AfD-Spendenskandal

Heikle Vorwürfe gegen AfD-Chef Meuthen in Spendenaffäre

„Hängen Sie das nicht an die große Glocke“, habe AfD-Chef Meuthen gegenüber dem ehemaligen AfD-Chef von Baden-Württemberg, Ralf Özkara gesagt. Er belastet AfD-Parteichef Jörg Meuthen gegenüber CORRECTIV und Frontal 21 schwer: Dieser habe frühzeitig von illegalen Parteispenden aus der Schweiz für seinen Wahlkampf 2016 gewusst.

von Marcus Bensmann

Ein Bild aus besseren Zeiten: Jörg Meuthen umarmt den damaligen AfD-Landessprecher Ralf Özkara im März 2017. (Foto: Marijan Murat/dpa)

„Das ist ein bisschen heikel, weil diese Geschichte aus der Schweiz kommt“, soll Jörg Meuthen gesagt haben. Dies schrieb Özkara in einer eidesstattlichen Versicherung, die am Wochenende in Parteikreisen kursierte. Parteichef Meuthen hat das inzwischen zurückgewiesen, doch Özkara bekräftigt seine Vorwürfe gegenüber CORRECTIV und Frontal 21.

„Ja, also mal nicht so viel Kopf machen, da kommt schon noch ziemlich was“, habe Meuthen Özkara während des Wahlkampfes in Baden-Württemberg gesagt, „da kriegen wir noch in großem Umfang Großplakate und eben auch eine Homepage.“ Und Meuthen soll seinem Parteifreund auch die Herkunft verraten haben. „Das käme von seinem guten Bekannten Alexander Segert, der eine Werbeagentur in der Schweiz hat, die Goal AG“, sagt Özkara gegenüber CORRECTIV und Frontal 21. Meuthen habe zur Vorsicht gemahnt. Özkara solle das nicht an die große Glocke hängen „das sei ein bisschen heikel, diese Geschichte“.

Meuthen selbst bestreitet bis heute, von dem Ausmaß an Wahlkampfhilfe für ihn gewusst zu haben. Die Schweizer Goal AG hatte 2016 Werbung im Wert von knapp 90.000 Euro für Meuthen bezahlt. Die wahren Spender sind bis heute ungeklärt.

Damit bekommt die Fassade der Ahnungslosigkeit von Parteichef Meuthen weitere Risse. Doch Meuthen gibt den Ahnungslosen und dementiert. „Ich kann mich in keiner Weise erinnern, diese Aussagen jemals gegenüber Herrn Özkara gemacht zu haben“, schreibt Meuthen Frontal 21 und CORRECTIV, „sie ergäben auch keinerlei Sinn. Herr Segert ist Deutscher, die Goal AG befindet sich nach meiner Kenntnis in seinem Eigentum.“

Für das erneute Dementi hat Özkara nur ein Achselzucken übrig. „In diesem Zusammenhang würde ich mich auch nicht daran erinnern wollen“, sagt der ehemalige Landeschef der AfD von Baden-Württemberg.

Ein privater Verein und die Schweizer Goal AG unterstützten in den vergangenen Jahren Wahlkampagnen der AfD. Die AfD und die Spender stehen bis heute auf dem Standpunkt, es habe sich dabei um sogenannten Parallelaktionen gehandelt, bei der weder die Partei noch die Funktionäre von Unterstützungsaktionen etwas gewusst hätten. Die AfD bewertet dies daher nicht als Spende, wurde aber zu einer Strafzahlung verurteilt, weil es sich um eine „illegale Parteispende“ gehandelt habe.

Ahnungslos?

Eine gemeinsame Recherche von CORRECTIV und Frontal 21 hatte 2017 gezeigt, dass der AfD-Parteichef Jörg Meuthen bei dem Landtagswahlkampf 2016 in Baden-Württemberg aktiv in die Plakatwerbung der Schweizer Firma eingebunden war und eine „Freistellungserklärung“ unterschrieben hatte. Damit war klar, dass er Verbindung zu der Werbeaktion hatte und im Vorfeld davon wusste. Die Bundestagsverwaltung bewertete die Unterstützung aus der Schweiz daraufhin als illegale Parteispende und verhängte Strafzahlungen in Höhe von 269.400 Euro.

