Deutschlandreise

Tag 6: Berlin: Youtube, die Moslems, das Lachen

von David Ehl

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Berlin fühlt sich immer gleich nach zu Hause an, denke ich. Ich laufe unter schönstem blauen Frühlingshimmel zur nächsten U-Bahn-Station. 34 Minuten bis zum Stadtrand, wo Berlin in Brandenburg ausfranst. Hier bin ich mit Younes Al-Amayra verabredet, der im YouTube-Kanal „Datteltäter“ Satire aus einer muslimischen Perspektive macht.

Er teilt sich das Erdgeschoss eines Einfamilienhauses mit seiner Katze Pamuk, „die ist nicht wirklich so fett, sondern schwanger“. Ich ziehe meine Schuhe aus, Younes macht Kaffee, dann sitzen wir uns in bequemen Ledersofas gegenüber. Genau wie er bin ich ein kleiner Techniknerd, also reden wir erst einmal über seine Spiegelreflexkameras, Fisheye-Objektive, den Quadrocopter auf dem Tisch. Ansonsten fallen in dem großen Raum vor allem die Videoleuchten auf.

Jounes Al-Amayra steht in seinem Zimmer. Darin stehen zwei Leder Couches.

Jounes Al-Amayra hängt gerne in diesem Zimmer ab – wenn die nächste Datteltäter-Produktion ansteht, wird hier gearbeitet.

David Ehl

Hier entstehen also die Videos von Datteltäter, mit denen Younes kein geringeres Ziel verfolgt, als der moderaten Mitte des Islam in Deutschland eine Stimme zu geben. „Auf YouTube findet man doch sonst nur solche Typen wie Pierre Vogel“, sagt er. „Wir sind provokant in unserer Art, auch Muslime auf die Schippe zu nehmen.“

Das Kernteam bei Datteltäter besteht aus vier jungen Berlinern, Younes ist mit 30 der Älteste. Er bezeichnet sich selbst als „Berufsmoslem“, hat Islamwissenschaften studiert, unterrichtet heute die Religion an einer Grundschule. Außerdem versucht er, Jugendliche zu deradikalisieren.

„Der Islam gehört zu Deutschland“, wird Christian Wulff immer wieder zitiert. „Ich glaube, die Feindseligkeit ist größer geworden“, sagt Younes. Er erzählt, dass Datteltäterin Nemi wegen ihres Kopftuchs schon einige Male angemacht wurde.

Jounes schaut auf zwei alte Koffer, berührt einen mit der rechten Hand,

Diese alten Koffer hat Jounes von Verwandten bekommen. Vielleicht werden sie irgendwann als Requisite in einem Datteltäter-Video auftauchen.

In seiner Jugend stürmte Younes für Fortuna Pankow, war schnell, schoss im gelb-schwarzen Trikot viele Tore. Er erinnert sich an ein Spiel, bei dem er einen Ellbogen absichtlich ins Gesicht bekam, und dazu den Spruch „Seit wann dürfen Affen Fußball spielen?“ Er erzählt von Eltern, die vom Spielfeldrand aus „Kameltreiber“ riefen, von einem Spielabbruch wegen eines Messers.

„Es gab keinen, der gesagt hat ‚Digga, ist in Ordnung wie du bist‘“, sagt Younes. Als Kind wollte er nicht im Sommer in die Heimat seiner Eltern, nach Syrien oder in die Palästinensergebiete, um nicht zu braun zu werden.

„Was wird das erst, wenn wir fünf Prozent weniger verdienen?“, fragt Younes. „Wir haben ja jetzt schon einen Rechtsruck in Europa, und Trump geht auf Wählerfang mit Parolen gegen Flüchtlinge und den Islam.“ Er hat Angst, zu das noch führen kann, aber: „Ich habe keinen Bock, mit diesem Kopfkino zu leben.“

Deshalb also Datteltäter. Younes sagt: „Wir sind als Brückenbauer online 24 Stunden abrufbar.“

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