Klimawandel

Diese Kreise haben die höchste Solarleistung in Deutschland

Die Solarenergie in Deutschland boomt. CORRECTIV zeigt, welche Landkreise seit 2021 Solaranlagen am stärksten ausgebaut haben. Doch schon bald könnte der dringend notwendige Ausbau gebremst werden.

von Max Donheiser , Elena Kolb

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Damit der Solar-Boom in Deutschland anhält, braucht es mehr Speicherkapazitäten. (picture alliance/Westend61/Jake Jakab)

Deutschland greift nach der Sonne. Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, muss extrem viel Solarleistung ausgebaut werden. In einigen Landkreisen klappt das deutlich besser als in anderen. Das zeigt eine Auswertung von CORRECTIV in Kooperation mit dem Verein klimadashboard.de.

Von 2021 bis heute ist hierzulande der Solar-Boom in jedem einzelnen deutschen Kreis abzulesen. Deutschlandweit hat sich die Solarleistung fast verdoppelt. Die Spitzenreiter auf Kreisebene haben noch mehr ausgebaut: In Essen ist die Leistung seit 2021 um mehr als das Sechsfache angestiegen. Es folgen der Kreis Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz und Leipzig. Die Analyse der Solarleistung beruht auf Daten des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur.

Der Ausbau der letzten Jahre ist eindrücklich. Doch für ein klimaneutrales Deutschland fehlt noch eine wichtige Ergänzung: „Damit der Solar-Boom fortgesetzt werden kann, braucht es dringend auch die nötigen Speicherkapazitäten. Nirgendwo in Deutschland gibt es davon im Moment genug“, sagt Leonhard Probst. Er forscht am Fraunhofer-Institut für Solar Energiesysteme ISE in Freiburg und ist verantwortlich für die Plattform Energy-Charts.info.

 

Kreise mit höchster Solarleistung in Ostdeutschland

Noch läuft es beim Solar-Boom aber glänzend: In vier ostdeutschen Kreisen wurden Solaranlagen installiert, die unter optimalen Bedingungen bis zu einem Gigawatt (GW) Strom leisten können. Damit können etwa 300.000 Haushalte versorgt werden. Ganz vorn liegt Märkisch-Oderland in Brandenburg, gefolgt vom Landkreis Leipzig, Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern und der Mecklenburgischen Seenplatte. In diesen Regionen dominieren Freiflächenanlagen, die bis zu 80 Prozent der Solarleistung im jeweiligen Kreis ausmachen.

 

Gesetzesänderungen treiben den Boom voran 

Der Solar-Boom seit 2021 hat mehrere Ursachen. In den vergangenen Jahren wurden einige Hürden für den Ausbau genommen. Zum Beispiel wurde schon 2020 der sogenannte Solar-Deckel abgeschafft. Das Gesetz hatte der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingeführt, es sollte die deutschlandweite Solarförderung auf 52 Gigawatt begrenzen. In der Branche wurde es als absoluter Bremser wahrgenommen. Ende 2024 lag die Solar-Gesamtleistung in Deutschland bei 99,3 Gigawatt.

Seit 2021 ist die Anschaffung von Solaranlagen außerdem von der Umsatzsteuer befreit. Dadurch wurden sie für Verbraucher viel billiger. Der russische Angriff auf die Ukraine 2022 und die dadurch steigenden Strompreise verstärkten außerdem bei vielen Menschen das Interesse daran, sich unabhängig mit Energie versorgen zu können.

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhöhte die Ampel-Regierung 2023 die Ausbauziele: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren kommen. Außerdem erhalten Betreiber seitdem mehr Geld für den Strom, den sie über ihre Solaranlage ins Netz einspeisen. Das Solarpaket I vereinfachte zudem den Betrieb von Balkonkraftwerken.

Stagniert die Solar-Revolution? 

