Cum-Ex-Geschäfte sind komplex. Für die Transaktionen brachten Organisatoren mit globalem Überblick verschiedene Akteure zusammen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kontrolliert und beaufsichtigt das deutsche Finanzwesen. Sie wiederum wird durch das Bundesfinanzministerium (BMF) beaufsichtigt. Das BMF erfuhr über einen Whistleblower schon 2009 von systematischen Cum-Ex-Betrügen, den Hinweis leitete das Ministerium aber nicht an Steuerfahnder oder Strafverfolger weiter. Es ist auch für die schleppende Aufarbeitung der Vorgänge verantwortlich. Aber es gibt noch weitere Überschneidung von Politik und Cum-Ex-Geschäften.
Fast alle Großbanken in Deutschland und viele internationale Banken waren an Cum-Ex-Geschäften beteiligt. Sie stellten Aktien für die Transaktionen zur Verfügung, verkauften und vermarkteten Cum-Ex-Investments oder investierten selbst in Cum-Ex-Deals.
Steuerrechtskanzleien und Wirtschaftsprüfer spielten eine Schlüsselrolle in den Cum-Ex-Deals. Die Kanzleien interpretierten die Steuergesetze zum Vorteil ihrer Mandanten und bestätigen diesen in „legal opinions“, dass die Geschäfte legale Steuerschlupflocher seien. Wirtschaftsprüfer untersuchten zwar die Rechtmäßigkeit von Cum-Ex, machten aber ihre Zweifel nicht öffentlich.
Viele Investorinnen und Investoren berufen sich darauf, nichts von dem Steuerbetrug gewusst zu haben. Aufgrund der hohen Gewinne hätten bei ihnen allerdings Fragen zum Geschäft aufkommen müssen. Bekannte Investorinnen und Investoren waren:
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Besonders bekannt in Deutschland: Strippenzieher Hanno Berger. Im Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Betrug wird er als Schlüsselfigur für die Geschäfte bezeichnet. Seit Anfang der 1990er Jahre ist er als Steuer- und Rechtsberater tätig. Er beriet Banken wie Macquarie, die auch an Cum-Ex-Deals beteiligt war, und Anlegerinnen und Anleger, die in Cum-Ex-Geschäfte investierten. Berger bestreitet den Vorwurf, seine Mandanten getäuscht zu haben. Er hatte auch mit Juristinnen und Juristen Kontakt, deren Rechtsauffassung zu Cum-Ex-Geschäften der Meinung von Berger ähnelten. Als er im November 2012 erfuhr, dass Ermittlungen gegen ihn laufen, verlegte er seinen Wohnsitz in die Schweiz. Das Landgericht Bonn hat im Juni 2021 Haftbefehl gegen ihn erlassen. Im Dezember 2022 wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt. Von seinem Vermögen sollen mehr als 13 Millionen Euro eingezogen werden. Im Mai 2023 wurde Berger vom Landgericht Wiesbaden wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen erneut zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt. Zudem musste Berger knapp 1,1 Mio. EUR Taterträge aus seinem Vermögen zurückzahlen.
Paul Mora gilt bei den Ermittelnden der Staatsanwaltschaft in Köln ebenfalls als Schlüsselfigur. Er soll als Abteilungsleiter der Hypovereinsbank (HVB) Cum-Ex-Geschäfte geplant und durchgeführt haben. Gemeinsam mit Martin S. gründete Paul Mora 2008 die Firma Ballance Capital. Auch während der Finanzkrise fädelten die beiden über Ballance Capital ihre Cum-Ex-Deals ein. Der Neuseeländer wird mit einem internationalen Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung gesucht.
Eine schillernde Figur: Sanjay Shah soll einer der mutmaßlich größten Profiteure der Deals sein. Als Hedgefondsmanager soll er unter anderem mit seiner Firma Solo Capital die Geschäfte auf die Spitze getrieben haben. In Dänemark gehen die Steuerbehörden davon aus, dass er knapp über eine Milliarde Euro für die Scheingeschäfte erhalten und dem kleinen Land damit massiv geschadet haben soll. Er wohnt in Dubai und vertritt die Auffassung, Cum-Ex-Geschäfte seien legal.
