Klimawandel

Teure Überraschung: Was der Abschied vom Gasanschluss kosten kann

Wie teuer der Umstieg von Erdgas auf eine klimafreundliche Heizart ist, hängt vom Gasnetzbetreiber ab. Eine Umfrage von CORRECTIV und SWR zeigt: Je nach Anbieter kostet es zwischen null und 8.000 Euro.

von Jann-Luca Künßberg , Lena Schubert , Katarina Huth

Noch im Jahr 2022 versorgten Erdgasleitungen fast 40 Prozent aller Wohngebäude in Baden-Württemberg. (Credits: picture alliance / SZ Photo | Manfred Neubauer)
Noch im Jahr 2022 versorgten Erdgasleitungen fast 40 Prozent aller Wohngebäude in Baden-Württemberg. (Credits: picture alliance / SZ Photo | Manfred Neubauer)

Als Anne und Walter Schmidt (Name geändert) auf eine Wärmepumpe umsteigen, ahnen sie nicht, dass der Abschied vom Gasanschluss teuer wird: Fast 7.600 Euro stellen die Stadtwerke Hockenheim nach dem Rückbau in Rechnung. Eine enorme Summe. Besorgt fragt Walter Schmidt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: Handelt der Netzbetreiber rechtmäßig? 

Diese Frage betrifft viele Menschen in Deutschland: 2022 wurden noch fast 54 Prozent aller Wohngebäude mit Erdgas beheizt. Auch in Baden-Württemberg war Gas der meistgenutzte Energieträger: Dort wurden knapp 40 Prozent der Wohnhäuser mit dem fossilen Brennstoff beheizt. Doch der Druck, die Wärmeversorgung umzustellen, wächst. Ab 2027 soll Heizen mit Gas deutlich teurer werden. Dann greift der europäische Emissionshandel für Gebäude, und der CO₂-Preis steigt erheblich.  

Was, wenn der Gasanschluss nutzlos wird? 

Die Maßnahmen entfalten inzwischen auch ihre Wirkung – im ersten Halbjahr 2025 sind Wärmepumpen Brancheninsidern zufolge erstmals die meistverkaufte Heizung in Deutschland. Aus guten Gründen: Wer rechtzeitig auf eine klimafreundliche Heizart umsteigt, vermeidet Emissionen und schützt sich vor hohen Kosten durch den steigenden CO₂-Preis. 

Doch der Gasanschluss wird damit nutzlos und muss wenigstens deaktiviert, in aller Regel stillgelegt oder gar zurückgebaut werden. Laut Bundesnetzagentur bleibt ein inaktiver Anschluss betriebsbereit. Bei einer Stilllegung wird der Gaszähler ausgebaut, außerdem wird der Anschluss im Gebäude geschlossen. Rückbauten dagegen sind deutlich aufwendiger, weil Tiefbaumaßnahmen nötig sind: Die Leitungen werden endgültig von der allgemeinen Versorgungsleitung abgetrennt, teilweise auch vollständig aus dem Boden entfernt. Das kann hohe Kosten verursachen. Die Frage ist: Wer trägt sie? 

CORRECTIV und SWR haben mehr als 100 Netzbetreiber in Baden-Württemberg gefragt, was Kundinnen und Kunden für Stilllegung und Rückbau ihres Gasanschlusses bezahlen müssen. Gut die Hälfte hat geantwortet. Das Ergebnis: Manche Unternehmen tragen die Kosten selbst. Andere verlangen für eine Stilllegung bis zu rund 650 Euro. Rückbauten werden sogar mit bis zu 8.000 Euro veranschlagt. Das heißt: Wer Pech hat, zahlt beim Heizungstausch besonders viel.  