Aber für ein klimaneutrales Deutschland bis 2045 muss das Tempo eigentlich noch angezogen – mindestens aber gehalten werden. Die Ziele für den Solarausbau sind äußerst ambitioniert. Nach dem aktuellen Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) sollen bis 2030 schon 215 Gigawatt Solarkraft gebaut sein.

Und es gibt noch ein weiteres Problem: Immer häufiger gibt es Stunden mit sogenannten „negativem Strompreis“, weil zu viel Strom auf dem Markt ist und dieser nicht zwischengespeichert werden kann. Während dieser Zeit können Betreiber ihren Strom nicht verkaufen: Windräder stehen teils still, Solaranlagen werden vom Netz genommen.

Nirgendwo in Deutschland existieren genug Speicher

Zwar steigt auch der Ausbau der Speicher in Deutschland in den letzten Jahren an. Aber bisher reicht das nicht. Aktuell sind in Deutschland inklusive aller Heimspeicher gut 20 Gigawattstunden Batteriespeicher installiert. Der Bedarf liegt aber eigentlich doppelt so hoch: bei etwa 40 bis 50 Gigawattstunden. Bis 2030 ergeben die Energiesystemmodelle für Deutschland einen Bedarf von rund 100 bis 150 Gigawattstunden, so Leonhard Probst vom Fraunhofer-Institut ISE.

Auf den Solar-Boom müsste also eigentlich längst ein Speicher-Boom folgen. CORRECTIV hat alle Bundesländer nach ihren Zielen zum Solar-Ausbau gefragt. Aus 15 von 16 Bundesländern kamen Antworten. Obwohl die meisten Länder Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien haben, kann bei den Speichern kein einziges Land ein konkretes Ziel vorweisen.

Aus Mecklenburg-Vorpommern heißt es, der Ausbau der Speicherkapazitäten erfolge „derzeit im Wesentlichen marktgetrieben“. Auch in Hamburg gebe es keine „quantitativen Landesziele“, man warte auf „bundesseitige Vorgaben gemäß Koalitionsvertrag“. Nur Nordrhein-Westfalen legte 2024 im „Handlungskonzept Energiespeicher“ konkrete Schritte für den zügigen und effizienten Ausbau „aller relevanten Speichertechnologien“ vor.

Längst nicht alle Länder prüfen im Detail, wie groß ihre Speicherkapazitäten eigentlich sind. Größtenteils verlassen sie sich dabei auf das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur. Dabei sieht Leonhard Probst vom Fraunhofer-Institut allerdings noch erhebliche Probleme mit der Datenqualität. Zu oft seien Fehler passiert, da bei kleinen Anlagen die Betreiber selbst für die Einträge verantwortlich seien und häufig fehlerhafte Einträge machen würden. Das verfälsche die Gesamtkapazität, so Probst.

Speicher als Störfaktor für die Energiewirtschaft

Dass sich der Speicher-Boom im Vergleich zum Solar-Boom verzögert, hat weitere Gründe. Zum einen sind noch einige technische Fragen offen – beispielsweise können Batteriespeicher Strom nur für kurze Zeit speichern. Außerdem stehen Betreiber bei der Installation oft vor hohen bürokratischen Hürden, denn Speicher werden für Genehmigungen eher noch als Störfaktor, denn als Erleichterung für das Stromnetz verstanden, sagt Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbands Energiespeicher Systeme e.V.. Oft würden die Regularien für Batteriespeicher „noch aus den 1970er- oder 1980er-Jahren stammen“, sagte Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung gegenüber der FAZ.

Hinzu kommt das grundsätzliche Problem, dass Deutschlands Energieversorgung jahrzehntelang auf einer zentralen Erzeugung aus fossilen Quellen und langen Stromtrassen basiert. Für die Erneuerbaren und ihre Speicher muss dieses nun Schritt für Schritt zu einem dezentralen System umgebaut werden.

Redaktion: Justus von Daniels, Samira Joy Frauwallner, Frida Thurm Faktencheck: Frida Thurm Kommunikation: Katharina Roche

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