Nein, die Medienberichte über Partys auf Mallorca sind nicht erfunden
Wurde in Mallorcas Partymeilen wirklich ohne Einhaltung der Corona-Regeln gefeiert? Einige Leute behaupten auf Facebook, es habe keine Partys in Palma de Mallorca gegeben und die Medien würden lügen. Das ist falsch. Kritik müssen sich einige Medien dennoch gefallen lassen.
Auf Facebook kursiert etwa seit dem 15. Juli ein Text einer Frau, die über ihre Erfahrungen im Urlaub auf Mallorca berichtet. Sie suggeriert, dass die Medien die Berichte über feiernde Touristen nahe des Strandes Playa de Palmas auf Mallorca erfunden hätten. Tatsächlich sei zum Beispiel die „Schinkenstraße” (Carrer del Pare Bartomeu Salvà) in Palma, die als Partymeile für deutsche Urlauber bekannt ist, leer gewesen. Der Text der mutmaßlichen Urlauberin wurde auf Facebook mehrfach kopiert, einer der ersten Beiträge wurde bereits mehr als 11.100 Mal geteilt.
Der Vorwurf: Inmitten der Corona-Krise würden die Medien die Situation am Ballermann falsch darstellen, alte Bilder aus Mallorca zeigen und seien Schuld an der Maskenpflicht. Das ist falsch.
Tatsächlich berichteten Medien von Partys auf Mallorca: Hunderte Menschen hätten am Freitagabend in einer Straße in Palma gefeiert – trotz der strengen Corona-Regeln. Zuerst hatte darüber die Mallorca-Zeitung berichtet. CORRECTIV hat die Situation auf Mallorca rekonstruiert und dabei auch Fehler in der medialen Berichterstattung entdeckt.
Mallorca: Fotos und Videos zeigen viele Besucher auf der „Bierstraße” – und sie sind echt
In dem Beitrag auf Facebook berichtet eine unbekannte Frau von ihrem Urlaub auf Mallorca. Darin heißt es, sie sei am Freitag (gemeint ist wohl der 10. Juli, da der Beitrag nach unseren Recherchen am 15. Juli aufgetaucht ist) von einem sechstägigen Urlaub zurückgekehrt. Belege für ihre Behauptungen führt sie nicht an.
CORRECTIV hat Fotos und Videos gefunden, die belegen, dass in der „Bierstraße“ auf Mallorca in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli sehr viele Touristen gefeiert haben, teils auch auf der Straße und ohne Masken.
Dieses Video der Mallorca-Zeitung in einem Artikel vom 11. Juli und dieses Video vom 10. Juli auf Instagram zeigen die Szenen. Im Fokus liegt dabei auf dem Lokal „Las Palmeras“. CORRECTIV konnte das Instagram-Video verifizieren. Es wurde am Freitag, 10. Juli 2020 um 23:07 Uhr erstellt, wie der Quelltext des Instagram-Beitrags anzeigt.
Ein Foto der DPA vom 10. Juli zeigt die „Bierstraße“ in Palma de Mallorca
Es gibt außerdem ein Pressefoto der Nachrichtenagentur DPA, das denselben Ort zeigt. Laut eines Fotoredakteurs der DPA wurde es am 10. Juli um 23:19 Uhr aufgenommen.
Den Ort der Aufnahmen konnten wir verifizieren, indem wir die Bilder mit Google Streetview abgeglichen haben: Die Aufnahmen zeigen einen Teil der „Bierstraße”, keine 450 Meter vom ehemaligen „Ballermann 6” entfernt. Genau genommen: den Straßenabschnitt zwischen dem Restaurant „Deutsches Eck” und dem Lokal „Et Dömsche”, wie dieses Video des WDR zeigt.
CORRECTIV hat zudem die Aussagen der Frau in dem Facebook-Beitrag einzeln überprüft.
1. Behauptung: Die Medien zeigen die „Schinkenstraße” voll mit feiernden Leuten, dabei war sie leer
Die Aufnahmen von feiernden Touristen, über die viele Medien berichteten (zum Beispiel hier der WDR), stammen nicht – wie in dem Facebook-Beitrag behauptet – aus der „Schinkenstraße” in Palma, sondern aus der „Bierstraße“.
Medien wie die Tageszeitung WAZ oder die Mallorca-Zeitung haben geschrieben, dass die Bilder aus der „Bierstraße” stammen. In einem Text vom Merkur ist in einer Zwischenüberschrift allerdings auch von „illegalen Corona-Partys in der ‘Schinkenstraße’” die Rede, näher ausgeführt wird das nicht.
