Faktencheck

„Ossis noch nicht mitgerechnet“: Aussage von Göring-Eckardt stammt von 2015

Aktuell verbreitet sich eine Aussage der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt, in der sie indirekt Ostdeutsche als Menschen mit Migrationshintergrund bezeichnet. Die Aussage ist authentisch, sie sagte das im Jahr 2015. Die Grünen-Politikerin ging auf einen Vergleich von Bundeskanzlerin Merkel ein, die die Herausforderungen der Flüchtlingskrise mit denen der deutschen Wiedervereinigung verglich.

von Uschi Jonas

Eine Aussage der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt von 2015 verbreitet sich aktuell auf Facebook (Quelle: Picture Alliance/ DPA/ Bernd von Jutrczenka)
Eine Aussage der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt von 2015 verbreitet sich aktuell auf Facebook (Quelle: Picture Alliance/ DPA/ Bernd von Jutrczenka)
Behauptung
Katrin-Göring Eckardt habe in einem Zitat Ostdeutsche als Menschen mit Migrationshintergrund bezeichnet.
Bewertung
Richtig. Die Grünen-Politikerin hatte sich im Jahr 2015 so in einer Bundestagsdebatte während der Flüchtlingskrise geäußert.

„30 Prozent der Kinder und Jugendlichen heute haben bereits einen Migrationshintergrund. Und dabei habe ich die Ossis noch nicht mitgerechnet.“ Dieses Zitat soll von der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt stammen. Ein Zeitungsausschnitt, der ein Foto von ihr und das Zitat zeigt, verbreitet sich aktuell in Sozialen Netzwerken. Um Stimmung gegen die Partei zu machen, heißt es zudem auf dem Bild: „Ich bin sicher, ganz Ostdeutschland wird den Grünen bei der Bundestagswahl für diese Worte eine Ohrfeige erteilen.“ Ein Facebook-Beitrag vom 24. April, der das Zitat verbreitet, wurde mehr als 25.000 Mal geteilt. 

Unsere Recherche zeigt: Das Zitat ist echt, die Bundestagsfraktionsvorsitzende Göring-Eckardt hatte sich 2015 im Rahmen einer Generaldebatte im Bundestag so wie behauptet geäußert. 

Aussage von Göring-Eckardt stammt aus einer Bundestagsdebatte 2015

In der Generaldebatte des Bundestags am 9. September 2015 ging es um den Haushaltsplan des Bundeskanzleramts für das Jahr 2016. 2015 war der Beginn der europäischen „Flüchtlingskrise“. Wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, suchten allein in den ersten sechs Monaten des Jahres etwa 400.000 Menschen Schutz in der EU.

Dieses Foto eines Zeitungsausschnitts mit der Aussage der Grünen-Politikerin Göring-Eckardt wird aktuell verbreitet (Quelle: Facebook/ Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Dieses Foto eines Zeitungsausschnitts mit der Aussage der Grünen-Politikerin Göring-Eckardt wird aktuell verbreitet (Quelle: Facebook/ Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In ihrer Rede im Bundestag forderte Göring-Eckardt Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem entschiedenen Handeln in der Flüchtlingskrise auf. Sie ging auf eine Aussage Merkels ein, die die Flüchtlingskrise mit den Herausforderungen der deutschen Einheit verglich. Vor diesem Hintergrund begann Göring-Eckardts Vergleich mit Ostdeutschland (ab Minute 4:53 im Video): 

„Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, wir stehen vor einem Problem von der Dimension der deutschen Einheit. Da gebe ich Ihnen auch recht. Deshalb dürfen wir aber die Fehler von damals nicht wiederholen. Der Osten besteht heute nicht nur aus blühenden Landschaften und es hat auch mehr als ein paar Pfennige gekostet. Und genau so wenig lässt sich die Flüchtlingshilfe jetzt mit einer Einmalzahlung an die Länder von drei Milliarden Euro irgendwie begleichen.“ 

Weiter sagte Göring-Eckardt dann (ab Minute 6): „Integration, das geht nicht per Koalitionsbeschluss an einem Wochenende und Deutschland funktioniert auch nicht nach dem Motto alte Bundesrepublik, neue Bundesländer. Und Flüchtlinge und das wars dann. Unser Land wird sich verändern und es hat sich schon verändert. 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen heute haben bereits einen Migrationshintergrund und dabei habe ich die Ossis jetzt noch nicht mitgerechnet. Welche Aufmerksamkeit, welche Energie, welche Ressourcen lassen wir denen zukommen, die heute schon in unserer Gesellschaft chancenlos sind? Auch diese Frage müssen Sie beantworten.“ 

Göring-Eckardt startete wenige Tage später eine Kampagne gegen Hass im Netz

Göring-Eckardt, die selbst in Thüringen geboren wurde und in der DDR aufgewachsen ist, sah sich nach ihrer Aussage Medienberichten zufolge massiven Anfeindungen in Sozialen Netzwerken ausgesetzt. Kritiker starteten eine Online-Petition, die den Rücktritt der Fraktionsvorsitzenden forderte und dazu aufrief, Strafantrag gegen die Politikerin zu stellen. Wenige Tage nach der Debatte im Bundestag startete die Grünen-Politikerin deshalb die Kampagne #NoHateSpeech, um sich gegen Beschimpfungen und Drohungen im Netz zu wehren. 

Ihr wurden wegen ihrer Aussage über Ostdeutsche zudem Rassismus und Diskriminierung vorgeworfen. Die Partei reagierte Medienberichten zufolge in einer Stellungnahme auf die Vorwürfe gegen Göring-Eckardt. Ein Sprecher der Grünen erklärte demnach: „Wer aus der Aussage von Frau Göring-Eckardt einen solchen absurden Vorwurf konstruiert, versteht ,Migrant‘ wohl als Schimpfwort. Das ist Hetze von Hassbürgern gegen Ausländer. Der Debattenkultur in Deutschland mangelt es offensichtlich an Respekt.“

Redigatur: Tania Röttger, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Die komplette Rede von Göring-Eckardt am 9. September 2015 im Bundestag: Link
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