Doping is coming home
Systematisches Doping im Mutterland des Fußballs? Die „Sunday Times“ und ARD haben am Sonntag darüber berichtet. Seitdem rollt auf den englischen Sport ein riesiger Dopingskandal zu. Im Zentrum stehen zwei Personen: Ein britischer Arzt, der von seinem Dopingnetzwerk schwärmt. Und ein Fitnesscoach, der Profis in der Premier League betreut.
Ist Dr. Mark Bonar nun ein Aufschneider oder ein systematischer Doping-Arzt? – Diese Frage wird diskutiert, seitdem die „Sunday Times“ und ARD/WDR die Videoaufnahmen aus einem Londoner Behandlungszimmer veröffentlichten. 150 Klienten habe er mit Doping behandelt, sagt darin der Gynäkologe Bonar. Neben Radsportler, Boxern, Tennisspielern gehörten angeblich auch Fußballprofis der englischen Premier League zu seinem Kundenstamm.
In dem verdeckten Video nennt Bonar die Namen der englischen Klubs FC Arsenal, FC Chelsea, Birmingham City und des amtierenden Spitzenreiters Leicester City. In dem gleichen Gespräch soll Bonar auch ausdrücklich Namen von einzelnen Fußballern genannt haben, sagt ARD-Journalist Hajo Seppelt in einem Interview mit spox.com. Weil sich die Dopingvorwürfe bisher jedoch nicht einwandfrei bestätigen liessen, veröffentlichten die Journalisten keine Namen. „Wir werden niemanden anschwärzen, wenn die Beweislage nicht eindeutig ist“, sagt Seppelt.
Wie eindeutig sind die vorliegenden Ergebnisse?
Als Quelle wurde das Interview mit dem Arzt Bonar gezeigt, der in einem von der Recherche unabhängigen Verfahren vor wenigen Tagen seine Approbation verloren haben soll. Außerdem wurde der britische Fitnesscoach Rob Brinded befragt. Bonar hatte den in Spanien lebenden Brinded als seinen Geschäftspartner bezeichnet. Sie hätten „bei vielen Klienten zusammengearbeitet“ und seien „ein großartiges Team“.
Auch Brinded wurde verdeckt gefilmt. In den vesteckten Aufnahmen sagt er: „Um die unethischen Dinge kümmert sich Mr Bonar.“ Er habe jedoch erst kürzlich einen Spieler eines Spitzenklubs für eine Testosteronbehandlung an Bonar empfohlen. Während seiner Zeit beim FC Chelsea (2001-2007) hätten eine Zahl von Spielern verbotene Substanzen genommen.
Später wollte der Fitnesscoach laut der ARD von seinen Aussagen nichts mehr wissen. Er kenne Bonar überhaupt nicht. Sein Anwalt ließ ausrichten, es müsse sich um ein „Missverständnis“ handeln.
Gegen diese Behauptung spricht auch ein Tweet, den Rob Brinded im Januar 2015 veröffentlicht hat. Er bedankt sich für ein Geschenk von der Firma OMNIYA, wo Bonar seine Praxisräume angemietet hatte.
Sicher ist: Brinded betreut Fußballer aus der Premier League. Über Social Media lässt sich so mancher Kontakt Brindeds zu englischen Profifußballern nachvollziehen. Dem deutschen Robert Huth, Verteidiger beim Tabellenführer Leicester City, prostete er Weihnachten 2013 mit einem „Krombacher“ zu.
Auf Instagram postete er vor elf Wochen einen Arm, der an einer Fusion hängt mit dem Hashtag „#Vitamfusion.“ Dieses Bild gefiel dem ehemaligen Profil Mikael Forssell (u.a. Chelsea). Mit ihm stand Brinded schon 2014 in Kontakt, als er Forssell riet, das Training zu vergessen und mit ihm am Pool zu chillen.
Auf Brindeds Website schwärmte der isländische Nationalspieler Eidur Gudjohnsen (FC Chelsea 2000-2006): „Rob got me in the best shape of my life. I hope we will continue to work together.“ – Bewiesen ist damit nur eine enge Anbindung Brindeds an die Premier League. Doping selbstverständlich nicht.
Ein direkter Dopingbezug lässt sich nur zu dem Arzt Bonar herstellen, der in den Undercover-Aufnahmen verschiedene verbotene Methoden aufzählt. Das verschriebene Testosterongel, das freierhältliche Wachstumshormon Genotropin und das EPO-Mittel Aranesp stehen auf der schwarzen Liste der WADA. Sie sind im Wettkampf und auch in Trainingsphasen strengstens verboten. Hinweise zu EPO-Missbrauch gab es auch im deutschen Fußball.
Mit den verbotenen Dopingmitteln konfrontiert, äußerte Bonar, dass es sich allein um medizinisch notwendige Behandlungen gehalten habe. Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA), war sich hingegen sicher: „Es ist erschreckend zu sehen, dass ein Arzt völlig skrupellos Medikamente an Patienten zum Zwecke des Dopings verschreibt und dabei gesundheitliche Risiken der Sportler billigend in Kauf nimmt.“
Haben Anti-Dopingbehörden wichtige Hinweise nicht verfolgt?
Die britische Anti-Doping-Behörde UKAD steht seit der Bekanntgabe unter großer Kritik. Sie ist dem früheren Hinweis des jetzigen Whistleblowers nur unzureichend nachgegangen. Es habe keine ausreichende Beweislast gegen Dr. Bonar gegeben, verteidigt sich die UKAD.
Die geschilderten Vorgänge werfen auch ein schlechtes Licht auf die Dopingkontrollsystem. Schon vor einigen Jahren hatten wir kritisiert, dass ein Profifußballer im Durchschnitt nur alle drei Jahre kontrolliert werden würde – Nationalspieler ausgenommen.
Derzeit sprechen wir vom Recherchezentrum correctiv.org mit vielen ehemaligen und aktuellen Fußballern. Sie zeichnen ein anderes Bild als die Aussagen einiger Personen, die in der Öffentlichkeit immer wieder beteuern, Doping im Fußball gebe es nicht.
Umso entscheidender sind deshalb weitere Aussagen und Hinweise von Personen aus dem Inneren des Systems. Nur so kann ein mögliches Dopingsystem im europäischen Fußball aufgeklärt werden.
Wir freuen uns über jeden Hinweis. Hier können Sie uns erreichen:
Post: Correctiv, z. Hd. Daniel Drepper, Singerstr. 109, 10179 Berlin
Jonathan Sachse: jonathan.sachse@CORRECTIV oder +49 151 28596609
Daniel Drepper: daniel.drepper@CORRECTIV oder +49 151 40795370
Tobias Ahrens: tobias.ahrens.fm@CORRECTIV oder +49 151 64418543
Mitarbeit: Jonathan Sachse