Beide Straßen liegen unweit der Strandpromenade Playa de Palma, sie verlaufen parallel zueinander und dazwischen liegen drei andere Straßen (Übersicht auf Google Maps). In der „Schinkenstraße” liegt der Biergarten mit Freiluft-Diskothek „Bierkönig”, der tatsächlich seit Mitte März geschlossen ist, wie CORRECTIV auf Nachfrage von den Betreibern erfuhr. In dieser Straße soll es sehr ruhig zugegangen sein, beschreibt ein Augenzeuge, mit dem wir uns am 19. Juli per Chat auf Facebook unterhalten konnten.
Augenzeuge beschreibt „Bierstraße” als „nie wirklich mega überfüllt”
„Durch die Schinkenstraße sind wir 2 mal durchgelaufen in dem Zeitraum 09.07. bis 12.07. Jede dort ansässige Disco hatte geschlossen. Von Partys in der Schinkenstraße haben wir also nichts wahrgenommen”, schreibt Niko Papadopoulos. Er kommt aus Nordrhein-Westfalen und hat die Berichterstattung über das Wochenende des 10. und 11. Juli in Palma ebenfalls auf Facebook in einem Kommentar unter einem Beitrag der Bar „Et Dömsche“ kritisiert. Seine Fotos, die CORRECTIV vorliegen, belegen, dass er vom 9. bis 13. Juli auf Mallorca war und mindestens an drei Abenden auch in der „Bierstraße”.
Niko Papadopoulos saß am Abend des 10. Juli laut eigener Aussage in der Bar „Et Dömsche” mit Blick auf das „Las Palmeras” schräg gegenüber. CORRECTIV liegt ein Foto von jenem Abend vor, das bestätigt, dass er um 21:58 Uhr Einblick in die „Bierstraße” am „Deutschen Eck” hatte.
Papadopoulos schrieb CORRECTIV auf Facebook, dass er jeden Abend in der Bar „Et Dömsche” gewesen sei. Dort habe zu es keiner Zeit Probleme mit Verstößen gegen die Covid-19-Regelungen gegeben. „Beim Aufstehen vom Tisch trugen die Menschen Masken, genauso wie zum Gang auf die Toilette. Die Bedienungen haben die Leute auch häufig dran erinnert”, schrieb er.
„Las Palmeras“ warb offenbar mit günstigen Bierpreisen um Kundschaft
Anders sei das am 10. Juli abends schräg gegenüber gewesen: „Vom Dömsche aus konnte man gut erkennen, was im Las Palmeras los war. Sie haben mit Dumpingpreisen für Getränke die Massen angelockt. Dementsprechend war dort auch die Stimmung. Grölende Feiernde, wie man es von Mallepartys eben gewohnt ist. Der Straßen-DJ hat seine Musik aufgelegt. Im Las Palmeras waren die Tische zwar mit Abständen aufgestellt worden, jedoch gab es dort richtig Stimmung, bis auf die Straße vor dem Laden.”
Die „Bierstraße” selbst sei allerdings „nie wirklich mega überfüllt” gewesen. Polizeikontrollen habe er an jenem Abend nicht mitbekommen. Dass die Polizei nicht eingeschritten sei, berichtete auch die Mallorca-Zeitung am 11. Juli.
Wirte werfen Medien Manipulation von Bildern vor
Diese Angaben entsprechen in etwa dem, was einige Wirte von jenem Abend berichten, wie hier im Kölner Express. Auch auf der Facebook-Seite von „Et Dömsche” ist am 15. Juli ein kritischer Kommentar erschienen. Darin hieß es: „In den News sind entweder veraltete, oder Bilder EINES Tages von EINER Lokalität (nicht unserer!!!) zu sehen!” Die Mallorca-Zeitung berichtete am 16. Juli: „Der Ballermann macht die Medien für die Schließung verantwortlich”.
In den Medien berichten unterschiedliche Augenzeugen (hier und hier), dass Journalisten an den Abenden des 10., 11. und 12. Juli Bilder manipuliert haben sollen – entweder durch die Wahl der Kameraeinstellungen oder indem sie Touristen vor der Kamera zum Feiern animiert hätten.
