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Das Heartland Institute: Wie US-Klimaleugner Politik in Europa machen

Der Kampf gegen den Klimaschutz steht bei ihm ganz oben auf dem Programm: Mit Millionenförderung aus der US-Industrie liefert das Heartland Institute pseudo-wissenschaftliche Expertise und beeinflusst damit die Politik und die öffentliche Meinung. Auch in Europa.

von Annika Joeres , Susanne Götze

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In den USA regiert schon heute ein Klimaleugner: Präsident Donald Trump hält den menschengemachten Klimawandel nicht nur für einen „Hoax“, eine Finte, sondern er steigt auch offiziell aus dem 2015 beschlossenen Pariser Klimaabkommen aus. Dass der US-Präsident so vehement gegen den Klimaschutz kämpft, ist auch auf das Klimaleugner-Institut Heartland zurückzuführen: „Neun Tage nach Trumps Wahl bekamen wir einen Anruf vom Weißen Haus, um die Position des Präsidenten in der Klimapolitik zu unterstützen“, erzählt Jay Lehr stolz in einem Interview. Er ist der wissenschaftliche Direktor des marktradikalen Heartland Institute und bekam erst vor wenigen Monaten den „Climate Truth Award“ von seinem Arbeitgeber verliehen. Lehr streut bereits seit 26 Jahren beim Heartland Institute Zweifel am menschengemachten Klimawandel. „Ich habe Präsident Trump eine Power-Point-Präsentation zusammengestellt und bekam wenige Tage später wieder einen Anruf aus dem Weißen Haus. Der Anrufer sagte nur zwei Worte: You won.“

Das Heartland Institute ist einer der einflussreichsten Thinktanks in der Szene der Klimawandelleugner. Es kämpft in den USA und nun auch in Europa gegen Klimaschutz. Das US-amerikanische Institut ist immer dabei, wenn die öffentliche Meinung im Sinne der Industrie gedreht werden soll: Heartland kämpfte früher beispielsweise für die Zigarettenindustrie. Zusammen mit der Tabakfirma Philip Morris fabrizierte es Kampagnen gegen die eindeutige medizinische Erkenntnis, dass Rauchen krebserregend ist. Auch wenn das Institut diesen Kampf am Ende verlor, hat es doch mit seiner Propaganda strenge Gesetze zum Schutz von Nichtrauchern um Jahrzehnte hinausgezögert. 

PR statt Wissenschaft

Heute verwendet das Institut seine Energie vornehmlich darauf, Zweifel am menschengemachten Klimawandel zu säen. Also dort Zweifel zu schüren, wo wissenschaftlicher Konsens herrscht. Zu wichtigen aktuellen Klima-Nachrichten publiziert Heartland seine Kontermeinung: Als Anfang Januar die NASA berichtete, 2019 sei das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen seit 140 Jahren, verkündete Heartland das Gegenteil. In den USA, schreiben die selbsternannten „Klimaexperten“ des Instituts, ginge die Temperatur insgesamt nach unten.

Bei der Verbreitung dieser Fake-News helfen gute Kontakte: Nach eigenen Aussagen hat Heartland allein 2017 gewählte Politikerinnen und Politiker eine Million Mal kontaktiert. Für die PR-Aktionen braucht es viel Geld. Bei Heartland kommt es zumindest zum Teil von der fossilen Industrie, wie zahlreiche Leaks offenlegen. Öl- und Gaskonzerne setzen auf Kampagnen von Heartland, um wirksame Klimaschutzgesetze zu verhindern, um ihr Geschäftsmodell zu retten. 