Bislang keine einheitliche Regelung 

Der Gesetzgeber hat es bisher schlicht versäumt, die Stilllegung bzw. den Rückbau von Gaseinzelanschlüssen rechtssicher zu regeln, sagt Energieexperte Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auf Anfrage von CORRECTIV und SWR. Es müsse rechtlich klargestellt werden, dass eine Stilllegung bzw. ein Rückbau nicht zu Lasten der Verbraucher:innen geht. Stilllegung bzw. Rückbau sind wirtschaftliche Entscheidungen, die den Unternehmen zuzurechnen sind. Entsprechend haben diese die Kosten zu tragen.“ 

Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie heißt es auf Anfrage bloß, man sei sich der Situation bewusst und nehme diese ernst: Eine faire und bezahlbare Energiewende ist der Bundesregierung wichtig. Derzeit werde geprüft, ob Anpassungen des geltenden Rechtsrahmens angezeigt sind, insbesondere zur Verhinderung von Missbrauch und unangemessen hohen Preisen.Für die Bewertung des jeweiligen Einzelfalls sieht das Ministerium die Unternehmen in der Verantwortung. 

Für Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg bedeutet der Status quo: hoffen, Glück mit dem Netzbetreiber zu haben. Die Umfrage zeigt, dass die unklare Rechtslage nicht nur zu erheblichen Kostenunterschieden führt. Auch die Bezeichnungen Deaktivierung, Stilllegung und Rückbau verwenden die Netzbetreiber unterschiedlich. Dennoch lassen sich die gegenüber CORRECTIV und SWR beschriebenen Maßnahmen diesen drei Kategorien zuordnen. Dabei bietet nicht jedes Unternehmen immer alle Optionen an. 

Die Ergebnisse: Was der Abschied vom Gasanschluss kosten kann

Deaktivierung

Menschen, die auf eine klimafreundliche Heizung umsteigen, können ihren Gasanschluss bei manchen Netzbetreibern vorerst inaktiv stellen und größere Arbeiten vermeiden. Unternehmen dürfen dann allerdings eine Vorhaltepauschale verlangen. Die jährlichen Kosten liegen in der Regel unter 100 Euro.

Stilllegung

Einige Unternehmen bieten einen Mittelweg an: Die Stilllegung, bei der die Leitung im Gebäude verschlossen oder abgetrennt und der Gaszähler ausgebaut wird. Fast die Hälfte aller Netzbetreiber, die geantwortet haben, geben an, für diese Leistung kein Geld zu verlangen. Teilweise wird darauf verwiesen, dass in Zukunft Kosten entstehen könnten.

Doch andere Unternehmen lassen sich jetzt schon die Stilllegung bezahlen. Unter denen, die uns geantwortet haben, berechnet das Regionalwerk Bodensee mit pauschal 648,55 Euro brutto den höchsten Preis für eine Stilllegung.

Rückbau

Rückbauten sind öfter kostenpflichtig: Nur sieben Unternehmen übernehmen sie kostenlos, vier weitere zumindest in dem Fall, dass ein Rückbau in ihre eigenen Planungen passt. In Bad Säckingen nutzen die Stadtwerke Erneuerungs- und Wärmenetzarbeiten als Chance, um ungenutzte Anschlüsse zurückzubauen; für die Kunden kostenlos. In Schönau gingen die Elektrizitätswerke bereits so vor, als sie Nahwärme verlegten.

Doch diese Gelegenheit gibt es nicht immer. Wo heute ein Gasnetz liegt, wird es in Zukunft nicht überall auch ein Wärmenetz geben. Denn das lohnt sich vor allem in dicht besiedelten Gegenden. In anderen Nachbarschaften müssen sich Hausbesitzer selbst um eine klimafreundliche Heizart wie die Wärmepumpe kümmern. Doch wo kein Netz kommt, ist die Chance gering, dass der Gasnetzbetreiber andere Infrastrukturarbeiten nutzen kann, um dabei Gasanschlüsse zurückzubauen. Die Initiative geht dann von den Kundinnen und Kunden aus.

So geben einige Unternehmen an, Gasanschlüsse nur zurückzubauen, wenn Kunden sich es wünschen. Die Kosten für diese Leistung legen viele vollständig auf die Verbraucher um. Das kann wegen der nötigen Bauarbeiten teuer werden: Die Stadtwerke Rottenburg veranschlagen bis zu 8.000 Euro für den freiwilligen Rückbau.