Niko Papadopoulos bestätigt diese Berichte gegenüber CORRECTIV: In jener Freitagnacht habe er in der „Bierstraße” einen Journalisten mit einem Mikrofon des Senders RTL gesehen. Er unterstellt dem Journalisten, die Lage ausgenutzt zu haben. „Die Bierstraße selber war nie wirklich mega überfüllt, wartende Menschen, die auf einen Tisch gehofft haben vor den Bars, zudem die schwarzen Straßenverkäufer und sogar Kamerateams wie von RTL blockierten, bzw. stellten dann noch die Straße zu. Somit waren kurzzeitige ‘Nadelöhre’ nicht vermeidbar”, schreibt er.
„Ich konnte sehr gut erkennen, wie RTL genau solche kurze Szenen ausgenutzt hat, um zu filmen. Und immer in Richtung Las Palmeras, mit dem richtigen Blickwinkel sah es dann natürlich übertrieben voll aus auf der Straße.”
CORRECTIV kontaktierte RTL für eine Stellungnahme dazu. Sprecherin Heike Speda antwortete in einer E-Mail, dass das „feste Mallorca-Team” des Senders nicht am 10. Juli gedreht habe. „Wir können bestätigen, dass wir am 12. Juli auf der Bierstraße gedreht haben. Am darauffolgenden Tag wurde die Maskenpflicht auf Mallorca umgesetzt. Wir können die Arbeit unserer Kollegen nicht beanstanden, sowohl unser Material – als auch die Aufnahme des Augenzeugen, zeigt deutlich, wie die Situation an diesem Abend vor Ort war. Unsere Kollegen sind zur Einhaltungen aller angeordneten Vorsichtsmaßnahmen angehalten.”
Am 16. Juli schrieb Schlagersänger Mickie Krause auf Facebook: „Es ist nicht so, wie es derzeit in den Medien dargestellt wird!” In einem Video aus Mallorca sagte er zu den Ereignissen am Freitag, 10. Juli: „Das war wirklich nur eine Momentaufnahme.” Die Wirte hätten in der „Bierstraße” ihre Hausaufgaben gemacht.
Urlauberin war zum Zeitpunkt der Partys in der „Bierstraße“ gar nicht mehr auf Mallorca
Fazit: Anders als von der Frau in dem Facebook-Beitrag behauptet, haben keine CORRECTIV bekannten Medien die „Schinkenstraße” voll mit feiernden Leuten abgebildet. Doch in Einzelfällen kam es zu vermeidbaren Fehlern, wie einer irreführenden Zwischenüberschrift im Merkur.
Da die Urlauberin offenbar nur bis zum 10. Juli auf Mallorca war, ist ihr Augenzeugenbericht kein Beleg für die Situation, über die die Medien berichteten. Videos und Augenzeugenberichte zeigen, dass es an bestimmten Orten am Wochenende vom 10. bis 12. Juli zu Verstößen kam.
Die Regierung der Balearischen Inseln registrierte an jenem Wochenende laut eigenen Angaben 51 Interventionen und 24 Sanktionsmaßnahmen wegen Nichteinhaltung der COVID-19-Bestimmungen – auf der gesamten Insel. Die Polizei (Guardia Civil) hat auf Anfragen von CORRECTIV bisher nicht reagiert.
2. Behauptung: Medien verwendeten alte Bilder
Tatsächlich konnte CORRECTIV Einzelfälle finden, in denen Medien alte Aufnahmen als Symbolbilder verwendet haben, ohne sie zu kennzeichnen. Auf Facebook beschwerten sich Nutzer konkret über Focus-Online und die Welt, die dasselbe Foto eines überfüllten Strandes zeigten.
Das Foto in dem Focus-Online-Bericht vom 19. Juli ist von der DPA und laut deren Pressefoto-Datenbank aus dem Jahr 2018 (zum Beispiel verwendete es die Deutsche Welle in diesem Bericht und wies darauf hin, dass es von 2018 ist). Focus-Online und die Welt haben es ohne Hinweis auf das Datum der Aufnahme verwendet.
Bei dem Foto vom überfüllten Strand handelt es sich um ein Symbolbild
Auf dem Bild sind Schirme und Liegen zu sehen, die an der Playa de Mallorca derzeit nicht existieren. Das zeigt eine Strand-Kamera, die den Abschnitt vor dem ehemaligen „Ballermann 6” live ins Netz überträgt.
Allerdings haben sich einige Journalisten auch kritisch mit diesem Thema auseinandergesetzt. Die Kreiszeitung war selbst nicht vor Ort, doch als lokale Tageszeitung hat sie auf einen Leserbrief reagiert. Sie veröffentlichte einen Bericht darüber, warum Urlauber aus Mallorca die „einseitige“ Berichterstattung in den Medien kritisieren. Auch die Mallorca Zeitung, die über die Partys am Freitag, 10. Juli laut eigener Aussage zuerst berichtet hatte, beschäftigte sich mit der Kritik an den Medien.
