Neue Rechte

Radikalliberal, islamfeindlich und lesbisch

„Ich stehe für den freiheitlich-konservativen Arm der AfD“, rief Alice Weidel auf dem AfD-Parteitag am Wochenende. Dort wurde sie zur Co-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl nominiert. Ihr elegantes Auftreten, ihre Karriere als Unternehmensberaterin, ihre vermeintliche Distanz zum Höcke-Lager: Auf den ersten Blick wirkt Alice Weidel wie das gemäßigte Gesicht der AfD. Doch das täuscht.

von Tania Röttger

Alice Weidel auf dem AfD Parteitag im Kölner Maritim Hotel© Ivo Mayr/Correctiv

„Das muslimische Gemeinwesen ist einzig und allein auf die Errichtung eines Gottesstaates ausgerichtet. Ob es nun Minarette, Moscheen, Muezzinrufe, die Kleidungsordnung von Muslimen, die Einforderung von Geschlechtertrennung, das Einklagen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst sind, ob Friedensrichter, Schariagerichtsbarkeit, Parallelgesellschaften, Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen und die Akzeptanz von Kinderehen – all dies zielt nur auf eines: auf die Islamisierung unserer Gesellschaft.“

Alice Weidel in einem Gastbeitrag in der „Jungen Freiheit“ vom Oktober 2016

Auf den ersten Blick ist Alice Weidel das wirtschaftsliberale, freundliche Gesicht der AfD. Bei ihren häufigen Talkshow-Auftritten besticht sie durch Eleganz und Wortgewandtheit. Anders als etwa Beatrix von Storch polemisiert sie nicht, sondern hält sich lieber zurück. Das kommt gut an. Ihre Facebook-Seite ist voller Lobesbekundungen. „Ich hoffe ihr Einfluss auf die AfD macht die Partei auch für mich wählbar!“, schreibt einer.

Fast sechs Jahre lang hat die Volkswirtin in China geforscht und gearbeitet. 2012 kommt sie zurück nach Deutschland und begeistert sich für ein neues Thema: die Euro-Krise. Unter anderem ist sie strikt dagegen, dass die EU Kredite an Griechenland gibt und nennt das einen „Milliarden-Euro-teuren Holzweg“. Sie findet eine Partei, die ihre Meinung teilt: die AfD. Noch im Gründungsjahr 2013 tritt Weidel der Partei bei und macht schnell Karriere. 2017 wird sie die AfD in Baden-Württemberg als Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf führen.

Zurück zur D-Mark

Weidels Lieblingsthema ist bis heute der Euro. Er gehöre abgeschafft, stattdessen möge man eine „D-Mark 2.0“ einführen und darüber ein Referendum abhalten. Überhaupt fordert sie für Deutschland mehr direkte Demokratie, Volksentscheide nach Schweizer Vorbild. Von ihrem Wohnort Überlingen am Bodensee kann man die Schweiz sehen.

Als Ökonomin orientiert sich Weidel an dem 1992 verstorbenen Friedrich von Hayek, dem wichtigsten Vertreter der liberalen Österreichischen Schule, auf den sich schon Augusto Pinochet, Ronald Reagan und Margret Thatcher beriefen. Hayeks These: Nicht nur der Sozialismus, auch der demokratische Fürsorgestaat führt in eine Planungsspirale, an deren Ende der Staat für alles zuständig sei. Am Ende stehe auch hier die Unfreiheit. Der Weg zur Knechtschaft sei mit gut gemeinten, sozialen Zielen gepflastert. Die Lösung: Der Staat habe sich aus dem allermeisten herauszuhalten. Niedrige Steuern, niedrige Sozialausgaben, der Markt werde es schon richten.

Das führt dazu, dass Hayek-Anhänger etwa den Klimaschutz ablehnen, weil auch der eine zu große Einmischung des Staates in die Wirtschaft bedeute. Auch Weidel ist gegen die Energiewende.

„Privates und Politik trennen“

Liberal ist Weidel aber nicht nur in wirtschaftspolitischen Fragen, sondern auch in gesellschaftlichen. Die ARD-Moderatorin Sandra Maischberger hatte Alice Weidel in ihrer Sendung am 16. März 2016 auf ihre Homosexualität angesprochen. Weidel sagte daraufhin, man müsse zwischen Privatem und Politik trennen. Ihre Lebensgefährtin, mit der sie ihre Söhne aufzieht, ist Schweizerin. Wegen ihres Lebenslaufs, ihrer Sexualität und ihrer wirtschaftsliberalen Einstellung wird Weidel manchmal gefragt, ob sie in der falschen Partei sei. Das wehrt Weidel ab. In Bezug auf die AfD sagt sie nur: „Familienpolitische Sprecherin werde ich bestimmt nie werden.“

So besonnen sie bei ihren Talkshow-Auftritten wirkt, so radikal sind viele ihrer Positionen. Auf ihrer Facebook-Seite polemisiert sie: „Ganz Deutschland ist Dank Angela Merkel zum kriminellen Hotspot geworden“. Täter würden immer wieder „südländisch“ aussehen. Sie spricht von einer „Asylkatastrophe“. Ende Oktober 2016 schreibt sie auf Facebook, deutsche Steuerzahler würden einem „Millionenheer von ungebildeten Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika eine Rundumsorglos-Vollversorgung finanzieren“. Der Islam ist für sie eine „archaische Kultur“.

Wider das „völkische Gerede“

In einem Gastbeitrag für die „Junge Freiheit“ schreibt Weidel im Oktober 2016: Es dürfe „keine prinzipielle Religionsfreiheit“ für den Islam geben, weil es ein „vollständiger Lebens- und Gesellschaftsentwurf“ sei. An einem Treffen der AfD-Spitze mit dem deutschen Zentralrat der Muslime nimmt sie nicht teil – aus Protest dagegen, dass Zentralratschef Mazyek die Islamfeindlichkeit der AfD mit dem Antisemitismus der Nationalsozialisten verglichen hat.

Mit den völkischen Aussagen mancher Parteigenossen distanziert sich Alice Weidel aber. Über Björn Höcke sagte sie öffentlich im April 2016: „Ich kann mit diesem völkischen Gerede nichts anfangen, und das ist auch enorm schädlich für die AfD.“ Nach Höckes umstrittener Dresdner Rede im Januar 2017 unterstützt sie den Antrag, ihn aus der Partei auszuschließen.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes stand, nur die AfD sei strikt gegen die Griechenland-Kredite gewesen. Dabei hat auch die Linke im Jahr 2012 im Bundestag gegen das zweite Griechenlandpaket gestimmt. Die Stelle wurde im Text geändert.

Ebenfalls wurde der Satz geändert, Sandra Maischberger habe Alice Weidel geoutet. Tatsächlich hatte Weidel zuvor der „Zeit“ erzählt, dass sie eine Lebensgefährtin hat.

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