Die AfD klagte dagegen und verlor in erster Instanz im Januar vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Vor Gericht gab sich Meuthen ahnungslos. „Ich habe mich schlicht nicht damit befasst. Es war für mich ein reines Randgeschehen eines Wahlkampfes, die Partei wusste von der ganzen Aktion nichts, insofern ist es lächerlich, da von Parteispenden zu sprechen“, sagte Meuthen im Januar vor dem Gericht. Die Aussagen des AfD-Chefs vor dem Gericht ärgern Özkara besonders.

„ Bis zu diesem Zeitpunkt hätte er ja auch mal ehrlich sein können, in diesem ganzen Zusammenhang. War er aber nicht“, sagt Özkara. Da sei ihm schon aufgestoßen, dass Meuthen nicht einen Fehler eingeräumt habe und sich stattdessen auf sein „Nichtwissen“, den „hemdsärmligen Wahlkampf“ und auch „Ich hatte so viel zu tun“ zurückgezogen habe. Ein Parteivorsitzender einer „konservativen Partei“ könne sich nicht auf „Schutzbehauptungen“ zurückziehen, sagt Özkara, sondern da habe er „die Wahrheit zu sagen“.

Nun bringt ein langjähriger Vertrauter des Parteichefs dieses Bild ins Wanken und nimmt gegenüber CORRECTIV und Frontal 21 dazu Stellung. Der Grund für die eidesstattliche Erklärung am Samstag sei gewesen, dass der Konvent, der sogenannte kleine Parteiparteitag der AfD darüber befinden sollte, ob die AfD gegen das Gerichtsurteil in Revision gehen wollte, sagt Özkara.

Lange Zeit vertraut

Ralf Özkara war lange ein enger Vertrauter Meuthens. Er war erst dessen Büroleiter und wurde bis 2018 Parteivorsitzender der AfD in Baden-Württemberg. 2019 trat er aus der Partei aus. „Die Partei werde von Idioten geleitet“, habe er damals gesagt, das habe Meuthen sehr getroffen.

Meuthen erklärte gegenüber Frontal 21, keine Zeit für ein Interview zu haben. In einer E-Mail blieb er bei dem Dementi.

Seit der Aufdeckung des Skandals durch die Recherche von CORRECTIV und Frontal21 dementiert Jörg Meuthen regelmäßig, von den Spenden aus der Schweiz gewusst zu haben.

CORRECTIV hatte 2016 aufgedeckt, dass ein AfD-Politiker aus Essen, Guido Reil, bewusst in eine Plakataktion der Goal AG für ihn eingebunden war. Er sagte damals, dass er die Parteistrukturen über die Werbeplakate vorab informiert habe.

Die Hinweise von Reil legten die Fährte zu Jörg Meuthen und dessen Plakate aus der Schweiz. Frontal21 und CORRECTIV konnten anhand einer Freistellungserklärung, die Meuthen für die Plakatspende der Goal AG unterschrieben hatte, zeigen, dass Meuthen nach einem vergleichbaren Muster Wahlkampfspenden erhalten hatte.

Die Bundestagsverwaltung verhängte sowohl im Fall von Reil als auch von Meuthen Strafzahlungen. Es bleibt weiterhin unklar, wer das Geld bezahlt hat. Die Goal AG selbst habe die Spenden nur weitergeleitet. Sie erstellte Spenderlisten, die die AfD nachträglich zur Bundestagsverwaltung schickte, die sich allerdings als falsch heraus stellte, wie mehrere Medien, darunter auch Correctiv und Frontal 21 zeigen konnten. Viele der Spender auf den Listen hatten nicht gespendet, einige bekamen sogar Geld dafür, dass sie ihren Namen hergaben, oder sie wurden gar nicht gefragt.

Meuthens Glaubwürdigkeit, der gerade innerparteilich wegen des gescheiterten Rauswurfs des rechtsextremen Andreas Kalbitz unter Beschuß steht, gerät in der Spendenaffäre damit weiter ins Wanken.