Der britische Aktienhändler Martin S. hat eine Vielzahl der vom Bankhaus Warburg durchgeführten Cum-Ex-Geschäfte geplant und organisiert. Der Ingenieur entwickelte Formeln für erfolgreiche Cum-Ex-Deals und arbeitete eng mit Paul Mora zusammen. Gemeinsam gründeten sie 2008 die Firma Ballance Capital, um über sie Cum-Ex-Deals abzuwickeln. Für seinen Cum-Ex-Betrug wurde Martin S. im März 2020 verurteilt. Er muss 14 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Das Urteil bestätigte der Bundesgerichtshof im Juli 2021.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) vertrat sieben Jahre lang als Strafverteidiger die Interessen eines der wichtigsten Strippenzieher der Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland: Hanno Berger. 2020 hat er sein Mandat niedergelegt.
Mehr: Der doppelte Kubicki (Zeit Online)
Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) tritt bei dem Cum-Ex-Skandal in verschiedenen Ämtern in Erscheinung. Er war 2011 bis 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg. Unter seiner Regierung musste das Bundesfinanzministerium die Hamburger Behörden anweisen, Maßnahmen gegen eine Verjährung von Rückforderungen gegenüber M.M.Warburg einzuleiten. Laut journalistischen Recherchen verzichteten 2016 die Hamburger Finanzbehörden darauf, 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften von M.M.Warburg zurückzufordern. 2016 und 2017 traf sich Scholz mit den Eigentümern der Warburg Bank. Ob eine Einflussnahme stattfand, untersucht gerade ein Untersuchungsausschuss in Hamburg. Bei den parlamentarischen Gremien zu dem Thema 2018 im Bundestag erschien Bundesfinanzminister Olaf Scholz trotz ausdrücklicher Einladung nicht.
CDU-Politiker Friedrich Merz hat durch seine Jobs in der Wirtschaft mehrere Berührungspunkte mit Cum-Ex-Geschäften. Der Steuerexperte war schon seit 2010 Mitglied im Verwaltungs- und später Aufsichtsrat der Bank HSBC Trinkaus. Auch diese soll an Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein. Ob er von den Geschäften wusste, ist unklar. Gegen Merz ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft nicht.
Obwohl die Commerzbank schon 2016 ankündigte, proaktiv zur Aufklärung der Cum-Ex-Deals beizutragen, durchsuchte die Staatsanwaltschaft 2017 und 2019 die Geschäftsräume der Bank. Mit einer Klage versuchte die Bank erfolglos, die Gewinne aus Cum-Ex-Deals juristisch zurückzufordern. Der Bund hält seit der Finanzkrise 2008 Anteile von über 15 Prozent an der Bank.
Auch die Deutsche Bank spielt beim Cum-Ex-Skandal eine unrühmliche Rolle. Seit 2004 soll die Bank von dem Steuerbetrug gewusst haben, ohne die deutsche Regierung davor zu warnen. Mehr noch: Die Firma Ballance Capital von Paul Mora und Martin S. war ihr Geschäftspartner. Schon im Jahr 2015 gab es Razzien bei der Deutschen Bank, seitdem wird das Ausmaß der Cum-Ex-Geschäfte, an denen die Bank beteiligt war, immer deutlicher. Rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreditinstituts stehen auf der Beschuldigtenliste der Ermittlenden in Köln.
Nach internen Untersuchungen hat die HypoVereinsbank (HVB) schon 2014 eingeräumt, dass sie drei Jahre lang an Cum-Ex-Geschäften involviert gewesen war. Die Bank hat daraufhin 140 Millionen Euro Steuergelder zurückgezahlt, Bußgelder in Millionenhöhe akzeptiert und ehemalige Vorstände auf Schadensersatz verklagt. Sie beruft sich dabei lediglich auf das Fehlverhalten einzelner Personen. Paul Mora, einer der Cum-Ex-Hauptbeschuldigten, arbeitete für die HVB, genauso wie der britische Aktienhändler Martin S.
Ein Banker der M.M.Warburg wurde als erster Cum-Ex-Beschuldigter 2021 zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Warburg-Gruppe betrieb Cum-Ex-Deals im Eigenhandel: Sie ließ sich so Steuern erstatten. Die Verwicklungen in Cum-Ex-Deals wurden vom Landgericht in Bonn bereits 2020 bestätigt. Der Bundesgerichtshof bestätigte im Juli 2021, dass M.M.Warburg dem Bund 176 Millionen Euro für Cum-Ex-Geschäfte zurückzahlen muss.
