Allianz versichert Infrastruktur für Import von russischem Gas
In der Regel bleibt unter Verschluss, welche Firmen fossile Projekte versichern. Bislang unveröffentlichte Dokumente zeigen: Die Allianz versichert aktuell ein belgisches Unternehmen mit, das in Europa Gas-Pipelines und LNG-Terminals betreibt. Über die Terminals gelangt auch russisches Gas nach Europa.
Das Mega-LNG-Terminal Yamal wurde im Norden von Russland unter extremen Bedingungen gebaut – es steht zum Teil auf Eis. Durch dieses Eis müssen die Frachter brechen, die das Gas trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine weiterhin nach Europa transportieren. Von Yamal bringen sie ihre Ladung zum Beispiel zu dem belgischen LNG-Terminal Zeebrugge.
Ohne Versicherungsschutz könnte das LNG-Terminal Zeebrugge kaum von dem belgischen Unternehmen Fluxys betrieben werden. Diesen Schutz liefert unter anderem die deutsche Versicherungsgesellschaft Allianz. Das zeigen Dokumente, die CORRECTIV und die französische Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance erhalten haben. Die Allianz beteiligte sich im Juli 2023 – also über ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine – an einer allgemeinen Unternehmensversicherung gegen „Terrorismus und Politische Gewalt“ für Fluxys. Neben der Allianz versichert auch die französische Versicherung AXA mit. Die beteiligten Versicherungen zahlen also, wenn Anlagen von Fluxys – wie LNG-Terminals oder Pipelines – beispielsweise durch Kriege oder durch Sabotage beschädigt werden.
In der Vergangenheit war die Allianz auch an Projektversicherungen für das LNG-Terminal Zeebrugge und ein weiteres LNG-Terminal von Fluxys, dem französischen Dunkirk, beteiligt. Auf den Dokumenten ist abzulesen, dass die Allianz auch die Erweiterung des Zeebrugge Terminals mitversicherte.
Auf Anfrage von CORRECTIV schreibt die Allianz, dass man sich aus Gründen der Kundenvertraulichkeit nicht zu einzelnen Versicherungsbeziehungen äußern könne. Generell habe sich das Unternehmen aber bereits 2022 aus dem russischen Markt zurückgezogen und Beteiligungen am russischen Versicherungsgeschäft verkauft. Die Allianz versichere keine Unternehmen oder Spezialrisiken in Russland. Das Unternehmen setze im Versicherungsgeschäft „alle Sanktionen, die von der EU oder den USA gegen Russland in Kraft gesetzt worden seien, vollumfänglich um“.
Bislang keine EU-Sanktionen für russisches Gas
Über zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine greifen bislang noch keine EU-weiten Sanktionen für den Export von russischem Gas nach Europa. Insbesondere der Import von flüssigem Erdgas aus Russland in die EU stieg sogar an. Aktuell wird in der EU wohl ein neues Sanktionspaket für russisches Gas diskutiert.
Laut einer Datenanalyse der Nichtregierungsorganisation Urgewald wurde der Gas-Transport vom russischen Yamal nach Zeebrugge und Dunkirk nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht unterbrochen. Von den ukrainischen Behörden wurde Fluxys deshalb im Sommer 2023 auf eine Liste von internationalen Sponsoren des Krieges in der Ukraine gesetzt. Zwischen dem 24. Februar 2022 und März 2024 transportierten 121 Frachter Gas von Yamal nach Zeebrugge und 37 von Yamal nach Dunkirk. So konnten allein von Yamal nach Zeebrugge und Dunkirk in dieser Zeit mehr als 11 Millionen Tonnen Flüssiggas gelangen. Etwas weniger als eine Million Tonnen Flüssiggas kamen vom russischen LNG-Terminal Vysotsk nach Zeebrugge und Dunkirk. Über die belgischen Häfen gelangt das russische Gas zu geringen Anteilen wohl auch immer noch nach Deutschland.
Versicherer haben großen Einfluss auf den fossilen Markt
Für den Betrieb oder Ausbau von fossilen Projekten brauchen Unternehmen Versicherungsschutz. Insbesondere für die Finanzierung ist das wichtig. „Dadurch haben Versicherer einen großen Einfluss auf den fossilen Markt“, sagt Regine Richter von Urgewald gegenüber CORRECTIV. „Würden große Player wie die Allianz Firmen ausschließen, die über ihre Terminals russisches Gas importieren, würde das deren Leben schwerer machen“, sagt Richter.
Die Allianz präsentiert sich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz – doch sie kann ihr grünes Versprechen nicht halten. Zwar bietet die Gesellschaft keine Versicherungen für Kohleprojekte oder neue Öl- und Gasfelder mehr an. Doch fossile Infrastruktur wie LNG-Terminals oder Gas-Pipelines werden von der Allianz weiterhin unterstützt. Schon zuvor hatte CORRECTIV berichtet, dass die Allianz und andere deutsche Versicherer klimaschädliche Gas-Infrastruktur in den USA versichern.
Irreführendes Narrativ: Gas als Brückentechnologie
Erdgas wird häufig als Übergangstechnologie bezeichnet. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass es hauptsächlich aus Methan besteht. Methan ist um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2. Bei der Aufbereitung von Flüssiggas oder bei Lecks an Pipelines entweicht Methan häufig in die Luft.
Text und Recherche: Malina Dittrich, Elena Kolb
Redaktion: Anette Dowideit, Justus von Daniels, Katarina Huth
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Faktencheck: Stella Hesch