Bundesregierung wusste um Gefahren
Die Bundesregierung war nach Informationen des Recherchebüros CORRECTIV vor Abschuss des Passagierflugzeuges MH17 über die Gefahren für den zivilen Luftverkehr über der Ostukraine gewarnt. Die Informationen wurden nicht an Fluggesellschaften weitergegeben.
Wie aus den Informationen hervorgeht, wurde der deutsche Botschafter Christof Weil drei Tage vor dem Abschuss zusammen mit anderen Diplomaten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew vom ukrainischen Präsidentenamt darüber informiert, dass die von Russland unterstützten Separatisten Flugabwehrtechniken einsetzen, die den zivilen Flugverkehr bedrohen. Ein Foto, das CORRECTIV vorliegt, zeigt den deutschen Botschafter Weil, wie er sich Notizen anfertigt, während er über die Gefahren informiert wird.
Demnach wurde am gleichen Tag, dem 14. Juli 2014, ein militärisches Transportflugzeug vom Typ AN-26 in 6500 Meter Höhe abgeschossen. Der stellvertretende Chef des ukrainischen Präsidialamtes Valerij Tschalij sagte, die AN-26 sei mit einem modernen System abgeschossen worden, das von Seiten der Separatisten bislang nicht eingesetzt worden wäre. Bislang hatte man geglaubt, die Separatisten würden nur so genannte Manpads einsetzen, die nur Flugzeuge in geringen Höhen gefährden könnten. Zivilflugzeuge könnten sicher darüber hinwegfliegen.
Nach dem Abschuss der AN-26 wurde der Luftraum über der Ostukraine bis 9753 Metern gesperrt.
Dass die ukrainische Warnung begründet war, wurde drei Tage später deutlich, als der Flug MH17 der Malaysia Airlines auf dem Weg von Amsterdam nach Kualar Lumpur über der Ostukraine abgeschossen wurde. 298 Menschen starben darin.
Das Bundeskanzleramt und das Bundesverteidigungsministerium haben bislang gegenüber Parlament und Öffentlichkeit bestritten, von Gefahren gewusst zu haben. In einer schriftlichen Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen schrieb die Regierung: „Die Bundesregierung konnte nicht davon ausgehen, dass der zivile Flugverkehr in der betreffenden Flughöhe Ziel von Angriffen sein würde.“
Die Nato berichtete bereits im Juni von russischen Panzern, welche die Grenze in die Ostukraine überschritten hätten. Nach CORRECTIV-Recherche werden russische Panzer immer von schlagkräftigen Flugabwehrsystemen begleitet, die in der Lage sind, Ziele deutlich über 10.000 Meter zu zerstören. Dieses Wissen war in Deutschland – wie in allen Natostaaten – vorhanden. Schon damals hätte die Bundesregierung vor den Gefahren gewarnt sein können.
Wir haben die Bundesregierung am Dienstag gefragt, wie sie die Informationen bewertet und warum sie den zivilen Luftverkehr nicht gewarnt hat. Wir warten auf Antworten. Sobald sie da sind, pflegen wir sie in diesen Bericht ein.