Europa

Lobby-Budget verdoppelt: Trumps evangelikale Unterstützer nehmen EU ins Visier

Seit dem Amtsantritt von Trump in den USA gewinnen evangelikale Hardliner an Macht – allen voran die Alliance Defending Freedom. Mit immer größeren Geldsummen treibt die rechts-religiöse Gruppe auch in der EU das Rollback voran.

von Gabriela Keller

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Die Alliance Defending Freedom agiert vor allem als christliches Anwaltsnetzwerk, ihre Ziele setzt sie mit juristischen Mitteln durch – oder mit politischer Lobbyarbeit. Foto: jametlene-reskp-j93RfbkK0P4 / unsplash.com

Mit einem drastisch gestiegenen Lobby-Budget versucht eine millionenschwere, rechts-religiöse Organisation aus der Nähe von US-Präsident Donald Trump, ihre Agenda in Europa durchzusetzen: Die Alliance Defending Freedom (ADF) zählt in den USA zu den mächtigsten evangelikalen Gruppen und kämpft weltweit gegen Abtreibungen, gleichgeschlechtliche Ehen und andere Rechte von Homosexuellen und Trans-Menschen.

In der Europäischen Union hat sie ihr Budget zuletzt verdoppelt, wie aus dem Transparenzregister der EU hervorgeht: Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 gab das Brüsseler Büro der ADF über 1,1 Millionen Euro für Lobby-Aktivitäten aus – im Vergleich zu 650.000 im Vorjahr. Zuvor bewegten sich ihre Ausgaben meist knapp unter 600.000 Euro.

Auf CORRECTIV-Anfrage nach ihren Zielen teilt die Organisation mit, sie widme sich dem „Schutz der Menschenrechte auf Religionsfreiheit und der Redefreiheit“.

Trumps Wahlsieg beflügelt die autoritäre Rechte

Politische Beobachter aber vermuten eine klare Strategie: „Sie visieren neue Möglichkeiten in Brüssel an“, sagt Kenneth Haar, Experte für Finanzen und soziale Gerechtigkeit bei der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory in Brüssel. „Das ist etwas, was wir regelmäßig bei Lobbyorganisationen beobachten: Wenn sie glauben, dass die politischen Umstände für sie günstig sind, stocken sie ihre Budgets auf.“

Seit dem Wahlsieg Trumps im November 2024 hat die Organisation ihren Einfluss in den USA weiter deutlich ausgebaut. Wie CORRECTIV mehrfach berichtete, arbeiten Organisationen und Akteure aus dem MAGA-Lager systematisch am Export ihrer politischen Ziele in Richtung Europa – und die autoritäre Rechte in aller Welt fühlt sich im Aufwind.

Von ihrem Lobby-Budget in Europa finanziert „ADF International“ Konferenzen, Briefings und Kampagnen, vorgeblich zu Themen wie „Religionsfreiheit“ und „Menschenwürde“, das geht aus dem Transparenzregister der EU hervor. Fragt man bei der Pressestelle der Organisation nach, wofür das Geld verwendet wird, bleibt die Antwort unkonkret: Sie setze sich in ihren Büros in Europa, so auch in Brüssel, dafür ein, „europäische Werte zu vertreten“, teilt die ADF-Pressestelle CORRECTIV mit.

Ein christliches Anwaltsnetzwerk, das seine Ziele juristisch durchsetzt

Die Organisation stehe „in voller Übereinstimmung mit den Rechten, Freiheiten und Grundsätzen, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt sind.“ Als Gründe für das rapide gewachsene Budget nennt „ADF International“ unter anderem „Einnahmen zur Abdeckung eines Verlustes aus dem vorherigen Berichtszeitraum“, eine Aufstockung des Personals sowie steigende Instandhaltungskosten und Inflation.

Im Kern agiert die ADF vor allem als ein christliches Anwaltsnetzwerk und setzt ihre ultrakonservativen Ziele juristisch durch, indem sie über Gerichtsverfahren Präzedenzfälle erzeugt und so die Rechtslage in ihrem Sinne ändert.

