Neue Rechte

Krah warnt die AfD-Bundestagsfraktion vor Verbot der Identitären Bewegung

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah erwartet das baldige Verbot der Identitären Bewegung (IB) Deutschland. Bei einem Vortrag vor Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD-Fraktion erklärte er, dass die Partei sich klar von dem völkischen Konzept der „Remigration“ distanzieren müsse, sonst drohe nicht nur das Verbot der IB, sondern der AfD.

Konstituierende Sitzung
Maximilian Krah, hier vor Beginn der konstituierenden Sitzung des Bundestages im März, warnt seine Fraktion vor möglichem Verbot der Identitäten Bewegung. © picture alliance / SZ Photo | Jens Schicke

Der Identitären Bewegung in Deutschland droht nach Überzeugung des AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah ein Verbot. „Dobrindt könnte heute den Stecker ziehen“, sagte der AfD-Abgeordnete aus Sachsen in einem Vortrag vor Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD-Bundestagsfraktion am vergangenen Donnerstag. Als konkreten Hinweis auf ein mögliches Verbot nannte Krah Hausdurchsuchungen, die nach dem „Remigrationskongress“ in Mailand stattgefunden haben. Diese würden darauf hindeuten, dass ein Verbot der Identitären Bewegung noch im laufenden Jahr vorbereitet werde. Offiziell war der Grund für die Hausdurchsuchung ein Verdacht auf Verstoß gegen das Passgesetz.

Als ‚Identitäre Bewegung‘ bezeichnet sich ein Netzwerk rechter und rechtsextremer Aktivisten, die unter anderem in Frankreich, Österreich und Deutschland aktiv sind. Ihr bekanntestes Gesicht ist der Rechtsextremist Martin Sellner aus Österreich.

Der AfD-Mann aus Sachsen hielt am Donnerstagabend in einem Saal im Bundestag vor etwa 60 Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD-Bundestagsfraktion einen Vortrag mit dem Titel, „Volk, Staat und Gesellschaft im Wandel“.  Krah begründete in dem Vortrag auch seine Kehrtwende in der Frage der „Remigration“. 2023 hatte er in seinem völkischen Manifest noch die Wiederherstellung der deutschen Kultur durch „Remigration” oder Assimilierung gefordert. Jetzt schlägt er seiner Partei eine Abkehr von dem völkischen Konzept vor.

Krah: Nähe zu Sellner und Identitäten Bewegung gefährlich

Krah begründet seine Warnung mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das von „Klarheit und Schärfe“ sei.  

Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts hatten im Juni zwar das Verbot des rechtsextremen Magazin Compact aufgehoben, aber das  „Remigrationskonzept“ von dem ideologischen Kopf der Identitären Bewegung (IB), Martin Sellner, als verfassungsfeindlich gewertet, wenn dieses sich auf Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund bezieht. Sellner hatte 2023 auf Videos bei Compact die „Remigration“ für fünf bis sechs Millionen „nicht-assimilierter Staatsbürger“ vorgeschlagen und bei dem Treffen in Potsdam 2023 unter anderem auch vor hochrangigen AfD-Funktionären „Remigration“ für „nicht-assimilierte Staatsbürger“ über „Anpassungsdruck“ wie „maßgeschneiderte Gesetze“ als „Jahrzehnteprojekt“ vorgeschlagen, wie die CORRECTIV-Recherche  im Januar 2024 zeigte.

Diese Ansicht teilt auch Kyrill Schwarz, Juraprofessor aus Würzburg. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Compact habe deutlich gemacht, „wie hoch die Hürden für ein entsprechendes Verbot sind“, schreibt Schwarz auf CORRECTIV-Anfrage. Das Urteil zeige aber zugleich, dass der „Rechtsstaat eben nicht alles als – angebliche – Meinungsäußerung“ hinzunehmen habe.  Bei Compact sei es in der Gesamtschau zu wenig, um von einer deutlich überwiegenden verfassungsfeindlichen Tendenz ausgehen zu können, schreibt Schwarz, „das sehe ich bei der  IB schon anders“. Der Professor aus Würzburg rechnet daher mit „deutlich besseren Chancen für ein Verbot“.

Krah erwartet das IB-Verbot schon im Laufe des Jahres und warnt vor Konsequenzen für die Bundestagsfraktion der AfD. Der eine oder andere Mitarbeiter sei „in der Vergangenheit in der Identitären Bewegung“ gewesen, einige „vielleicht auch freundschaftlich verbunden“, sagte Krah. In dem innerparteilichen Konflikt bezogen jedenfalls einige AfD-Bundestagsabgeordneten klar Position und teilten auf dem sozialen Netzwerk X Bilder, die ihre Solidarität mit dem rechten Vorfeld artikulierten, zu dessen zentralen Organisationen die IB gehört: „Wer sich distanziert, verliert!“, schrieben etwa Steffen Kotré und Tobias Teich. Martin Sellner repostete ihre Beiträge. 

Sollte das IB-Verbot kommen, drohe „der Entzug des Hausausweises des Bundestages für die Mitarbeiter“ und „der Kollege sei mit sofortiger Wirkung gesichert rechtsextrem“, warnte Krah. Auf Anfrage bestätigt Krah gegenüber CORRECTIV seine Aussagen bei dem Vortrag: „Die mir von Ihnen vorgelegten Zitate aus meinem Vortrag sowie die Diskussionsbeiträge, sofern ich Sie getätigt haben soll, sind zutreffend.“

Wer ist gemeint mit „millionenfacher Remigration“?