Über die Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin wurden Kundinnen und Kunden wie dem Drogerieunternehmer Erwin Müller extrem lukrative Fonds mit einer Rendite bis zu zwölf Prozent angeboten. Ein Geschäft, das langfristig scheiterte: Die misslungenen Aktiendeals sollen bei der Bank einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe verursacht haben. Ein Berater der Bank wurde Ende 2020 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Steuerdelikten angezeigt.
Die US-amerikanische Investmentbank soll laut Insidern und Beschuldigten mit Cum-Ex-Geschäften den deutschen Fiskus geschädigt haben. Anfang der 2000er Jahre war die Bank eine Art Ausbildungsstätte für Steuerhändler. Sanjay Shah, Paul Mora und Martin S. haben bei der Bank ihre Karrieren begonnen. Nach einer Untersuchung des US-Senats wurden allerdings steuergetriebene Aktiengeschäfte in den USA unterbunden. Die Folge: 2008 zog sich Merrill Lynch aus den USA zurück und konzentrierte sich für Cum-Ex-Deals auf Europa.
Nachdem der Wirtschaftsprüfungskonzern KPMG entschlüsselt hatte, wie Cum-Ex-Deals der Hamburger Bank Varengold funktionierten, warnte sie die Bank intern im Jahr 2010 vor den rechtswidrigen Geschäften. Eine offizielle Bilanzprüfung im Jahr 2011 von KPMG enthielt gleichwohl keinen Risikohinweis zu den Cum-Ex-Geschäften der Bank Varengold. Die Prüfer schwiegen nach Auffassung der Ermittelnden auf Druck der Bank. In den entscheidenden Cum-Ex-Jahren übernahm KPMG auch die Wirtschaftsprüfung von der HypoVereinsbank. Als Insolvenzverwalter der britischen Bank MF Global forderte KPMG 2014 vom Bundeszentralamt für Steuern Millionen Euro zurück. Die Rückforderung bezog sich allerdings auf vermeintliche Gewinne durch Cum-Ex-Geschäfte aus dem Jahr 2011, die der Bank noch nachträglich zufließen sollten.
Die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater von Ernst and Young (heute EY) sollen die Maple Bank hinsichtlich der Cum-Ex-Deals falsch beraten haben, so das Kreditinstitut. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einigte sich in einem Vergleich mit der Maple Bank auf eine Zahlung von zwölf Millionen Euro.
Auch eine der größten Wirtschaftskanzleien der Welt soll an den Geschäften beteiligt gewesen sein. Freshfields hat den hessischen Finanzbehörden freiwillig zehn Millionen Euro gezahlt, um ein Strafverfahren als Einziehungsbeteiligte zu vermeiden. Die Kanzlei, die betont, dass die Zahlung kein Schuldeingeständnis sei, soll Banken wie Maple und Investoren zu den Cum-Ex-Geschäften beraten haben.
Der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer sieht sich im Cum-Ex-Skandal als Opfer. Er habe angeblich nichts von dem illegalen Steuerbetrug gewusst. Rund 55 Millionen Euro, die er angelegt hatte, bekam er von der Safra Sarasin Bank zurück.
Die Schauspielerin Veronica Ferres hat zusammen mit Carsten Maschmeyer zwischen 2010 und 2011 in Cum-Ex-Deals investiert.
Der Drogerieunternehmer Erwin Müller investierte rund 50 Millionen Euro in Cum-Ex-Deals zu einer Zeit, als das Betrugssystem in Deutschland bereits im Niedergang war: Müller machte statt der versprochenen Gewinne großen Verlust. Sieben Jahre lang stritt sich der Unternehmer mit der Sarasin Bank darüber, ob die Bank seine Investitionen zurückzahlen müsse. Dann lenkte die Bank ein und zahlte ihm 45 Millionen Euro.
Der Fußballtrainer Mirko Slomka hat, vermittelt durch Carsten Maschmeyer, in einen Cum-Ex-Deal investiert.
Europas größter Fleischfabrikant Clemens Tönnies investierte auch in Cum-Ex-Deals, rund eine Million Euro. Er verklagte die Sarasin Bank wegen Falschberatung und bekam über 900.000 Euro zurückgezahlt.
Der Unternehmer für Sportbekleidung Peter Schöffel hat fünf Millionen Euro in Cum-Ex-Deals investiert. Im Nachhinein bezeichnet er das als „ärgerlichen Fehler“.
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