Die Geldgeber

Die Verbindungen zu Industrie und Energiekonzernen von Heartland sind evident: Nach unseren Recherchen bei der amerikanischen Steuerbehörde IRS nahm das Heartland Institute 2015 rund 4,6 Millionen Dollar ein, im Jahr 2016 waren es schon 5,5 Millionen Dollar und 2017 schließlich 5,9 Millionen Dollar. Für 2018 liegen noch keine Zahlen vor – sehr wahrscheinlich aber sind die Spenden weiter gestiegen. Das legen Zahlen des Donors Trust nahe, ein amerikanischer, rechts-konservativer Fonds, der Spenden einnimmt und sie an bestimmte Organisationen weiter leitet. So bleibt der Spender anonym. Der Donors Trust hat 2018 rund drei Millionen Dollar an Heartland überwiesen, ein Jahr zuvor waren es nur 1,7 Millionen Dollar. 

Ein Teil des Geldes kam von der Mercer Family Foundation, die wiederum für den Wahlkampf von Trump spendete. Mehrere Leaks beweisen zudem, dass Heartland sowohl von Exxon Mobil als auch von den Stiftungen der Charles Koch Brothers finanziert wurde. 

Die „Koch Brothers“ sind eine Industriellenfamilie, die mit klimaschädlichen Produkten groß und milliardenschwer wurde. Sie produziert Erdöl, Erdgas, Kohle und Plastik. Der 1940 gegründete Mischkonzern zählt heute laut einer Studie der Universität von Massachusetts zu den größten „Verschmutzern“ der USA. Seit 1980 unterstützen die konzerneigenen Stiftungen, die Koch Family Foundations, konservative und neoliberale Think-Tanks, Lobbyisten und Parteien wie die Tea Party mit über hundert Millionen Dollar. 

Mit dem Geld von klimaschädlichen Konzernen organisiert Heartland regelmäßige Konferenzen und baut seine eigenen „Experten“ auf. Dadurch entstanden auch sogenannte „alternative“ Klimaberichte des NIPCC (Non-governmental international panel on climate change – in Anlehnung an den Weltklimarat IPCC). Dessen Publikationen wie „Climate Change Reconsidered“ sind hunderte Seiten stark und versammeln unzählige angeblich wissenschaftlich überprüfte (peer-reviewte) Beiträge. NIPCC-Chefautor Fred Singer ist ein Star der US-Klimawandelleugner – mittlerweile ist er ein Rentner von 94 Jahren. Auch er ist enger Berater von Konzernen wie Exxon gewesen, arbeitete für Think-Tanks wie Heritage Foundation oder das Cato-Institut und bezog monatlich Geld vom Heartland Institute. Sein eigenes Institut SEPP (Science & Environmental Policy Project) gründete er schon 1990. Ziel von SEPP war es, den Tabakgenuss als unbedenklich darzustellen und seine gesundheitlichen Risiken zu verschleiern. Später spezialisierte sich SEPP ebenfalls auf Klimawandelleugnung und bekam direkte Spenden von Exxon, wie die Exxon-Leaks offenlegen. In seinen Newslettern promotet SEPP wiederum den deutschen Leugner-Verein EIKE, den kleinen Bruder von Heartland. 

Heartlands ehemaliger Vorsitzender Tim Huelskamp, den CORRECTIV noch 2018 auf der Konferenz in New Orleans interviewen konnte, erhielt während seines Wahlkampfs als republikanischer Kongresskandidat ebenfalls fünfstellige Summen von fossilen Interessenverbänden wie den Koch Brothers. Damals sagte er in die Kamera: „Wir arbeiten mit allen Gruppen weltweit zusammen, die für freie Märkte sind.“

Heartland organisiert zudem jährliche „Klima“-Konferenzen wie 2018 im Hilton-Riverside-Hotel – ausgerechnet im von Überschwemmungen bedrohten New Orleans – und im vergangenen Jahr im International Trump Hotel in Washington, in Fußweite zum Weißen Haus.  