Die IB gilt in Deutschland als gesichert rechtsextrem. Ihr zentraler Kampfbegriff ist die „Remigration“, um „den Bevölkerungsaustausch“ aufzuhalten, wie das Verwaltungsgericht Köln 2022 feststellte. Die Bewegung ist seit 2014 als Verein in Deutschland registriert. Martin Sellner mit dessen „Konzept der Remigration“ aus Österreich gilt als ideologischer Kopf der Bewegung. Die IB steht zwar auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD, aber es gibt gleichwohl Verbindungen zu der Partei. Der Bayerische Rundfunk veröffentlichte 2024 eine Recherche, derzufolge mehrere Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion, die aus dem Umfeld der IB waren. „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu möglichen Vereinsverboten, auch um etwaige Maßnahmen nicht zu gefährden“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Telefon auf eine Anfrage von CORRECTIV. 

Laut Krah könnte eine unpräzise Verwendung des Begriffes „Remigration“ nicht nur zum Verbot der IB führen, sondern sie sei auch für die AfD riskant. Der Verfassungsschutz schätzt die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Gerichte müssen das nun prüfen. Krah fürchtet, dass die Gerichte das Gutachten bestätigen, wenn sich die AfD nicht klar von der IB und Sellners Konzept distanziert. Das hätte dann laut Krah auch Auswirkungen auf ein mögliches Verbotsverfahren für die AfD.

Die AfD hat im Januar 2025 den „Remigration“ ins Programm für die Bundestagswahl übernommen. Die Partei verwendet diesen Begriff  für eine Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts, und nicht wie Sellner pauschal für mehrere Gruppen, darunter auch für Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund. Allerdings habe sich dieses Verständnis in der Öffentlichkeit nicht durchgesetzt, sagt Krah.

Bei einer Google-Suche würde die AfD-Definition auf der ersten Trefferseite nicht angezeigt, sagte Krah während des Vortrages vor den AfD-Abgeordneten. Die Forderung nach „millionenfacher Remigration“ einzelner AfD-Bundestagsabgeordneter in sozialen Medien und im Bundestag würde die Grenzen verwischen, denn diese Zahl sei von dem AfD-Programm nicht gedeckt.

Krah: „Finger weg von Staatsbürgern“

Solange es die Partei offen lasse, dass sie auch das Konzept der Remigration vertrete, wie Sellner es vorschlägt, „sei die gerichtliche Bestätigung“ des Gutachtens des Verfassungsschutzes nicht abzuwenden. Krah führt als Beispiel das Urteil des Verwaltungsgerichts München im Sommer 2024 an. Das lehnte die Beschwerde des bayerischen Landesverbandes ab, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Das sei geschehen, sagte Krah, „weil vier Landtagsabgeordnete Sympathie für Sellners Konzept haben erkennen lassen“.

„Wir müssen deutlich machen: Finger weg von Staatsbürgern, das muss unser Mantra sein“, sagte Krah. Mit Blick auf die verfassungsrechtliche Definition von Staatsbürgerschaft sagte Krah, es gebe im Artikel 116 des Grundgesetzes kein „ethnisches Prinzip“. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel und auch andere AfDler wie Björn Höcke sehen das anders, wie CORRECTIV in einer Recherche zeigte. Weidel behauptete im Mai, dass dem Grundgesetz ein “ethnischen Volksbegriff” zugrunde liegt.

Das Oberverwaltungsgericht Münster stellte im Mai 2024 zu AfD-Chef aus Thüringen Björn Höcke und dessen Verwendung von „Remigration“ fest, dass dessen  „Formulierung nahe“ lege, „dass auf lange Sicht auch deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen sollen, wenn sie kulturell nicht integriert sind.“ 

Würden nun Gerichte die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätigen, die AfD sei rechtsextremistisch, ginge „die blöde Verbotsdiskussion“ wieder los, sagt Krah bei dem Vortrag im Bundestag. Sollte ein solches Verfahren sogar erfolgreich sein, seien die AfD-Abgeordneten ihre Pensionen los. Aber auch wenn es scheitert, würde das Verfahren der AfD „als solches“ schaden. 

Krah schlägt daher eine Kehrtwende vor. „Die Bundesrepublik Deutschland ist der Staat seiner Staatsbürger und er ist nicht der Staat des ethnisch deutschen Volkes“, sagt Krah, dieses gelte es zu akzeptieren. 

Krah zofft sich mit Helferich über „millionenfache Regmigration“

Nach dem Vortrag von Krah kam es zu einem Wortgefecht mit dem Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich.  Helferich sagte, dass er nicht verfassungsfeindlich sei und zählte Menschen auf, die er aus Deutschland herausdrängen wollte, unter anderen die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, um zu beweisen, dass seine Forderung nach „Millionenfacher Remigration“ nicht verfassungswidrig sei. Helferich warf Krah im Nachgang der Veranstaltung auf X „Feindzeugentum“ vor. Der Jurist aus Dortmund hatte sich vor einigen Jahren  in Privatchats als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet. Helferich ist zwar Mitglied der AfD-Bundestagsfraktion, wurde aber von dem Landesverband in Nordrhein-Westfalen vergangene Woche aus der AfD ausgeschlossen. 

Während der Diskussion konfrontierten einige AfD-Bundestagsabgeordnete ihren Kollegen Krah mehrfach damit, dass er in seinem Buch ganz andere Thesen vertreten hätte, als er nun in seinem Vortrag vorstellte. Krah sagte darauf, er habe sich weiterentwickelt. Gleichwohl bot er zum Schluss des Vortragsabend an, das Buch, von dessen Thesen er mittlerweile abrückte, zu verschenken und zu signieren.