Ex-Mitarbeiter der Deutschen Bank wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagt
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt erhebt Anklage gegen einen früheren Mitarbeiter der Deutschen Bank. Der Vorwurf: „schwere Steuerhinterziehung“. Mit Umsatzsteuerkarusellen soll Hector F. den Steuerraub in Höhe von 145 Millionen Euro ermöglicht haben.
Hector F. schwärmt im Arnold-Schwarzenegger-Englisch von seinem neuen Job: „Du fühlst dich im Zentrum des Wissens, insbesondere wenn es um Lebensmittel als Rohstoff geht“, sagt der 48-Jährige in einem Imagefilm seines Schweizer Arbeitgebers, einer Investmentfirma, die weltweit den Lebensmittelmarkt im Visier hat.
Der breitschultrige Österreicher mit Vorlieben für teure Uhren stand auch bei seinem vorherigen Arbeitgeber im Zentrum. In der Londoner Niederlassung der Deutschen Bank war er jahrelang Leiter des Vertriebs für umweltbezogene Finanzprodukte und zockte mit Emissionsrechten.
Diese speziellen Handelsgeschäfte bringen Hector F. acht Jahre nach seinem Ausstieg bei der Deutschen Bank nun ins Zentrum des Interesses der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft. Sie wirft ihm „schwere Steuerhinterziehung“ vor. Als Mitglied einer internationalen Bande soll Hector F. mit dem Handel von CO2-Emissionszertifikaten den deutschen Fiskus um rund 145 Millionen Euro Umsatzsteuer betrogen haben.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt gegenüber CORRECTIV: Der Österreicher sei „einer der zentralen Personen für die Vorbereitung und Durchführung von Handelsgeschäften mit CO2-Emissionszertifikaten” gewesen, „die im Rahmen des Umsatzsteuerkarussells gehandelt“ wurden. Den Namen des Beschuldigten wie auch des Kreditinstitutes wollte die Staatsanwaltschaft nicht nennen. Auf Anfragen von CORRECTIV reagierte Hector F. nicht.
Über den Milliardenbetrug mit sogenannten Umsatzsteuerkarussellen haben unter der Leitung von CORRECTIV 35 Redaktionen aus 30 europäischen Ländern im Mai berichtet. Durch betrügerische Steuerkarusselle verliert allein Deutschland Jahr für Jahr zwischen fünf und 14 Milliarden Euro. EU-weit beträgt der jährliche Schaden 50 Milliarden Euro. Nach der europaweiten Veröffentlichungen unter dem Titel „Grand Theft Europe“ schrieb EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici an die Mitgliedstaaten: „Die Bürger werden nicht akzeptieren, dass die EU nichts gegen Kriminelle unternimmt, die die Schwächen des Mehrwertsteuersystems ausnutzen um daraus enorm zu profitieren – während die ehrlichen Steuerzahler dafür die Kosten tragen.“
Neben Hector F. waren innerhalb der Deutschen Bank mehrere Mitarbeiter in die Betrugsmasche mit Steuerkarusellen verwickelt. Vor fünf Jahren wurden deswegen sieben Bankern der Prozess gemacht. Das Landgericht Frankfurt verurteilte einen der ehemaligen Deutsche Bank Mitarbeiter zu dreieinhalb Jahren Gefängnis, die anderen kamen mit einer Bewährungsstrafe davon.
Jetzt knöpft sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Hector F. denjenigen vor, der nach ihren Erkenntnissen beim Steuerraub die „hervorgehobene Position innerhalb der Bank“ inne hatte. Selbst als in der Deutschen Bank Zweifel über die Rechtmässigkeit dieser Handelsgeschäfte mit Emissionszertifikaten aufkam, habe Hector F. seine Stellung als Abteilungsleiter in der Londoner Niederlassung der genutzt, um die „Zweifel herunterzuspielen“. Auf diese Weise habe er, so die Staatsanwaltschaft, „die Fortsetzung der lukrativen Handelsgeschäfte bewirkt“ und den geplanten Handelsstopp durch vorgetäuschte Daten verhindert.
Nach der Intervention der britischen Steuerfahndung waren ab 2010 diese Geschäfte in der Londoner Niederlassung der Deutschen Bank nicht mehr möglich. Hector F. verlagerte daraufhin die Geschäfte einfach nach Frankfurt. Dort funktionierten diese schmutzigen Deals zumindest noch ein paar Monate, bis auch die Zentrale in Frankfurt sie stoppte.
Mit Emissionshandel stahlen Kriminelle allein in den Jahren 2009 und 2010 europaweit über 800 Millionen Euro aus den Steuerkassen. Ganze vorne mit dabei: Hector F. und die Deutsche Bank. Sie kauften von dubiosen Firmen die Emissionszertifikate unter Börsenpreis und verkauften sie wieder ins EU-Ausland, um sich so die Mehrwertsteuer erstatten zu lassen.
Bereits damals 2010 durchsuchten die Ermittler im Zuge der „Operation Odin” auch den Arbeitsplatz von Hector F. Auf seinem Schreibtisch lagen Visitenkarten von notorischen Karussellbetrügern. Während seine Kollegen angeklagt und später verurteilt wurden, kam Hector F. davon. 2011 verließ er die Deutsche Bank und heuerte zunächst bei der UBS in Zürich an. Im August 2018 stieg er schließlich bei der Schweizer Investmentfirma mit dem Schwerpunkt Lebensmittelmarkt ein.
Die späte Anklage der Generalstaatsanwaltschaft dürfte Hector F. überrascht haben. In wenigen Monaten wären die Vorwürfe verjährt.