Faktencheck

Höhere Spritpreise, Kinderehen und „Deutschland verrecke“-Rufe? Unbelegte und falsche Behauptungen über die Grünen

In einem Facebook-Beitrag wird kurz nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz suggeriert, die Grünen wollten die „Spritpreise erhöhen“, befürworteten Kinderehen und würden „Deutschland verrecke“ rufen. Alle Behauptungen sind alt – und falsch.

von Till Eckert

Wahlkampf mit Fegebank und Kretschmann
Kurz nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kursieren auf Facebook falsche Behauptungen über die Grünen (Symbolbild: Christian Charisius / dpa)
Behauptung
Grüne würden „Deutschland verrecke“ rufen, seien für Kinderehen und wollten Spritpreise erhöhen.
Bewertung
Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Grünen-Politiker „Deutschland verrecke“ gerufen hätten, „für Kinderehen“ seien oder Spritpreise erhöhen wollen.

In einem Facebook-Beitrag wird nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am vergangenen Wochenende suggeriert, die Grünen würden „Deutschland verrecke“ rufen und wollten Spritpreise erhöhen. Der Beitrag wurde mehr als 1.300 Mal geteilt.

Facebook-Beitrag mit falschen Behauptungen zu den Grünen (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

CORRECTIV.Faktencheck hat die Behauptungen bereits in Faktenchecks überprüft. Eine ist unbelegt, zwei falsch.

Riefen Grünen-Politiker „Deutschland verrecke“?

Diese Behauptung geht mutmaßlich auf eine Situation von vor einigen Jahren zurück. Laut Medienberichten soll etwa die Grünen-Politikerin und heutige Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth auf einer Demonstration gewesen sein, auf der Personen „Deutschland verrecke“ und „Nie wieder Deutschland“ gerufen haben sollen. Der ARD-Faktenfinder hat sich für einen Artikel mit dem Vorfall am 28. November 2015 beschäftigt. Ein Bündnis hatte demnach zu einer Demonstration aufgerufen, die dann von „Autonomen“ angeführt wurde. Claudia Roth äußerte sich in einem Interview mit der Berliner Zeitung am 27. Mai 2018 zu dem Vorfall. Es seien bei der Demonstration „viele Sprüche“ gefallen, die sie „nicht unterstütze“. 

Es gibt keine Hinweise oder Belege, dass Parteifunktionäre selbst deutschlandfeindliche Parolen gerufen hätten.

Sind die Grünen „für Kinderehen“?

Nein. Auch diese Behauptung geistert seit Jahren durchs Netz. Hintergrund ist das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Vor der Gesetzesänderung im Jahr 2017 konnten Jugendliche ab 16 Jahren in Ausnahmefällen mit Zustimmung des Familiengerichts schon vor ihrem 18. Geburtstag heiraten. Seit dem 22. Juli 2017 kann man in Deutschland nur noch heiraten, wenn beide Partner volljährig sind. Unter Anderem hatten die Grünen gegen den Gesetzentwurf gestimmt (PDF). Das ist womöglich der Grund für die Behauptung, die Grünen würden Kinderehen befürworten. Doch die Grünen lehnten die Änderung laut einer Rede der Bundestagsabgeordneten Katja Keul nicht pauschal ab, sondern weil sie Kritik an einem konkreten Unterpunkt hatten: dass Ehen, die vor dem 16. Lebensjahr geschlossen wurden, pauschal „unwirksam“ werden. 

In einem Statement vom 14. Dezember 2018 schrieb Keul bezüglich einer Einschätzung des Bundesgerichtshofs, nach der genau dieser Punkt verfassungswidrig sei: „Die Zweifel des Bundesgerichtshofs an der pauschalen Unwirksamkeit von Ehen mit Ehepartnern unter 16 Jahren bestätigt, was wir Grünen bereits im Gesetzgebungsverfahren bemängelt haben.“ Und: „Natürlich sind wir gegen Kinderehen[…].“

Statement von Katja Keul zum Standpunkt der Grünen zu Kinderehen (Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wollen die Grünen die Spritpreise erhöhen?

Die Behauptung zu den Spritpreisen geht schon seit einigen Jahren durchs Netz und ist falsch. Wir hatten dazu am 5. Mai 2018 schon einmal einen Faktencheck veröffentlicht. Hintergrund war eine angebliche Aussage des Grünen-Politikers Anton Hofreiter, der in einem Interview gesagt haben soll, der Liter Benzin solle „mindestens sechs bis sieben Euro kosten”. Die Aussage ist jedoch erfunden. Im vergangenen Europawahlprogramm der Grünen lässt sich keine solche Forderung finden (PDF). Auch in den aktuellen Wahlprogrammen der Grünen in Baden-Württemberg (PDF) und Rheinland-Pfalz (PDF) lässt sich mit einer Dokumentensuche nach den Schlagworten „Benzin“, „Sprit“ und „Kraftstoff“ keine entsprechende Forderung finden.

Redigaturen: Steffen Kutzner, Uschi Jonas

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