Berater bei der Aktienrente: Blackrock
Die Regierung betont, mit der neuen Aktienrente auch ökologisch nachhaltig investieren zu wollen. Doch interne Dokumente, die CORRECTIV exklusiv vorliegen, zeigen, von wem sich das Finanzministerium zur Aktienrente beraten ließ. Darunter ist der amerikanische Anlage-Riese Blackrock – der für Investitionen in klimaschädliche Anlagen bekannt ist.
Viele Menschen überkommt das Grauen, wenn sie über Geldanlage nachdenken müssen. Um die Rente der Zukunft abzusichern, will die Bundesregierung die Sache deshalb nun selbst in die Hand nehmen.
Schon in diesem Jahr sollen die ersten zwölf Milliarden „Generationenkapital“ am Aktienmarkt angelegt werden. Im Laufe der Jahre soll der Betrag auf 200 Milliarden Euro anwachsen. Die Regierung trägt die Verantwortung darüber, wie klima(un)freundlich das Geld im Namen der gesamten Gesellschaft am Kapitalmarkt angelegt wird.
Zukunftsfeindliche Rente?
In den vergangenen Monaten betonte das Finanzministerium immer wieder, dass man bei der Anlage der Aktienrente auch auf Nachhaltigkeit achten wolle: Das Generationenkapital stehe „im Einklang mit den Leitgedanken der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie“, heißt es beispielsweise auf der Website des Finanzminsteriums. Ökologische und ökonomische Aspekte würden berücksichtigt und „in die Anlagestrategie integriert“.
Nach Recherchen von CORRECTIV fällt das Thema ökologische Nachhaltigkeit jedoch immer wieder hinten über. So bleibt einerseits der aktuelle Gesetzesentwurf zur Aktienrente diesbezüglich extrem vage. Außerdem lehnte der Bundesrat einen Passus zur Anlage nach dem 1,5-Grad-Ziel von Paris ab. Nun liegen CORRECTIV exklusiv Dokumente vor, die zeigen, dass auch in allen Vorgesprächen, die das Finanzministerium bis August 2024 zum Thema Aktienrente führte, ökologische Nachhaltigkeit offenbar nicht im Fokus stand.
Blackrock trifft sich zweimal mit Finanzministerium
Staatliche Gelder am Aktienmarkt anlegen – das ist auch für die deutsche Regierung noch ziemliches Neuland. In den Ministerien ist man deshalb auf Beratung von außen angewiesen. CORRECTIV kann nachvollziehen, mit wem sich das Finanzministerium zum Thema Generationenkapital getroffen hat. Neben Versicherungen, Vermögensverwaltern und Banken findet sich darunter auch die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackrock:
25. April 2023
Ein Vertreter des Finanzministeriums: „Zusammen mit Salim Ramji* würde ich gerne mit Ihnen darüber sprechen, wie mit effektiven Indexstrategien nicht nur Kapital aufgebaut werden kann, sondern auch spezifische Bedürfnisse der Altersvorsorge abgedeckt werden können. Die steuerliche Behandlung von Altersvorsorge ist für uns darüber hinaus von großem Interesse“.
*damals laut LinkedIn „Global Head of iShares and Index Investments“ bei Blackrock28. oder 29. September 2023
Blackrock hat zwei Themenwünsche angemeldet:
(1) Herausforderungen im Bereich der Altersvorsorge
(2) …Agenda und Gesprächsziele:
1. Wie wird Deutschland die Herausforderungen im Bereich der Altersvorsorge bewältigen?
-> Darstellung der Reformen in Deutschland.
-> Welche Rolle kann Blackrock dabei spielen?
Welche Rolle wird Blackrock also spielen? Das Finanzministerium hält sich diesbezüglich bedeckt. „Vertrauliche Gespräche könne man nicht kommentieren“, heißt es auf Nachfrage von CORRECTIV von einem Pressesprecher. Die Gespräche mit Blackrock würden „keine Beratung“ darstellen. Zur „Einholung unterschiedlicher Perspektiven“ sei es im Rahmen von Gesetzgebungsprozessen üblich, dass „Gespräche mit vielen Stakeholdern aus unterschiedlichen Bereichen geführt“ würden. Auch „finanzielle Zuwendungen“ würden nicht erfolgen.
KENFO: Atommüll und Rente
Dass die Gespräche zwischen Blackrock und dem Finanzministerium jetzt nicht entlohnt werden, bedeutet nicht, dass die Investmentgesellschaft nicht später bezahlte Aufträge erhält. Denn für die Verwaltung der Aktienrendite sollen externe Vermögensverwalter beauftragt werden. „Noch steht nicht fest, welche Asset Management Gesellschaften beauftragt werden“, schreibt ein Pressesprecher des KENFO-Fonds auf Anfrage von CORRECTIV.
Der KENFO Fonds ist der erste deutsche Staatsfonds. Er wurde ins Leben gerufen, um die Entsorgung von radioaktivem Müll zu finanzieren. Nun soll er in der Anfangszeit auch die Anlage des Generationenkapitals organisieren. Erst später wird dies eine eigens dafür gegründete Stiftung übernehmen.
Intransparenz bei den Vermögensverwaltern
Für die Verwaltung seiner Gelder vergibt der KENFO Fonds Aufträge an verschiedene Vermögensverwalter. Bei der Vergabe muss der Fonds mit marktüblichen Bedingungen konkurrieren – also auch die entsprechenden Preise zahlen. Wie viel ein Manager an der Verwaltung von Kundengeldern mitverdient, hängt davon ab, ob die Gelder passiv oder aktiv gemanagt werden. Bei aktivem Management sind die Gebühren am höchsten. Marktübliche Verwaltungsgebühren können in diesem Bereich bei circa zwei Prozent der verwalteten Gelder liegen.
