Fußballdoping

Dopingtests bei der EM 2012 haben Lücken

Die Dopingkontrollen bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine gehört zu den besten im Fußballsystem. Dennoch gibt es große Lücke: Während des Turniers werden nur wenige Spieler kontrolliert. Der Zeitpunkt der Kontrollen ist zu berechenbar.

von Daniel Drepper , Jonathan Sachse

getty-images-editorial-all-299158853-highres-1

Diesen Beitrag habe ich gemeinsam mit meinem befreundeten Kollegen Jonathan Sachse recherchiert und geschrieben. Jonathan bloggt unter jonathansachse.de

Seit Beginn der Trainingslager sind die Dopingkontrolleure der UEFA unterwegs, um die Spieler der Nationalteams zu testen. Bis zum EM-Finale am 1. Juli werden sie knapp 300 Dopingproben eingesammelt haben. Auch die Nationale Anti Doping Agentur war in den vergangenen Wochen schon zwei Mal bei den Trainingscamps der Fußball-Nationalmannschaft.

Fünf Spieler wurden auf Sardinien kontrolliert und sieben Profis in Tourrettes. Wahrscheinlich waren es die letzten Kontrollen von der NADA vor dem Start der Europameisterschaft. Mit dem Start der Trainingslager kann auch die UEFA kontrollieren, 24 Stunden vor Turnierstart wird der Europäische Fußballverband komplett übernehmen. Es lohnt sich, die UEFA-Kontrollen genauer unter die Lupe zu nehmen; sie haben Lücken.

284 Mal nehmen die Kontrolleure bei der EM Blut und Urin. Jede Mannschaft wird mindestens einmal im Training besucht, dabei müssen normalerweise zehn Spieler gleichzeitig Urin und Blut abgeben. Außerdem werden nach jedem der 31 Spiele je zwei Spieler jeder Mannschaft auf Blut und Urin kontrolliert. Es werden, schreibt die UEFA, die neuesten Testmethoden angewendet.

Bei der EM wird bei allen Proben auch Blut genommen. Das ist positiv, für den Fußball fortschrittlich. Damit können Substanzen nachgewiesen werden, die in der Bundesliga – wo es keinen einzigen Bluttest gibt – niemals entdeckt würden. Dazu gehört die Manipulation mit Fremdblut, gewisse Arten von EPO aber auch Wachstumshormon.

Doch wie effektiv sind die EM-Kontrollen wirklich? Besonders erfolgversprechend bei der Jagd auf intelligente Doper sind die Trainingstests. 2008 hat die UEFA all ihre 160 Trainingskontrollen in den Trainingslagern genommen, war damit schon vor dem ersten EM-Spiel mit ihren „Out-of-Competition“ Kontrollen fertig.

Solch vorhersehbare Kontrollen kritisiert Perikles Simon, Dopingforscher und Leiter der Sportmedizin an der Universität Mainz. Vor der letzten Weltmeisterschaft sei die FIFA ähnlich vorgegangen:„Da hat man sich erst in einem Experten-Konsortium zusammengesetzt, um dann den Spielern mitzuteilen, innerhalb dieser Wochen werden wir testen. Dann können sie diese Tests natürlich auch sofort vergessen.“

2008: Nach Eröffnungsspiel keine Trainingskontrolle mehr

Nach dem Eröffnungsspiel hatten die Teams 2008 keine einzige Trainingskontrolle mehr zu fürchten. Weil viele Dopingsubstanzen vom Körper extrem schnell abgebaut werden, hätten die Fußballer in den Tagen zwischen den EM-Spielen entspannt dopen können, ohne erwischt zu werden.

Bei dieser EM will die UEFA genau wie 2008 „etwa 284 Tests“ nehmen. Diesmal will die UEFA auch zwischen den Spielen testen, das kündigt sie zumindest auf unsere Nachfrage hin an (und veröffentlichte es mittlerweile auch in einer Pressemitteilung). Ob das tatsächlich passiert? In den vergangenen Tagen testete die UEFA wie seit Jahren üblich bei den Kontrollen jeweils zehn Spieler pro Team. Bei 16 Teams wäre das Budget nach einer Kontrolle pro Team erfüllt. Entweder die UEFA erhöht doch noch die Zahl ihrer Tests, ändert ihre Kontrollpraxis – oder bereits getestete Mannschaften wie die Deutschen haben bis zum Finale nichts mehr zu fürchten.

So oder so gibt es einen Schwachpunkt bei den Trainingskontrollen des Verbandes. Treffen Dopingkontrolleure in einem Trainingslager ein, haben die Spieler 60 Minuten Zeit, um zu erscheinen. Eine ganze Stunde. Die Mannschaftsleistung sei dafür zuständig, den Spieler im entsprechenden Zeitraum zum Kontrolleur zu bringen, so die UEFA auf Anfrage.

Das wundert Experten wie den Chef des Kölner Dopinglabors, Wilhelm Schänzer. „Die Kontrolleure müssten eigentlich so vorgehen, dass die Athleten keine Zeit haben, sich frei zu bewegen“, sagt Schänzer. Denn: 60 Minuten reichen im Zweifel, um Proben zu verfälschen. Zum Beispiel durch exzessives Trinken oder das Einführen eines Waschmittelkörnchens in die Harnröhre. Letzteres zerstört für die Kontrollen wichtige Strukturen im Urin.

Fragen zu Wettkampfkontrollen
Lücken gibt es auch bei den Wettkampftests. Während der EM-Spiele werden in der 75. Minute zwei Spieler aus jedem Team zur Dopingkontrolle ausgelost Dazu ziehen die Dopingkontrolleure vier weitere Namen, die getestet werden, sollte ein Spieler nicht erscheinen können. Wird ein Spieler ausgewechselt oder fliegt vom Platz, muss die eigene Mannschaftsleitung aufpassen, dass der Spieler nach der Partie bereit steht. Was er zwischendurch in der Kabine macht, scheint niemand zu kontrollieren. So lassen es zumindest die Antworten der UEFA auf unsere verschiedenen Anfragen vermuten. Muss ein Spieler ins Krankenhaus, entfällt für ihn die Kontrolle und der ausgeloste Ersatz muss ran.

Die Kontrollen bei der EM haben Lücken. Trotzdem sind sie die besten, die es derzeit im Fußball gibt. Und genau das ist das größte Problem: Viele Mittel wirken besonders gut in der Vorbereitung auf wichtige Turniere. Gute Kontrollen müssen also im Frühjahr stattfinden, noch vor den Trainingslagern. In der Winterpause, in der Rückrunde, gegen Ende der Saison. Doch die Kontrollen im Ligabetrieb, etwa in der Bundesliga, sind um Längen schlechter. Wie erwähnt gibt es zum Beispiel keine Bluttests. Wer sich im deutschen Fußball mit dem Blutdopingmittel CERA dopt oder mit Wachstumshormon kann nicht erwischt werden. Die Substanzen sind bei den Urinproben von DFB und NADA nicht zu entdecken.

Ein intelligenter Nationalspieler dürfte so kaum beim Dopen erwischt werden.

Am Sonntagabend lief bereits ein Stück im Deutschlandfunk von Jonathan und mir.

In den kommenden Tagen werden wir bei fussballdoping.de eine Analyse der Dopingkontrollen in der Bundesliga nachlegen.

Für ganz Interessierte hat Jonathan die Infos der UEFA bei Scribd hochgeladen.

UEFA-Factsheet zu den Anti-Doping Massnahmen im Rahmen der UEFA EURO 2012

UEFA-Pressemitteilung zu den Dopinkontrollen bei der EM 2008

UEFA-Anti Doping Regulations 2012