Die Bundesagentur für Arbeit gibt zu, nichts gegen dubiose Pflegekräfte-Vermittler unternehmen zu können
Nach der Veröffentlichung unserer Recherche #NursesForSale über die Ausbeutung ausländischer Pflegekräfte sagt die Bundesagentur für Arbeit (BA), dass sie mangels Kompetenzen nichts gegen Arbeitgeber tun könne, die Knebelverträge bei der Anwerbung von ausländischen Pflegekräfte nutzen. Dazu fehle der politische Wille, kritisiert die Arbeitsagentur.
Die CORRECTIV-Recherche über die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte durch Vermittler, die Fachkräfte als bloße Ware behandeln, hat die Frage aufgeworfen, wie Behörden und die Politik damit umgehen. Die Bundesagentur für Arbeit stellt klar, dass ihre Hände gebunden seien, solange es keinen gesetzlichen Rahmen gibt, der es ihnen erlaubt, etwas gegen ausbeuterische Verträge zu tun.
Die Liberalisierung des Arbeitsvermittlungsgeschäftes in den 1990er Jahren hat die Maßstäbe verändert: Seitdem kann jeder eine Vermittlungsfirma eröffnen und ausländische Fachkräfte im Ausland rekrutieren. Für die medizinischen Berufe gibt es lediglich eine einzige Beschränkung: Man darf nicht in den Ländern rekrutieren, die auf der WHO-Liste der Krisenländer stehen.
Unmut bei der Arbeitsagentur
Gegen Knebelverträge kann die Bundesagentur für Arbeit (BA) nichts machen, sagt eine Pressesprecherin in einer schriftlichen Antwort an CORRECTIV: „In Deutschland herrscht grundsätzlich Vertragsfreiheit“. Deswegen dürfe sich die Agentur gar nicht in privatrechtliche Vereinbarungen einmischen, sofern keine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit vorliege. Die Agentur wird auf jeden Fall Arbeitgeber „sensibilisieren und von der Anwendung potenziell unverhältnismäßiger Klauseln klar und unmissverständlich abraten“.
Das ist die offizielle Stellungnahme.
Bei der Bundesagentur spürt man dennoch Unzufriedenheit, wenn man über das Thema unter vier Augen spricht. Die Liberalisierung des Arbeitsvermittlungsgeschäftes sei eine ganz bewusste Entscheidung der Politik gewesen und die Verwaltung halte sich natürlich an die Entscheidung der Politik, sagen CORRECTIV-Quellen aus Kreisen der staatlichen Agentur.
Was nicht unbedingt heißt, dass man die Einschätzung der Politik teilt. Die Rekrutierung von Fachkräften im Ausland sei ein verdammt hartes Geschäft, erklären die Quellen unverblümt. Und trotzdem gäbe es diese Sicht, dass auch private Unternehmer gut sein können, dass sie schneller und effektiver seien als eine staatliche Institution. Die BA habe gegenüber der Politik klargemacht, dass sie, im Gegensatz zu privaten Unternehmern, Qualitätsstandards garantieren könne.
Die Bundesregierung hat im Oktober 2019 ein Qualitätssiegel angekündigt, um private Firmen zu zertifizieren, als Teil der sogenannten Konzertierten Aktion Pflege. Das Bundesministerium für Gesundheit sagt auf Anfrage, dass derzeit ein Gütesiegel und ein dazugehöriger Zertifizierungsprozess entwickelt werden. „Da es sich um einen laufenden Prozess handelt, kann derzeit kein exakter Zeitpunkt zur Einführung benannt werden“, schreibt der Pressesprecher. Auf jeden Fall können die Firmen freiwillig entscheiden, ob sie an der Zertifizierung teilnehmen wollen oder nicht.
Das Problem ist aber, dass die Bundesagentur für Arbeit kein Mandat für die Regulierung privater Arbeitsvermittlungsfirmen hat. Das heißt: Ohne einen gesetzlichen Rahmen wären den Arbeitsbehörden die Hände gebunden – das könnten nur die Gesetzgeber schaffen, betonen die Quellen bei der BA. Aber die Prioritäten der Politik scheinen woanders zu liegen.
Jens Spahn und eine überforderte Anerkennungs-Agentur
Letztes Jahr im Sommer ist Gesundheitsminister Jens Spahn auf den Balkan und im Herbst nach Mexiko gefahren. Kurz nach dieser Tour wurde die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) gegründet: Eine neue Agentur, die sich um den Papierkram für die Anerkennung der Ausbildung der ausländischen Pflegekräfte kümmern sollte. Unsere Quellen in der BA betonen, man wisse aus vielen Jahren, wie mühselig das Geschäft ist, mit dem Spracherwerb oder mit den Anerkennungsprozessen. Ende November antwortete die DeFa auf eine Anfrage von CORRECTIV, dass sie bis dato 28 Fälle „abgeschlossen“ habe.
Das Projekt der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für die Rekrutierung von Pflegekräften im Ausland, das Triple Win Programm, kann sich auch nicht rühmen, besonders gute Zahlen zu haben: Zwischen 2013 und November 2020 reisten über diese Initiative knapp 2.600 Krankenpfleger nach Deutschland ein. 2019 allein beantragten ungefähr 12.000 Pfleger und Pflegerinnen die Anerkennung ihrer ausländischen Ausbildung: der erste Schritt, um in Deutschland arbeiten zu dürfen. Die Quellen aus Kreisen der BA geben zu, sie hätten sich gewünscht, mehr Fachkräfte rekrutiert zu haben. Sie würden gerne mehr anwerben, allerdings nicht zulasten der Beratungsqualität im Rekrutierungsprozess.
Es bestand auch bis vor kurzem ein rechtliches Problem. Triple Win habe sich in den vergangenen Jahren in einer rechtlichen Grauzone bewegt, bis es das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz gab. Erst seit März diesen Jahres gibt es das Gesetz und damit, so sagen es die BA-Quellen, die Möglichkeit, in einem rechtlich klaren Rahmen auch in Drittstaaten zu rekrutieren. Jetzt überlege die Bundesagentur, wie Strukturen und Netzwerke aufgebaut werden können, um die Größenordnung des Programms zu steigern. Triple Win besteht seit acht Jahren.
Aus Kreisen der BA wünscht sich man schließlich, dass die Politik der Agentur Raum ließe, um arbeiten zu können: Wenn private Dienstleister vor Ort die verschiedensten Dinge erzählten, die Partner und Bewerber verunsichern, dann trüge das nicht dazu bei, eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickeln zu können.