Nein, Corona-Tests führen zu keiner Schädigung der Blut-Hirn-Schranke
In mehreren Facebook-Beiträgen wird behauptet, der Corona-Test schädige die Blut-Hirn-Schranke und könne zu Infektionen im Gehirn führen. Das ist falsch. Ein Neurologe erklärt, warum.
Wer engen Kontakt zu einer mit Covid-19 infizierten Person hatte, Symptome zeigt oder in einer Risikoregion war, sollte sich auf das Coronavirus testen lassen. So sieht es die Nationale Teststrategie des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor.
Doch auf Facebook kursieren mehrere Beiträge (zum Beispiel hier, hier und hier), in denen behauptet wird, die Einführung des Stäbchens für den Test in die Nase würde eine „hämato-enzephalitische Barriereschädigung der Schädeltiefe“ verursachen. Weiter wird behauptet, die Schädigung sei auch der Grund, weswegen das Einführen des Stäbchens schmerzen würde. Zudem diene der Test lediglich dazu, einen „direkten Eingang zum Gehirn für jede Infektion zu schaffen“.
Insgesamt wurden die Beiträge bislang mehr als 8.800 Mal auf Facebook geteilt. Recherchen von CORRECTIV zeigen: Die Behauptungen sind falsch. Durch einen durch medizinisches Fachpersonal korrekt durchgeführten Abstrich für den sogenannten PCR-Test kann es zu keinen Verletzungen kommen. Dass das Einführen des Stäbchens schmerzhaft sein kann, liegt an der Empfindlichkeit der Nasenschleimhaut.
Für einen adäquaten Corona-Test empfiehlt das RKI Proben aus den oberen und tiefen Atemwegen
Um auf das Coronavirus zu testen, empfiehlt das Robert-Koch-Institut, dass „möglichst Proben parallel aus den oberen und den tiefen Atemwegen“ entnommen werden. Diese dienen der PCR-Diagnostik zum direkten Erregernachweis. PCR steht für Polymerase-Ketten-Reaktion und ist eine Methode, die zur Diagnostik von Infektionskrankheiten eingesetzt wird.
Für die Entnahme der Proben schlägt das RKI jeweils verschiedene Möglichkeiten vor. Für die oberen Atemwege solle entweder ein Rachenabstrich (Oropharynx) oder ein Nasenrachenabstrich (Nasopharynx) oder eine Nasenrachenspülung erfolgen. Das Deutsche Ärzteblatt schreibt, dass die aktuelle wissenschaftliche Literatur zeige, dass ein Nasenrachenabstrich einem Rachenabstrich vorzuziehen sei, denn „die Erregerkonzentration im Abstrich des Nasenrachens (Nasopharynx) [ist] im Vergleich 10 bis 100-fach höher“.
Nasenrachenabstriche wurden auch 2018 bei der Diagnostik des Coronavirus MERS-CoV durchgeführt und sind auch bei Influenza üblich. Dafür müssen Tupfer entlang der Nasenscheidewand „tief in die Nase bis zur Rachenwand“ eingeführt werden, dann dort wenige Sekunden belassen und in rotierender Bewegung herausgezogen werden, wie das RKI schreibt.
Neurologe: Corona-Test birgt kein Verletzungsrisiko für Schädeldecke oder Gehirn
Wider den Behauptungen in den Facebook-Beiträgen sei daran nichts gefährlich, schreibt Peter Berlit, Neurologe und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, CORRECTIV in einer E-Mail. Schmerzhaft könne das Einführen des Stäbchens für den Nasopharynx-Abstrich zwar sein: „Die Nasenschleimhaut ist empfindlich, vor allem bei Entzündungen.“ Aber der Test könne keinerlei Schaden verursachen, erklärt Berlit.
Eine wie in den Facebook-Beiträgen beschriebene „hämato-enzephalische Barriere“ gebe es nicht, so Berlit. „Es gibt eine Blut-Hirn-Schranke, die dafür sorgt, dass Blutbestandteile nicht in den Nervenwasser-Raum gelangen können.“ Diese befinde sich aber nicht in der Nase, erklärt der Neurologe.
Auch könne der Corona-Test keine Schädigung der Schädeldecke verursachen: „Zwischen Gehirn und Nase sind unter anderem Knochen und Hirnhaut – eine Schädigung durch Abstrichröhrchen ist unmöglich.“
Lediglich bei einer Verletzung der Schädelbasis, zum Beispiel durch einen Verkehrsunfall, könne es zu einer Verbindung zwischen Nasen- und Nervenwasserraum kommen. „Dies birgt das Risiko von Hirnhautentzündungen.“ Eine solche Beschädigung könne nur dann dazu führen, dass Bakterien ins Gehirn gelangen, wenn der Knochen kaputt sei und ein Leck entstehe – nicht durch den Abstrich mit einem Stäbchen für den Corona-Test, sagt der Neurologe.
Bei richtiger Durchführung drohen keine Verletzungen durch den Abstrich
Wir haben zudem den österreichischen HNO-Arzt Wolfgang Luxenberger kontaktiert, der gemeinsam mit einer HNO-Ärztin eine Anleitung für die richtige Durchführung des Nasenrachenabstrichs für medizinisches Fachpersonal verfasst hat. Darin wird auch vor Verletzungen gewarnt. „Das Ziel der Publikation ist es, die korrekte Technik zu erklären, aber keinesfalls Angst vor Abstrichentnahmen zu verbreiten. Wird ein Abstrich korrekt durch den unteren Nasengang ausgeführt, birgt er nahezu gar keine Risiken, ist wenig unangenehm und selbst geringes Nasenbluten tritt nur äußerst selten auf“, schreibt Luxenberger in einer E-Mail an CORRECTIV.Faktencheck.
Die Gefahr einer Verletzung der Schädelbasis durch einen weichen Abstrichtupfer sei äußerst gering, betont der HNO-Arzt. „Dennoch sollte der Abstrich vom Nasenrachen und eben nicht von der Schädelbasis entnommen werden. Bisher wurde meines Wissens ein Fall einer Schädelbasisverletzung nach Abstrichentnahme publiziert.“
Update 23. Dezember 2020: Wir haben den Faktencheck um die Einschätzung des HNO-Arztes Wolfgang Luxenberger ergänzt und die Bewertung von „falsch“ zu „größtenteils falsch“ geändert.