Grünen-Kanzlerkandidatin: Irreführende Behauptungen zum Studium von Annalena Baerbock im Umlauf
Im Internet kursieren mehrere Blogartikel und Facebook-Beiträge, in denen behauptet wird, Annalena Baerbock habe bezüglich ihres Studiums im Lebenslauf „geschummelt“, es „gekauft“ oder gar nicht erst studiert. Dafür gibt es keinerlei Hinweise: Baerbock besitzt ein Vordiplom der Universität Hamburg und die London School of Economics bestätigt sie als Absolventin.
Seit Annalena Baerbock zur Grünen-Kanzlerkandidatin ernannt wurde, mehren sich Falschbehauptungen zu ihrer Person. Aktuell wird in Blog- und Facebook-Beiträgen behauptet, Baerbock habe bezüglich ihres Studiums im Lebenslauf „geschummelt“ (hier), es „gekauft“ (hier) oder gar nicht erst studiert (hier). Ähnliche Spekulationen wurden auch auf Twitter unter dem Hashtag #StudierenwieBaerbock verbreitet.
Die Behauptungen sind größtenteils falsch: Zwar wurden mehrfach Änderungen an Baerbocks Lebenslauf vorgenommen, doch als „schummeln“ lässt sich das nicht bezeichnen. Es gibt zudem keinerlei Hinweise, dass sie ihr Studium „gekauft“ hätte oder nicht studiert habe.
Einige Formulierungen in Baerbocks Lebenslauf wurden mehrfach geändert
Für Verwirrungen bezüglich Baerbocks Studium führten vermutlich mehrere Änderungen an Formulierungen auf ihrer Webseite. Der Lebenslauf wurde vor allem bezüglich ihres Studiums an der Universität Hamburg kürzlich mehrfach angepasst: In einer Version von April 2021 steht dort „Politikwissenschaft, öffentliches Recht“, in einer Version vom Mai 2021 war dort lediglich „Politische Wissenschaft“ zu lesen. Aktuell heißt es dort, konkreter: „Politische Wissenschaft (Vordiplom), Nebenfach: Öffentliches Recht“.
Auch in einem anderen Bereich ihrer persönlichen Webseite standen unterschiedliche Beschreibungen ihres Studiums, wie die Faktenchecker der AFP recherchierten: 2011 bezeichnete sie es als „Politikstudium“, 2014 als „Politik- und Jurastudium“. An anderer Stelle – in beiden Versionen – schrieb sie aber, sie habe in Hamburg auch Öffentliches Recht studiert.
Auf der Webseite der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung war bis zu einer Korrektur zu lesen, Baerbock habe ihr Studium an der Universität Hamburg mit einem Bachelor abgeschlossen. Tatsächlich handelte es sich um ein Vordiplom. Auch in Medienberichten wie einem Porträt in der Süddeutschen Zeitung und einem Artikel des Tagesspiegels wurde das zunächst so angegeben. Beide Medien korrigierten später, Baerbock habe die Universität Hamburg mit einem Vordiplom verlassen.
In Sozialen Netzwerken wird aufgrund der unterschiedlichen Beschreibungen mehrfach gefragt, wie Baerbock ohne Bachelor-Abschluss einen Master an der renommierten London School of Economics (LSE) machen konnte. Infrage gestellt wird außerdem, ob sie sich „Völkerrechtlerin“ nennen dürfe.
Baerbock konnte wegen Zulassungsbedingungen 2004 ohne Bachelor-Abschluss ihren Master machen
Der Grünen-Sprecher Andreas Kappler äußerte sich am 11. Mai auf Twitter zum Thema: „Die Studienleistungen in Hamburg waren Voraussetzung für die Aufnahme an der LSE. In Hamburg hatte sie Politische Wissenschaft auf Diplom mit Nebenfach Öffentliches Recht/Europarecht studiert. Da zu der Zeit in DE Bachelor+Master noch nicht flächendeckend eingeführt waren, war damals u.a. das Vordiplom Grundlage für Aufnahme von Masterstudiengängen im Ausland.“
Wie eine archivierte Liste der Zulassungsbedingungen der LSE zeigt, konnten Deutsche Studierende 2004 tatsächlich lediglich mit einem Vordiplom dort zugelassen werden.
Dass Baerbock in jedem Fall an der Hamburger Universität studierte, bestätigte diese etwa den Faktencheckern der AFP. Die LSE bestätigte Baerbock bereits im April in einem Tweet als Absolventin. Und Grünen-Sprecher Kappler teilte auf Twitter sowohl ein Foto von Baerbocks Zeugnis des Vordiploms von der Uni Hamburg, als auch ihr Abschlusszeugnis („Master of Laws“) von der LSE.
Mit diesem Masterabschluss kann sich Baerbock als Völkerrechtlerin bezeichnen, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) für einen Artikel recherchierte. In dem Text wird auch der Frage nachgegangen, ob und was Baerbock für ihr Studium bezahlen musste. Eine Grünen-Sprecherin teilte dem RND mit, sie habe für das Studium an der LSE regulär Studiengebühren gezahlt und dafür unter anderem in einer Fabrik gearbeitet. Eine angestrebte Promotion habe Baerbock laut der Sprecherin vor einiger Zeit abgebrochen, um sich ganz auf ihr Bundestagsmandat zu konzentrieren.
Fazit: Auf der Internetseite von Annalena Baerbock wurden die Beschreibungen zu ihrem Studium zwar mehrfach angepasst – als „schummeln“ lässt sich das aber nicht bezeichnen. Baerbock kann sich als Völkerrechtlerin bezeichnen. Sie hat an der Universität Hamburg studiert und diese mit einem Vordiplom verlassen, welches für die Zulassung an der LSE ausreichte. Die LSE bestätigt Baerbock als Master-Absolventin. Für beide Abschlüsse liegen die Zeugnisse vor. Dafür, dass Baerbock ihr Studium „kaufte“, gibt es keine Hinweise.
Redigatur: Sarah Thust, Matthias Bau