Nein, die Hochwasser-Hilfe wurde nicht speziell für Geflüchtete ausgegeben
Die Internetseite Wochenblick berichtet: Der „Katastrophen-Fonds“ sei für Geflüchtete verwendet worden, die Flutopfer würden dagegen nur 300 Euro bekommen. Das ist größtenteils falsch: Der gemeinte Aufbaufonds nach dem Hochwasser 2013 wurde nie speziell an Geflüchtete verteilt – und die aktuellen Fluthilfen gehen über den Soforthilfe-Betrag hinaus.
In einem Artikel des österreichischen Blogs Wochenblick: „Katastrophen-Fonds für Flüchtlinge verwendet: Flutopfer bekommen nur 300 Euro“. Die Überschrift bezieht sich im Wesentlichen auf zwei Medienberichte – einen von der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2014 und einen Bericht von Bild vom 18. Juli 2021 über die Soforthilfe für Hochwasser-Opfer im nordrhein-westfälischen Erftstadt.
Die Behauptungen von Wochenblick sind größtenteils falsch: Der „Fluthilfe-Fonds“, über den die Süddeutsche Zeitung 2014 berichtete, hat nichts mit den 300 Euro Soforthilfe für Hochwasser-Opfer in Erftstadt zu tun. In dem Artikel der Süddeutschen Zeitung heißt es, die Bundesregierung wolle für die Unterbringung von Asylbewerbern ungenutzte Gelder aus dem Hochwasser-Aufbaufonds von 2013 verwenden und verhandele darüber mit den Ländern. Auch Spiegel berichtete darüber. Was danach geschah, lässt Wochenblick aus: Die Verhandlungen fanden statt, aber die Länder lehnten ab. Das Geld ging wieder zurück an den Bundeshaushalt, wurde also nicht speziell für Geflüchtete verwendet.
Was die Höhen der Soforthilfen betrifft, so ist diese regional sehr unterschiedlich – und liegt nicht pauschal bei 300 Euro. An dem Tag, an dem der Wochenblick-Artikel erschienen ist, kündigte Ministerpräsident Armin Laschet laut Medienberichten 200 Millionen Euro Soforthilfe für Nordrhein-Westfalen an. Darüber hinaus planen Bund und Länder einen Hilfsfonds zur Beseitigung der Flutschäden in Höhe von 30 Milliarden Euro.
Der Aufbaufonds war für die Reparatur der Hochwasser-Schäden von 2013 vorgesehen
In dem Bericht von Wochenblick wird behauptet, es sei 2014 beschlossen worden, „mit dem Rest aus dem 8-Milliarden-Fluthilfefonds die Kommunen und Länder aufgrund der damals bereits steigenden Zahl von Asylwerbern zu unterstützen“. Das stimmt so nicht, wie wir bereits im Juli berichtet haben.
Es geht um den sogenannten Aufbaufonds, der für die Reparatur der Hochwasser-Schäden 2013 bestimmt und nicht vollständig aufgebraucht wurde. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums schrieb uns am 29. Juli per E-Mail: „In den Jahren 2015 und 2016 wurden insgesamt rund 1,8 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen ‘Aufbauhilfe’ wieder im Bundeshaushalt vereinnahmt, weil die Schadensermittlung ergeben hatte, dass die Mittel für den gesetzlich bestimmten Zweck nicht mehr benötigt wurden.“
Auch aus den Bundeshaushaltsplänen für 2017 und 2018 geht hervor, dass 2015 und 2016 rund 1,8 Milliarden Euro aus dem Aufbauhilfe-Fonds in den Bundeshaushalt zurückgeflossen sind.
Solche Mittel, die nicht mehr benötigt werden und in den Bundeshaushalt zurückfließen, dienen der Finanzierung aller Ausgaben – und sind nicht zweckgebunden.
Es kann sein, dass indirekt Teile des Geldes für Geflüchtete ausgegeben wurden. Seit 2016 beteiligt sich der Bund finanziell an den Kosten der Unterkunft für Geflüchtete, um Länder und Kommunen zu entlasten. Dies wurde aber nicht explizit durch die Aufbauhilfen finanziert, sondern aus dem Bundeshaushalt – in den die Aufbauhilfe 2016 endgültig überging.
Nach dem Hochwasser erhielten einige Erftstädter 300 Euro von der Stadt – gleichzeitig kündigten Bund und Länder Hilfen an
Der Artikel vom Wochenblick kritisiert, dass die Bundesregierung 260 Millionen Euro für die „Corona-Bekämpfung“ ausgebe, für Hochwasser-Betroffene aber „nur eine Soforthilfe von € 300,- übrig“ bleibe. Das ist irreführend. Staatshilfen und andere Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Krise könnten Bund und Länder im Jahr 2020 bis zu 1,3 Billionen Euro gekostet haben, wie laut Medienberichten aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hervorgeht. Die Soforthilfe ist nur ein kleiner Teil der Hilfe, die in Deutschland für die Schäden der Flut angekündigt wurden.
Der Bild-Bericht, den Wochenblick zitiert, bezieht sich lediglich auf einige Personen in Erftstadt, nicht auf alle Betroffenen. Demnach standen Betroffene aus den Hochwassergebieten in Erftstadt am 18. Juli vor dem dortigen Rathaus Schlange, um sich eine pauschale Soforthilfe von 300 Euro abzuholen.
Die Stadt Erftstadt meldete bereits am 16. Juli auf ihrer Webseite, dass sich Bürger und Bürgerinnen Soforthilfezahlungen abholen könnten.
Als der Wochenblick-Text veröffentlicht wurde, hatten Bund und Länder laut Medienberichten bereits weitere Hilfen angekündigt. So sagte beispielsweise Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Kanzlerkandidat der CDU, man wolle Hilfsgelder für Hochwasser-Betroffene und Kommunen verteilen. Er machte bei einer Pressekonferenz am 16. Juli aber noch keine Angaben zur Höhe der geplanten Hilfsgelder.
Aus Rheinland-Pfalz meldete der SWR am 15. Juli, das Land stelle 50 Millionen Euro Soforthilfe bereit.
Bund und Länder haben seitdem weitere Hilfen für Betroffene angekündigt. Die Sprecherin des Bundesfinanzministeriums schrieb uns am 29. Juli: „In Bezug auf die aktuelle Hochwasserkatastrophe hat die Bundesregierung beschlossen, dass sich der Bund zu 50 Prozent an den Soforthilfen der betroffenen Länder beteiligt. Derzeit laufen die Gespräche mit den Ländern zur Umsetzung des Beschlusses.“ Die Mittel dafür sollten aus dem Bundeshaushalt außerplanmäßig bereitgestellt werden.
Fazit: Es stimmt nicht, dass 2014 beschlossen wurde, Geld aus dem „Fluthilfe-Fonds“ für Geflüchtete auszugeben. Es ist zudem irreführend, pauschal zu behaupten, die Betroffenen würden „nur 300 Euro bekommen“.
Richtig ist: Nach der Hochwasserkatastrophe 2013 hat die Bundesregierung einen Aufbaufonds für Betroffene angelegt. 1,8 Milliarden aus dem Fonds blieben übrig – und flossen 2015 und 2016 zurück in den Bundeshaushalt.
Die Soforthilfen nach der Hochwasserkatastrophe 2021 werden aus den Bundes- und den Länderhaushalten bereitgestellt. Über die Details wird noch diskutiert.
Redigatur: Tania Röttger, Steffen Kutzner