Die Verbindungen zur Politik

Die Heartland-Losungen schaffen es in offizielle Papiere. So steht in einem Bericht des Wissenschafts-Komitees des US-Kongresses: Die Umweltorganisationen seien nur „nützliche Idioten“ für die Interessen der Russen, ihre hohen Gas- und Ölpreise in Europa zu erhalten und die US-Konkurrenz auszustechen, heißt es dort in der martialischen Sprache des Kalten Krieges. Initiator des Berichtes ist der ultrarechte Republikaner Lamar S. Smith – einer der aktivsten Klimawandel-Leugner im US-Repräsentantenhaus und langjähriger Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses. Auch er sprach bereits auf den von Heartland organisierten Klimakonferenzen und verteidigte Heartland sogar öffentlich. Der Senator lässt sich zudem regelmäßig von Öl- und Gasfirmen bezahlen, insgesamt waren es bis 2018 laut der Plattform „Opensecrets“ 62.000 Dollar – unter den Spendern firmieren wieder die Koch Brothers. 

Heartland pflegt jedoch nicht nur seine Kontakte in der Politik – so sind die Vorsitzenden des Institutes stets ehemalige Abgeordnete – sondern versucht auch seine „Fakescience“ in Schulen loszuwerden: 2017 verschickte das Institut über 200.000 Pakete mit „Bildungsmaterial“ an Schulen mit dem Ziel, das Heartland-Material in die Hand „jedes Lehrers des Landes“ zu geben. Darunter waren auch DVDs mit Titeln wie „Warum die Wissenschaft sich beim Klimawandel nicht einig ist“. 

Doch Heartland beschränkt sich nicht auf die USA: Neuerdings wollen die marktradikalen Klimaleugner auch in Europa Einfluss nehmen. Seit ein paar Jahren gibt es eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem deutschen Klimaleugner-Verein EIKE, der seinen Sitz offiziell in Jena hat: Deutsche und US-Amerikaner organisieren gemeinsam die Konter-Konferenzen zu den jährlichen UN-Klimagipfeln und laden sich gegenseitig auf ihre eigenen „Klima”-Konferenzen ein.

Zudem streckt Heartland mittlerweile auch seine Fühler zu den – lange Zeit bekämpften – Gewerkschaften aus: Vor rund einem Jahr schlossen die polnische Gewerkschaft Solidarnosc und der US-Thinktank einen Kooperationsvertrag. Darin fordern die Unterzeichner „die Wiederherstellung der wissenschaftlichen Methodik und die Eliminierung ideologischer Dogmen der UN“. Der Duktus: Die polnische Gewerkschaft, bekannt für ihren Widerstand gegen das kommunistische Regime, gehe mit den Klimaleugnern erneut in den Widerstand – dieses Mal gegen den „Klima-Alarmismus“. Im Kampf gegen Kommunismus und die UN vereint, treffen sich hier der industrienahe Thinktank und die Arbeitnehmervertretung der polnischen Kohlekumpel.

In diesem Jahr will Heartland weiter seine „Freunde“ von EIKE und Klimaleugner in ganz Europa unterstützen. Für die UN-Klimakonferenz im britischen Glasgow im Dezember 2020 finanziert Heartland wie schon in den Vorjahren eine eigene Klima-Konferenz und will ebenso wiederholt Jahrestreffen der deutschen Klimaleugner bei EIKE sponsern, so Heartlands Klimadirektor James Taylor in einer E-Mail an die Autorinnen. Taylor ist in amerikanischen Medien gern gesehener Gast und darf in dem US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes Kolumnen veröffentlichen. 

Europa scheint das neue Kampfgebiet von Heartland zu sein. „Ich bin sehr optimistisch, dass die Europäer jetzt aufwachen und aufhören, dem Klimawahn zu glauben“, so Taylor in seiner Email.

Susanne Götze und die CORRECTIV-Reporterin Annika Joeres sind auf länderübergreifende Recherchen zu Klimapolitik und Lobbying spezialisiert. Am 6. April erscheint ihr Buch „Die Klimaschmutz-Lobby – Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verbauen“ im Piper Verlag.