegenübergestellt: Auf dem oberen Bild sieht man einen Pfarrer, der allein vor einem Grab steht. Das untere zeigt eine dicht gedrängte Menschenmenge. „Deutsche dürfen nicht mal bei der Beerdigung ihrer Lieben dabei sein, aber die Clan-Familie darf im Rudel feiern, ohne Abstand, ohne Masken. […]“, steht neben den Bildern. Der Beitrag wurde am 27. April veröffentlicht und bisher mehr als 4.600 Mal auf Facebook geteilt.

Die Behauptung ist falsch. Das Foto der Menschenmasse auf dem Friedhof ist mehrere Jahre alt und deshalb irreführend, zeigt unser Faktencheck.

Die Behauptung in dem Beitrag, eine „Clan-Familie“ dürfe Beerdigung feiern, ohne sich an Abstandsregeln zu halten, ist falsch. Das untere Foto ist schon mehrere Jahre alt. (Quelle: Facebook, Screenshot: CORRECTIV)

Das Foto zeigt eine Beerdigung von 2018

Eine Google-Rückwärtssuche ergibt, dass das Foto schon 2018 veröffentlicht wurde, unter anderem in einer Bildergalerie der Augsburger Allgemeinen. Dort ist als Quelle ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur angegeben. In dem dazugehörigen Artikel vom 13. September 2018 wurde über die Beerdigung von Nidal R. berichtet, ein „Intensivtäter“, der auf offener Straße erschossen worden war. R. sei demnach Mitglied einer arabischen Großfamilie gewesen, die laut Medienberichten als krimineller Clan bekannt ist.

Zur Trauerzeremonie in Berlin seien damals etwa 2.000 Menschen gekommen, berichtete die Augsburger Allgemeine in ihrem Artikel.

Das Bild aus dem Facebook-Beitrag findet sich in Artikeln über die Beerdigung von Nidal R. 2018 in Berlin wieder. (Quelle: Augsburger Allgemeine, Screenshot: CORRECTIV)

Bei der Trauerfeier im April 2020 hatte die Polizei eine Liste mit 88 Teilnehmern

Richtig ist, dass auch am 27. April 2020 ein Mitglied der gleichen Großfamilie in Berlin bestattet wurde. Offenbar bezieht sich der Facebook-Beitrag, der am gleichen Tag veröffentlicht wurde, auf diese Trauerzeremonie. Anders als im Jahr 2018 waren bei dieser Trauerfeier wegen der Corona-Krise jedoch weniger als 100 Personen zugelassen, die sich zudem nicht gleichzeitig auf dem Friedhof aufhielten, schreibt uns die Polizei Berlin.

Während der Trauerzeremonie achteten Polizeibeamte auf die Einhaltung dieser Regel. Auf Anfrage von CORRECTIV schreibt eine Sprecherin der Polizei per E-Mail: „Vor der Beisetzung wurde der Polizei von der Familie der Verstorbenen eine Liste übermittelt, auf der 88 Familienangehörige mit einer Rangfolge vermerkt waren. Am Tag der Beisetzung sammelten sich bis zu 100 Trauernde auf zwei Parkplätzen in der Nähe des Friedhofs. Die Abstandsregeln wurden hierbei weitestgehend eingehalten.“

Die Trauernden wurden in Gruppen mit je 20 Personen eingeteilt

Laut der Berliner Corona-Verordnung durften in der Hauptstadt im April 2020 nur maximal 20 Personen an einer Beerdigung teilnehmen. Außerdem müssen die geltenden Abstandsregeln (1,5 Meter Abstand zu anderen Personen) eingehalten werden.

Auszug aus der Berliner Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2. (Stand: 30. April, Screenshot: CORRECTIV)Die Familie selbst habe die Trauernden in Gruppen von maximal 20 Personen eingeteilt, schreibt uns die Polizei Berlin. Die erste Gruppe nahm laut Polizeiangaben an der Beisetzung teil. Erst als diese Gruppe den Friedhof verlassen hatte, durfte demnach die nächste Gruppe Trauernder an die Grabstelle. „Insgesamt waren 76 Familienangehörige nacheinander in vier Gruppen an der Grabstelle der Verstorbenen“, schreibt die Sprecherin.

Auszug aus der E-Mail der Polizei Berlin an CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)

Insgesamt 250 Polizisten kontrollierten die Einhaltung der Regeln

Insgesamt kontrollierten an dem Tag 250 Polizeibeamte die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen, teilte die Polizei in einer Pressemitteilung mit. Demnach gab es Durchlassstellen, an denen die Polizisten kontrollierten, dass nur „entsprechend kleine Personengruppen“ den Friedhof betraten.

An einer dieser Durchlassstellen zählte die Polizei „zwischenzeitlich gut 100 Personen, die auf die Abstandsregelungen hingewiesen werden mussten“, schrieb die Polizei in der Pressemitteilung. Die Lautsprecherdurchsagen der Polizei befolgten die Teilnehmer dann aber.

Es gab eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz

Schriftlich teilt uns die Polizeisprecherin außerdem mit, es habe eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz gegeben. Zudem seien zwei Teilnehmende der Trauerfeier wegen Beleidigung bzw. Körperverletzung angezeigt worden, nachdem Pressevertreter bespuckt worden seien.

Fazit: Zwar gab es am 27. April in Berlin eine Trauerfeier einer „Clan-Familie“. An dieser nahmen aber wesentlich weniger Menschen teil als an der Beerdigung im Jahr 2018. Polizisten kontrollierten zudem die Einhaltung der Abstandsregeln. Das veraltete Foto von 2018 ist irreführend und stellt die tatsächliche Situation falsch dar.

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