3. Behauptung: Auf Mallorca herrscht Maskenpflicht, weil die Medien lügen
Eine Maskenpflicht gab es auf den Balearen schon vorher. Vor dem 13. Juli waren sie im Freien nur dann nötig, wenn kein Sicherheitsabstand von zwei Metern eingehalten werden konnte. Das hat sich nun geändert – und ab dem 20. Juli kann ein Verstoß mit einem Bußgeld von bis zu 100 Euro geahndet werden. Doch kann man die Medien dafür verantwortlich machen?
Die strengere Maskenpflicht für die Balearen (Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera) trat zwar am Montag, 13. Juli, in Kraft. Diese Änderung war jedoch bereits am 9. Juli angekündigt worden, also vor dem besagten „Party-Wochenende“.
Am Mittwoch, 15. Juli mussten dann die Bars in der „Bierstraße“ und „Schinkenstraße” sowie jene im britischen Party-Zentrum in Magaluf schließen. Dies entschied die balearische Regionalregierung nach den Ereignissen am Wochenende des 10. bis 12. Juli.
Regierung der Balearen ist um Einhaltung der Regeln bemüht
Der Pressesprecher des balearischen Tourismusministers Iago Negueruela antwortete auf eine E-Mail-Anfrage von CORRECTIV, dass sich die Menschen auf den Balearen um Einhaltung der Regeln bemühen würden. „Die Bilder der letzten Tage mit Partys und Menschenmengen in bestimmten Gegenden dürfen sich nicht wiederholen, wir werden das nicht tolerieren”, schrieb der Sprecher Hugo Saénz.
„Es handelt sich um eine sehr spezifische Aktion (die Schließung von Nachtclubs in bestimmten Straßen) in sehr begrenzten Gebieten, die nur sehr wenige von ihnen versäumen. Diese wenigen dürfen unser Image nicht beeinträchtigen oder die Gesundheit unserer Einwohner und Arbeitnehmer gefährden.”
Auch die Präsidentin der Balearen-Inseln Francina Armengol schrieb am 15. Juli auf Twitter: „Die Gesundheitslage ist derzeit gut und wir werden die Verantwortungslosigkeit einer Minderheit in so einer riskanten Situation nicht tolerieren. Wir setzen uns für die Gesundheit und die Wirtschaft ein. Wir werden schon auf kleine Fehltritte reagieren, und wir werden energisch gegen solche Exzesse vorgehen. Null Toleranz für diejenigen, die unverständig sind und die Sicherheit aller in Gefahr bringen.”
Verschärfte Maskenpflicht ist auf steigende Fallzahlen zurückzuführen
Fazit: Haben die Medienberichte über das Wochenende 10. bis 12. Juli etwas mit der Verschärfung der Maskenpflicht zu tun? Nein, die Gesundheitsministerin der Balearen hat diese bereits am Donnerstag, 9. Juli, angekündigt.
Zudem erklärte Gesundheitsministerin Patricia Gómez laut Mallorca-Zeitung in einer Pressekonferenz am 13. Juli, dass es sich bei der verschärften Maskenpflicht nicht um eine Art Überreaktion auf das Verhalten einiger Urlauber an der Playa de Palma handele. Es gehe vielmehr um die nationale und internationale Situation. In Spanien steigen die Infektionszahlen mit dem Coronavirus seit zwei Wochen wieder an, besonders in Katalonien, berichtet die Tagesschau.
Gesamtfazit: Medien haben die feiernden Touristen nicht erfunden
Die Behauptungen der mutmaßlichen Mallorca-Urlauberin auf Facebook sind teilweise falsch, weil ihnen der Kontext fehlt. Die Bilder von feiernden Touristen in Palma de Mallorca sind hingegen echt und stammen vor allem von der Nacht vom 10. auf den 11. Juli in der „Bierstraße“. Am Wochenende griffen viele Medien das Thema auf und berichteten darüber. Schuld an der Maskenpflicht sind die Medien nicht.
Bei der Berichterstattung sind einigen Medien jedoch Fehler unterlaufen. Vereinzelt wurden veraltete Bilder verwendet und teils ein falscher Eindruck vermittelt. Doch andere Medien haben diese Kritik bereits aufgegriffen – und mit Urlaubern gesprochen, die vor Ort waren. Hierbei hervorzuheben ist besonders die Kreiszeitung, die mit einem Bericht auf einen Leserbrief reagiert hat.