Flüchtlingsunterkunft im Abschiebe-Knast
Eine ungewöhnliche Platzlösung für Flüchtlinge ist derzeit in NRW zu finden. In der Nähe von Büren werden seit einigen Tagen über 145 Neuankömmlinge in einem Waldstück etwa 8 Kilometer außerhalb der nächsten bebauten Siedlung in einem Abschiebegefängnis untergebracht.
Verantwortlich für die skurrile Unterkunftswahl ist die zuständige Bezirksregierung in Detmold. Versorgt werden soll die Einrichtung nach dem Feuerschutz und Hilfeleistungsgesetz (FSHG), einem Notfallgesetz. Demnach müssen sich verschiedene Hilfsorganisationen dort um die Flüchtlinge kümmern.
„In der Notunterkunft sind gerade 150 Flüchtlinge“, sagt Anne Happe von der Caritas im Dekanat Büren. Sie engagiert sich in der Initiative „Büren ist Bunt“. Der Paderborner Landrat Manfred Müller habe auf einer Veranstaltung in Paderborn vor etwa 300 Teilnehmern gesagt, ein Ausbau der Flüchtlingsunterkunft im Knast werde auf 400 bis 600 Plätze geplant. Dazu müsse mindestens eine Mauer des Gefängnisses durchbrochen werden, damit sich die Flüchtlinge freier bewegen könnten. Zelte in der Umgebung des Gefängnisses sollten die dauerhafte Nutzung der Einrichtung ergänzen.
„Hier herrscht momentan totales Chaos“, sagt Frank Gockel, Leiter des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft, „es sind keine Strukturen vorhanden, um die Flüchtlinge angemessen aufzufangen.“ Die Flüchtlinge trauten sich kaum, nach Ausgang zu fragen, und dürften keinen Besuch empfangen. Zudem sei ehrenamtliche Hilfe durch die Besucherregelungen der Haftanstalt nur sehr schwer möglich umzusetzen.
In den letzten Tagen seien die Flüchtlinge auf Wunsch ein paar Mal in das nahe gelegene Büren gefahren, aber nicht zurück gebracht worden, sagte Frank Gockel. Die 8 Kilometer zurück in den die ehemalige Natokaserne hätten sie laufen müssen. Ein Weg von 1,5 Stunden. „Einige haben sich auf dem Rückweg verlaufen“, sagte Gockel weiter.
Die Bezirksregierung Detmold hat am Donnerstag auf eine Anfrage zunächst nicht geantwortet. Wir wollten wissen, wie viele Flüchtlinge seit wann dort untergebracht wurden. Wie groß ist das Einzugsgebiet? Und wie viele Flüchtlinge sollen dort noch untergebracht werden?
Auch in anderen Städten werden Flüchtlingsunterkünfte in der Nähe von Abschiebegefängnissen gebaut. Der Berliner Senat prüft, ob das Gefängnis in Grünau in eine Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden soll. In Eisenhüttenstadt steht das Abschiebegefängnis direkt neben der Unterkunft, beides Teile einer ehemaligen Kaserne. Und im Bayrischen Manching ist ein Abschiebeknast für Balkan-Flüchtlinge gleichzeitig Unterkunft für Flüchtlinge.
Nachtrag 18.9.2015, 13:42 Uhr
Die Bezirksregierung Detmold hat auf unsere Fragen geantwortet. Warum man im Abschiebeknast Flüchtlinge unterbringe? Weil man dort „innerhalb kurzer Zeit“ Menschen habe unterbringen können, sagt eine Sprecherin. Sie betont, die Abschiebeeinrichtung und die Notunterkunft seien „organisatorisch voneinander getrennt“, und, ja, die Unterbringung der Flüchtlinge dort sei eine „Notlösung“. Die nötige Infrastruktur sei aber vorhanden und die medizinische Versorgung gewährleistet — sogar mit einem „Röntgengerät vor Ort“. Zudem betreue das Rote Kreuz die Asylbewerber.
Die Notunterkunft sei am 6. September 2015 in Betrieb genommen worden. Bis zu 150 Flüchtlinge sollen dort untergebracht werden, aktuell sind es 145.
Die Flüchtlinge, so die Sprecherin, könnten Besuch empfangen und jederzeit das Gebäude verlassen.