Klimawandel

Überzogene Heizkosten: Geprellte Kunden können sich auf neues Urteil beziehen

Ein neues Gerichtsurteil stärkt die Position von Wärmekunden gegenüber Energieversorgern. CORRECTIV hatte bereits aufgedeckt, dass vermutlich Hunderttausende Menschen in Deutschland überhöhte Heizkosten zahlen. Jetzt fordert die Linksfraktion im Bundestag gesetzliche Änderungen. Der Deutsche Mieterbund drängt auf besseren Schutz für Mieterinnen und Mieter.

von Gesa Steeger

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Deutschlandweit sind vermutlich Hunderttausende Mieterinnen und Mieter von überhöhten Heizkosten betroffen. Foto: Denny Muller/unsplash.com

Betroffene von erhöhten Heizkosten können sich im Kampf gegen ihren Wärmelieferanten künftig auf eine neue Gerichtsentscheidung beziehen. Mitte Juni hat das Landgericht Frankfurt am Main geurteilt, dass Energieversorger, die sich in ihrer Preisgestaltung ausschließlich auf einen Gasindex beziehen, ungültig sind. Konkret heißt das: Heizkostenerhöhungen, die auf so einer Grundlage beruhen, sind rechtswidrig und können innerhalb von drei Jahren angefochten werden.

Streitwert: rund 59.000 Euro Heizkosten

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft aus dem Raum Freiburg hatte gegen den Wärmeversorger Techem Solutions GmbH geklagt. Streitwert: rund 59.000 Euro Heizkosten. Das geht aus dem Urteil hervor, das CORRECTIV vorliegt. Das Landgericht hat nun geurteilt, dass die Techem Solutions GmbH diesen Betrag an die Hauseigentümergemeinschaft zurückzahlen muss.

Es ist eine Entscheidung mit Signalwirkung. Zwar gab es bereits Urteile, die bestimmte Klauseln zur Preisanpassung für unwirksam erklärten, sagt Christian Dümke, Rechtsanwalt für Energierecht und Vertreter der Eigentümergemeinschaft. „Jetzt hat das Landgericht Frankfurt aber erstmals festgestellt, dass die Wärmekostenerhöhung eines großen Wärmelieferanten, der seine Preise allein an die Erdgaskosten koppelt, unwirksam ist.“ Die Entscheidung sei eindeutig, so Dümke: „Ein Gasindex allein reicht als Marktelement nicht aus.“ Darauf könnten sich laut Dümke auch andere Betroffene nun berufen.

Dass einzelne Wärmelieferanten offenbar rechtliche Schlupflöcher ausnutzen, um auf Kosten von Mieterinnen und Mietern Profit zu machen, hat CORRECTIV bereits berichtet. So konnte CORRECTIV unter anderem nachweisen, dass einer der größten Wärmelieferanten Deutschlands, die heutige Techem Solutions GmbH, die Heizanlage in einer Berliner Wohnanlage offenbar über Jahre hinweg falsch eingestellt hatte. Damit erhöhte sich der Energieverbrauch für Mieterinnen und Mieter. Den Vorwurf vorsätzlichen Handelns wies das Unternehmen ausdrücklich zurück.

Deutscher Mieterbund: Rechte von Mieterinnen müssen gestärkt werden

„Das Urteil ist sehr zu begrüßen, da es wieder bestätigt, dass ein einzelner Index den Wärmemarkt nicht ausreichend abbildet“, sagt Anna Wolff, Referentin für Wohnungs- und Mietenpolitik vom Deutschen Mieterbund gegenüber CORRECTIV. Der Fall zeige aber auch, dass „die Preisgestaltung im Fernwärmemarkt stärker reguliert und unabhängiger kontrolliert werden muss“. Grundsätzlich brauche es mehr Rechte für Mieterinnen und Mieter, so Wolff, da diese keine direkten Vertragspartner des Wärmelieferanten seien. Daher müssten bei der geplanten Reform der Wärmelieferverordnung „die Rechte von Mieterinnen und Mietern gestärkt und ausgeweitet werden“.

Linke fordert Anpassung der AVB Fernwärmeverordnung

Grundsätzlich sei das Urteil zu begrüßen, sagt Violetta Bock, wärmepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag und Mitglied im Klimaausschuss, gegenüber CORRECTIV. „Hier wird das Problem der Intransparenz und Kopplung an die Börsenspekulation in der Contracting-Branche endlich angegangen.“

Erstmal sei das Urteil aber ein Einzelfall, so Bock. Jetzt stelle sich die Frage, wie man dieses in bestehendes Recht überträgt. „Wir müssen die AVB Fernwärme jetzt dringend anpassen und brauchen klare Regelungen für Mieterinnen und Mieter.“

Marktelement soll vor hohen Preisschwankungen schützen

Hintergrund des Rechtsstreits ist die Berechnungsgrundlage von Fernwärme, darunter fällt auch die Wärmelieferung, auch bekannt als Contracting. Schließt ein Vermieter einen Vertrag mit einem Wärmelieferanten, gilt die AVB FernwärmeV – die Verordnung zur Fernwärmeversorgung in Deutschland. Mieter zahlen dann keinen Gas-, sondern einen Wärmepreis, der meist aus Grund- und Arbeitspreis besteht. Im Grundpreis stecken fixe Kosten wie Wartung, Anschluss und Betrieb der Heizanlage, die auf die Mieter umgelegt werden können.

Der Arbeitspreis muss zwei Bestandteile enthalten: ein Kostenelement, das die Brennstoffbeschaffung (z. B. Gas) abdeckt, und ein Marktelement, das die allgemeine Preisentwicklung auf dem Energiemarkt abbildet. Bei steigenden Beschaffungskosten soll das Marktelement verhindern, dass der Preis von der allgemeinen Entwicklung auf dem Energiemarkt abweicht.

Redaktion: Justus von Daniels und Samira Joy Frauwallner

Faktencheck: Samira Joy Frauwallner

 

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