Neue Rechte

„Geheimplan“-Recherche: Fragen und Antworten

Nach Veröffentlichung der Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ erreichen uns neugierige, manchmal auch skeptische Fragen. Das ist verständlich. Wir haben die wichtigsten Fragen gesammelt und beantworten sie hier. Schicken Sie uns gerne weitere Fragen per Mail an info@correctiv.org.

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Nach Veröffentlichung der Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ erreichen uns neugierige, manchmal auch skeptische Fragen. Das ist verständlich. Wir haben die wichtigsten Fragen gesammelt und beantworten sie hier. Schicken Sie uns gerne weitere Fragen per Mail an info@correctiv.org.

 

War das Treffen gar nicht geheim?

Doch. Aus den beiden Einladungsbriefen, die uns zugespielt wurden, geht eindeutig hervor: Das Treffen sollte nicht öffentlich bekannt werden. Darin steht: „Die Teilnehmer unserer privaten Treffen schätzen besonders den konstruktiv-vertraulichen Gedankenaustausch und die inspirierenden Ideen aus den Kurzvorträgen.“ Und weiter: „Falls Du weitere Persönlichkeiten kennst, für die Du bürgen kannst, freuen wir uns über einen entsprechenden Hinweis.“

Auch während des Treffens wies der Veranstalter auf die absolute Vertraulichkeit der Gespräche hin.
Für den geheimen Charakter spricht auch dies: Eingeladen hatte das „Düsseldorfer Forum“. Dabei handelt es sich um eine Gruppierung, die offenbar vor allem der bekannte rechtsextreme ehemalige Zahnarzt Gernot Mörig organisiert. Sie ist den Verfassungsschutzbehörden schon länger als Veranstalter konspirativer Treffen bekannt, in denen völkisch-nationales Gedankengut verbreitet werden soll.

 

Die AfD benutzt doch schon länger den Begriff „Remigration“. Was also ist neu an der Recherche?

Wenn die AfD öffentlich über „Remigration“ spricht, benutzt sie diesen Begriff anders als im Geheimtreffen. Offiziell spricht die Partei in ihren Stellungnahmen davon: Sie wolle dafür sorgen, dass straffällig gewordene Asylbewerber oder geduldete Schutzsuchende Deutschland verlassen.

Beim Treffen in Potsdam dagegen wurde der Begriff für etwas ganz anderes genutzt: Die Teilnehmer an der Runde sprachen explizit darüber, dass deutsche Staatsbürger mit Zuwanderungsgeschichte dazu gedrängt werden sollten, das Land freiwillig zu verlassen. Der bekannte Neonazi Martin Sellner, der ja den Hauptvortrag auf dem Treffen hielt, vertritt diese These in seinem Buch. Er spricht von mehreren Gruppen, die aus dem Land vertrieben werden sollen. Dass sich nun AfD-Politiker aus dem Bundestag, aus dem Umfeld des Bundesvorstandes und ein Fraktionsvorsitzender offensiv mit der Umsetzung seines Planes befassen, war der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt.

Ursprünglich war Remigration übrigens ein neutraler Begriff. Migrationsforscher beschreiben damit Wanderungsbewegungen zwischen Staaten, bei denen Menschen nach langen Zeitspannen in ihr Herkunftsland zurückkehren. Erst später wurde er von Rechtsextremen ideologisch aufgeladen.

 

Können wir belegen, was in dem Treffen gesagt wurde?

Für jene, die an der Glaubhaftigkeit unserer Schilderungen zweifeln: Bis heute hat keiner der  AfD-Teilnehmenden an dem Treffen bestritten, dort über Pläne, Menschen aus Deutschland zu drängen, beraten zu haben. Martin Sellner selbst hat nach der Veröffentlichung seine Thesen erneut bestätigt. Im Nachgang der Recherche brüsten sich sogar AfD-Politiker damit, dass solche Pläne doch längst Ziele der Partei seien. Bemerkenswert ist zudem, dass sich Alice Weidel nach Veröffentlichung der Recherche von ihrem Mitarbeiter Roland Hartwig, der aktiv an dem Treffen teilgenommen hatte, trennte.

Wir haben sehr zuverlässige Quellen und daher überhaupt keinen Zweifel daran, dass unsere Darstellung dessen stimmt, was bei dem Treffen gesagt wurde. Die Dokumente wie die Einladungsschreiben, die wir zitieren, liegen uns zudem vor. Wir haben alle Belege sorgfältig geprüft. Über unsere Quellen können wir allerdings keine Auskunft geben, denn Quellenschutz ist ein elementarer und oft geübter Grundsatz im Investigativjournalismus, um diese nicht in Gefahr zu bringen. Würden wir unsere Quellen nicht schützen, würden uns Menschen, die sich mit brisanten Informationen an uns wenden, nicht mehr vertrauen.

 

Warum wurden nicht mehr Fotos oder Video veröffentlicht?

Wir haben die Fotos der Personen, die wir in dem Text beschreiben, veröffentlicht. Im Hotel haben wir kurze Video-Sequenzen drehen können, die für den Text nicht relevant sind. Wir haben uns dafür entschieden, die verwackelten Bilder vor allem für Video-Beiträge zur Recherche zu nutzen.

 

Was haben die Teilnehmenden zu den Erkenntnissen der Recherche geantwortet? Haben Sie rechtliche Schritte gegen CORRECTIV eingeleitet?