Doch wer die aktuellen Asset Manager des KENFO-Fonds sind, ist nicht transparent. „Aus Wettbewerbsgründen und unter Wahrung der Vertraulichkeit“ gebe man zu den Gesellschaften keine Informationen. Blackrock kennt man beim KENFO jedenfalls gut. Über mehrere Jahre hinweg saß dort mit Elga Bartsch eine Vertreterin von Blackrock im Anlageausschuss.
Blackrock: Ein fossiler Gigant
Fest steht, dass sich das Finanzministerium mit Blackrock einen fossilen Giganten als Gesprächspartner organisiert hat. Über die Fonds, die die Gesellschaft anbietet, ist Blackrock praktisch in alle wichtigen Firmen der Welt investiert, die Profit mit fossilen Energieträgern machen.
2020 verkündete Blackrock zwar, sich mehr für Klimaschutz engagieren zu wollen. Dieses Versprechen scheint der Vermögensverwalter jedoch nicht halten zu können. Laut der Datenbank Investing in Climate Chaos war Blackrock im Mai 2024 mit über 430 Milliarden Euro in fossile Firmen investiert. Darunter Bp, Exxonmobil oder Shell.
„Selbst über Fonds, die Blackrock als „nachhaltig“ labelt, fließen Gelder in den Ausbau von fossilen Brennstoffen“, sagt Lara Cuvellier von der französischen Nichtregierungsorganisation ReclaimFiance. Sie recherchiert seit Jahren zu Blackrock. „Das ist nicht nur irreführend für die Anleger“, sagt Cuvellier. Es zeige auch, dass bei der Gesellschaft solide Richtlinien fehlten, um die negativen Auswirkungen der eigenen Investitionen zu reduzieren.
Auch die Deutsche Bank spricht mit Finanzministerium
Dass sich unter den Gesprächspartnern des Finanzministeriums der Name Blackrock befindet, wäre weniger dramatisch, wenn daneben auch Klimaschutz-Experten in der Liste stünden. Doch ein Kern in der Auswahl der Gesprächspartner scheint das Thema ökologische Nachhaltigkeit nicht gewesen zu sein. Es ist lediglich ein Treffen mit der Ratingagentur S&P Global vermerkt, bei dem man sich mit dem Inhalt „ESG und Sustainable Finance“ beschäftigen wollte. ESG bedeutet, dass Vermögensverwalter Anlagen in Bezug auf Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung bewerten. Außerdem sprach man mit der Finanzgruppe ODDO BHF über den Beitrag von europäischen Kapitalmärkten zur Energiewende.
Andere Namen auf der Liste der Gesprächspartner sind beispielsweise die DWS Group, der Vermögensverwalter der Deutschen Bank, die Depotbank BNY Mellon, das Bankhaus Metzler oder die Versicherungsgesellschaft Generali.
Wie geht es weiter?
Ob die ökonomische Absicherung unserer Zukunft letztendlich zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beiträgt oder nicht, diesbezüglich werden in den nächsten Tagen und Wochen die Weichen gestellt. Die erste Lesung des Gesetzesentwurf zur Aktienrente ist für diesen Freitag angesetzt. Schnellstmöglich will die Regierung den Entwurf verabschieden. Diskutiert werden vermutlich auch Details zu den Anlagekriterien für die Gelder.
„Es muss dringend soziale und ökologische Nachhaltigkeit integriert werden“, sagt Silke Stremlau. Sie ist Vorsitzende des Sustainable Finance Beirats der Bundesregierung. Dafür sei ein Blumenstrauß an verschiedenen Maßnahmen notwendig, so Stremlau „Nachhaltige Anlagegrundsätze, Engagement und Transparenz müssen kombiniert werden“, so Stremlau.
„Und für die harten Fälle braucht es auch Ausschlüsse“, sagt Stremlau. So dürften in das Portfolio keine Unternehmen ohne überzeugenden Transitionsplan oder solche, die immer noch den Großteil ihrer Umsätze bzw. ihrer Ausgaben für Forschung und Entwicklung in die Erschließung neuer Kohle-, Öl- und Gasfelder stecken, sagt Stremlau.
„Es geht darum, dass die Regierung jetzt kein widersprüchliches Verhalten an den Tag legt“, so Stremlau. Man könne nicht auf der einen Seite Klimaneutralität anstreben und diese Bemühungen dann hintenrum wieder einreißen, indem man in Unternehmen investiert, die weiter auf fossile Geschäftsmodelle setzen.
Diskutieren Sie mit uns über die Aktienrente in Berlin
Am Mittwoch, den 09.10., organisiert die Nichtregierungsorganisation Fossilfree Berlin eine Diskussion zur Aktienrente. CORRECTIV-Reporterin Elena Kolb moderiert den Abend. Es diskutieren:
- Dr. Nicolaus Heinen (Leiter der finanzpolitischen und volkswirtschaftlichen Grundsatzabteilung im Bundesfinanzministerium)
- Lennard Oehl (Mitglied des Bundestages und Berichterstatter für Kapitalmarktregulierung von der SPD)
- Katharina Beck (Mitglied des Bundestages und finanzpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen)
- Prof. Dr. Martin Nerlinger (Experte für Risk Management, Sustainable & Climate Finance der Universität St. Gallen)
- Fossil Free
Die Veranstaltung findet im Filmtheater Zoopalast in Berlin statt. Vor der Diskussion wird es eine Filmvorführung von „Fossilfrei“ geben. Tickets sind kostenlos, müssen aber hier bestellt werden.
Redaktion: Anette Dowideit
Design: Ivo Mayr
Kommunikation: Valentin Zick
Faktencheck: Alexej Hock