Foto von Journalistin in Schutzkleidung wird ohne Kontext verbreitet, um Medien Panikmache vorzuwerfen
Ein Foto, das in Sozialen Netzwerken verbreitet wird, zeigt eine Moderatorin in Schutzkleidung. Der Kameramann trägt keine. Das zeige angeblich, wie Medien bewusst „Panik verbreiten“. Es fehlt relevanter Kontext.
In mehreren Ländern kursiert in Sozialen Netzwerken das Foto einer Journalistin, die vor der Kamera Schutzkleidung trägt – der Kameramann trägt dagegen keine. „Wie Medien Panik verbreiten“, steht in unterschiedlichen Sprachen auf dem Foto. Es wurde mit und ohne die Beschriftung veröffentlicht, wie eine Google-Fotosuche zeigt.
Das Foto wird ohne Kontext verbreitet: Darin zu sehen ist eine Journalistin, die im März 2020 für einen arabischen TV-Nachrichtensender Schutzkleidung im Libanon vorstellt.
Die Aufnahme der Journalistin in Schutzkleidung entstand im März 2020 im Libanon
Wo das Foto erstmals veröffentlicht wurde, konnten wir auch über mehrere Bilderrückwärtssuchen nicht nachvollziehen. Es wurde aber auf Japanisch, Chinesisch, Englisch und in Europa verbreitet und stammt offenbar aus einem kurzen Video vom 18. März 2020, wie die Faktenchecker von Ellinika Hoaxes aus Griechenland berichteten.
Diese verifizierten zunächst, wo das Video aufgenommen wurde: in Beirut. In dem kurzen Video ist ein Plakat mit arabischer Schrift zu erkennen – und das Restaurant Wok Box, das es laut Google Maps nur einmal in der libanesischen Hauptstadt gibt. Das Restaurant liegt laut Google-Maps an der Kreuzung der Straßen Gouraud und Sainte Famille in Beirut.
Das kurze Video, über das die griechischen Faktenchecker berichten, hat der Videojournalist Michael Downey am 18. März auf Twitter gepostet. Es zeigt die Szene, die auf dem Foto zu sehen ist. Downey schreibt, das Video sei aus Beirut und ein „Beispiel für schlechte Medienberichterstattung“, die zu Panik beitrage und ein falsches Beispiel setze.
Damit äußerte Downey Kritik an dem konkreten Auftritt der Journalistin. Was sie vor der Kamera sagte, lässt er offen. In Sozialen Netzwerken wird die Szene aus dem Kontext gerissen: Medien würden „bewusst“ Panik und Angst schüren, heißt es da.
Ein ehemaliger Moderator weist Downey in den Kommentaren darauf hin, dass in dem Video die Journalistin Ghinwa Yatim zu sehen sei. Sie habe die Schutzkleidung getragen, weil sie zuvor einen libanesischen Hersteller für den Dreh besucht habe.
Das Foto zeigt die Moderatorin nach einem Dreh über eine lokale Fabrik, die solche Schutzkleidung herstellt
Die Journalistin Yatim selbst hat im März 2020 hinsichtlich der Vorwürfe der Verbreitung von „Panik“ auf Twitter Stellung bezogen. Sie schrieb, ein „Produzent“ habe sie mit dem Kameramann heimlich gefilmt. Das Foto zeige sie nach einem Dreh über eine libanesische Fabrik, die solche Schutzkleidung günstig für den einheimischen Markt herstelle (15 US-Dollar pro Stück). „Während der Live-Übertragung sagte ich, dass es in Beirut vorerst keinen Grund zur Panik gibt und dass ich nur diesen lokal produzierten Anzug ausprobieren wollte.“
Das ist in dem Beitrag des Fernsehsenders Al Hadath aus den Vereinigten Arabischen Emiraten auch zu hören.
Als die Moderation aufgezeichnet wurde, waren nur etwa einhundert Corona-Fälle im Libanon bekannt. Eine Maskenpflicht gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sie wurde laut Medienberichten erst am 26. Mai 2020 eingeführt.
Redigatur: Till Eckert, Steffen Kutzner