Ihr größter Erfolg bisher: das Aus von Roe vs. Wade, also dem landesweiten Grundrecht auf Abtreibungen in den USA. Wie CORRECTIV vor etwa einem Jahr berichtete, steigen die Ausgaben der ADF in Europa seit Jahren rapide an – die neuen Zahlen zeigen, dass die Entwicklung sich weiter zuspitzt.

„Kalt erwischt“ – das überraschende Aus der Anti-Diskriminierungsrichtlinie

Die ADF pflegt enge Verbindungen zur Trump-Regierung; die Organisation gab bekannt, beim Rückbau der Rechte für Trans-Menschen mit Trump zusammenarbeiten zu wollen. Und Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses, war früher ihr Sprecher. „ADF International“ teilt hierzu mit, sie sei eine „überparteiliche“ Organisation und nicht mit bestimmten Parteien oder Politikern verbunden.

Auch in Europa treibt sie ihre Ziele voran: Vor wenigen Tagen behauptete der Ableger „ADF international“ in einem Newsletter, sie stehe als treibende Kraft hinter dem Aus der europäischen Anti-Diskriminierungs-Richtlinie, die Benachteiligung auf Grundlage von Religion, Alter, sexueller Orientierung oder einer Behinderung verhindern sollte. Zur Überraschung vieler hatte die EU-Kommission das Vorhaben im Februar gestrichen. Die Begründung: ​​„Keine absehbare Einigung – der Vorschlag ist blockiert und weiterer Kompromiss unwahrscheinlich.“

 „Das hat uns alle kalt erwischt“, sagt die Grüne EU-Abgeordnete Katrin Langensiepen. „Es ist nun vom Tisch, und es wird alle zukünftigen Initiativen zu Diversität und Inklusion schwächen.“ Tatsächlich hing die Richtlinie seit mehr als 15 Jahren fest, mehrere Länder stemmten sich dagegen, etwa Italien und Tschechien. Vor allem aber war es der Widerstand aus Deutschland, der die Richtlinie aufhielt. Zuletzt stand die FDP auf der Bremse.

ADF International brüstet sich mit Erfolg ihrer Lobbyarbeit in Europa

 „Ich glaube, wenn Deutschland sich bewegt hätte, als größter Mitgliedsstaat, dann wäre das ein Signal gewesen“, sagt die EU-Abgeordnete Gabriele Bischoff (SPD), „aber diese Themen haben im Moment leider keine Konjunktur mehr.“ In den vergangenen Monaten ist die EU deutlich nach rechts gerückt. Gerade mit Blick auf die USA reagierten progressive Kräfte bestürzt auf das Aus der Richtlinie.

Der Luxemburger Sozialdemokrat Marc Angel schrieb in einem Kommentar von „Trumpismus in Europa“. Denn kurze Zeit zuvor gab Präsident Trump in den USA die Streichung aller Gleichstellungs-Programme bekannt.

In ihrem Newsletter brüstet sich die „ADF International“ mit dem Scheitern der Initiative: Es handele sich um einen „Schlüssel-Meilenstein“ ihrer Bemühungen. Schließlich, schreibt sie, hätte die Richtlinie christliche Floristen, Fotografen oder Konditoren zwingen können, an „Events“ mitzuwirken, die ihrem Glauben widersprechen. Offenbar sind gleichgeschlechtlichen Hochzeiten gemeint. Dagegen habe „ADF international“ gekämpft, sei mit „Regierungsvertretern“ in Kontakt getreten und habe mit einer „breit gefächerten Informationskampagne“ das „Bewusstsein geschärft“. Dies habe zum „Erfolg“ geführt.

Ob die Behauptungen zutreffen, lässt sich nicht prüfen – sie zeugen von einem Gefühl der Stärke. Mit welchen Regierungen „ADF International“ in Kontakt stand, beantwortet sie nicht. Auf Nachfrage schreibt sie, die Richtlinie hätte eine Gefahr für die „Kernfreiheiten von Menschen und Unternehmen“ in der EU bedeutet und „ein paar geschützte Gruppen auf Kosten der Freiheit aller anderen Bürger“ privilegiert.