Nicht immer haben Kundinnen und Kunden die Wahl zwischen Rückbau und Stilllegung. Die Stadtwerke Herrenberg bauen grundsätzlich alle Gasanschlüsse zurück, um laut eigenen Angaben jährliche Prüfungen der Zuleitung zu vermeiden. Die endgültige Trennung wird nach Aufwand abgerechnet. Laut Unternehmen kostet das die Kundinnen und Kunden im Schnitt 3.000 bis 4.000 Euro.

Das Ehepaar Schmidt aus Hockenheim hatte keine Wahl. Monate nach der Ankündigung des Heizungstausches erklären die örtlichen Stadtwerke, dass der Gashausanschluss nicht kostenlos stillgelegt, sondern komplett vom Netz getrennt werden muss: „Dies wird bei allen anderen Kunden genauso durchgeführt!“ Zudem schreiben die Stadtwerke: „Die Kosten werden Ihnen nach Aufwand berechnet“. Für Walter Schmidt ein „Fass ohne Boden“. Also hakt er nach. Am Telefon sei ihm eine Spanne von 4.000 bis 5.000 Euro genannt worden. 

Die Schmidts heizen mittlerweile mit einer Wärmepumpe. An den Rückbau des Gasanschlusses erinnert nur noch der Teerflicken, mit dem die Straße nach der Abtrennung geschlossen wurde. (Quelle: privat)
Die Schmidts heizen mittlerweile mit einer Wärmepumpe. An den Rückbau des Gasanschlusses erinnert nur noch der Teerflicken, mit dem die Straße nach der Abtrennung geschlossen wurde. (Quelle: privat)

Als der Gasanschluss zurückgebaut ist, stehen fast 7.600 Euro auf der Rechnung. Walter Schmidt alarmiert nicht nur den Verbraucherschutz, sondern wendet sich auch an Kommunalpolitiker. So landet der Fall im Hockenheimer Gemeinderat. Der zuständige Ausschuss diskutiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Ergebnis: Künftig soll der Rückbau bei den Stadtwerken pauschal 2.650 Euro netto kosten. Auch diese Summe hält Walter Schmidt für fragwürdig. Doch weil er und seine Frau eine Förderung für den Heizungstausch beantragt haben und Fristen einhalten müssen, vermeiden sie weitere Debatten. Und zahlen. 

Die gesetzliche Regelung drängt 

Obwohl der Gemeinderat seine Rechnung senken konnte, macht Walter Schmidt die Bundespolitik verantwortlich: „Ich sehe das erhebliche Defizit in der fehlenden Gesetzgebung.“ Auch die Stadtwerke Hockenheim erklären auf Anfrage von CORRECTIV und SWR, eine einheitliche Regelung sei in Zukunft wünschenswert. Die Rechnung erstatten sie den Schmidts aber nicht. 

Wegen steigender CO₂-Preise und ambitionierter Klimaziele dürften in den kommenden Jahren mehr und mehr Gaskundinnen und -kunden umrüsten. Netzbetreiber, die bislang keine oder niedrige Rechnungen gestellt haben, könnten dann höhere Kosten umlegen. Die Stadtwerke Tübingen haben das bereits getan: Wurden Abtrennungen früher kostenlos durchgeführt, sind seit 2025 bei einem Einzelanschluss 2.800 Euro fällig.  

Die Regulierung drängt also – bleibt abzuwarten, was die Prüfung der Bundesregierung ergibt.

Wärmewende in Baden-Württemberg: SWR und CORRECTIV gehen lokal 

Mit dieser Recherche starten SWR und CORRECTIV das Projekt „Druck im Kessel – Wie trifft mich die Wärmewende?“. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern aus Baden-Württemberg finden wir heraus, wie nachhaltiges und bezahlbares Heizen im eigenen Zuhause gelingen kann – und wo es hakt. Ab Herbst gehen wir lokal: mit PopUp Studios in Stuttgart, Vaihingen und Lörrach. In unserem kostenlosen Newsletter Spotlight halten wir Sie auf dem Laufenden. Hier melden Sie sich an.

Text: Katarina Huth, Jann-Luca Künßberg, Lena Schubert Recherche: Katarina Huth, Jann-Luca Künßberg, Lena Schubert Redaktion: Justus von Daniels Faktencheck: Martin Böhmer Grafik: Philipp Waack

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