Mehrere Teilnehmende antworteten uns auf unsere Fragen zu den Rechercheergebnissen oder später in sozialen Netzwerken: Sie seien als „Privatperson“ bei dem Treffen gewesen und nicht als politische Mandatsträger, und hätten aus ihrer Sicht nicht, wie sie sagen, „bespitzelt“ werden dürfen.

Unsere journalistische Haltung dazu ist: Bei einer Zusammenkunft, in der es um rein politische, verfassungsrechtlich hochrelevante Inhalte geht, können sich Politikerinnen und Politiker nicht darauf berufen, privat und nicht beruflich dort gewesen zu sein.

Unseres Wissens nach gibt es eine Strafanzeige der AfD-Politikerin Gerrit Huy. Wenn wir weitere Kenntnisse dazu haben, werden wir das hier auch ergänzen.

Zudem haben zwei Personen einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung eingereicht. Beide richten sich gegen Details im Zusammenhang mit ihrer Nennung im Text. Im ersten Fall möchte Klaus Nordmann nicht im Zusammenhang mit einer möglichen Spende erwähnt werden. Im zweiten Fall wendet sich Ulrich Vosgerau dagegen, dass seine Antworten auf unsere Nachfragen an ihn nicht ausreichend wiedergegeben worden seien. Wir lassen beides derzeit vom Gericht klären. Am Kern der Recherche ändern beide Verfahren nichts, wir haben dazu auch ausdrücklich Stellung genommen.

 

Was wurde aus den rechtlichen Schritten?

Das Landgericht Hamburg hat in den beiden Fällen entschieden, zu denen Anträge auf einstweilige Verfügungen eingereicht wurden. In beiden ging es nicht um den Kern der Recherche, sondern um Details. Im ersten Fall, dem von Klaus Nordmann, wies das Gericht den Antrag von Herrn Nordmann vollständig zurück. Im zweiten Fall (Vosgerau) entschied das Gericht weit überwiegend zugunsten unserer Berichterstattung: CORRECTIV musste lediglich einen Satz ändern, der den Kern der Recherche jedoch nicht betrifft. Vosgerau und seine Rechtsvertreter hatten dies öffentlich anders dargestellt.

Sowohl Herr Nordmann aus auch Herr Vosgerau riefen nach der Entscheidung als zweite Instanz das OLG Hamburg an. Das OLG wies beide Beschwerden am 26. März 2024 vollumfänglich zurück.

 

Hat CORRECTIV eine politische Haltung zur Diskussion um ein AfD-Verbotsverfahren?

CORRECTIV hat eine politische Grundhaltung: Jede und jeder Einzelne hat die Verantwortung, am Erhalt der Demokratie mitzuwirken. Dabei fällt den Medien, zu denen auch wir gehören, die Verantwortung zu, mögliche Bedrohungen für die Demokratie sichtbar zu machen. Dies tun wir durch unsere Recherchen.

Es gehört dagegen nicht zu unserer Rolle als Investigativjournalisten, Rechercheergebnisse mit Meinungen aufzuladen. Jeder und jede kann eine begründete Einzelmeinung formulieren, etwa wenn es darum geht, die Ergebnisse einer Recherche zu bewerten, auch wenn es zum Beispiel Anfragen von anderen Medien oder Organisationen gibt. So auch zu einem möglichen Verbotsverfahren.

 

Wie ist CORRECTIV finanziert?

Mit unserer Arbeit setzen wir uns für Transparenz, die Enthüllung systematischer Missstände sowie freien Zugang zu Informationen ein. Der Anspruch auf Transparenz beginnt bei uns selbst. Hier finden Sie zentrale Fragen und Antworten zu unserer Arbeitsweise und Finanzierung.

 

Wieso hat CORRECTIV nicht sofort veröffentlicht, was dort besprochen wurde?

Sorgfältige Recherche braucht Zeit. Unter anderem haben wir uns die nötige Zeit genommen, die Dokumente, Bilder und weitere Belege auszuwerten. Außerdem haben wir die Teilnehmenden an dem Treffen vor der Veröffentlichung befragt. Als die Recherche abgeschlossen und wir auch eine sorgfältige rechtliche Prüfung durchgeführt hatten, haben wir sie veröffentlicht.

 

Warum geht es bei eurer Recherche nicht mehr um die Rolle der CDU-Mitglieder, die am Treffen teilnahmen?

Die von uns im Text erwähnten CDU-Mitglieder hatten bei dem Treffen keine aktive Rolle; anders als die AfD-Politiker, von denen einige selbst Vorträge hielten. Zudem haben sie in der Partei keine herausgehobenen Ämter. Wir hatten zwei namentlich erwähnt, insofern liegt es an der CDU, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.

 

Hat CORRECTIV in der Geheimplan-Recherche das Wort „Deportation“ geschrieben – und darüber später falsche Angaben gemacht?

Wichtig ist: Bei dem Treffen in Potsdam sprachen die Teilnehmer über Pläne, um Millionen Menschen aus dem Land zu treiben. Sie benutzten dafür nicht den Begriff Deportation, sondern den Begriff Remigration. Die Inhalte des Treffens liefen letztlich auf Deportation hinaus. Als wir den Text geschrieben haben, entschieden wir uns dafür, dieses Wort nicht für die besprochenen Pläne zu benutzen. Grund für diese Entscheidung war, dass wir das Besprochene für sich stehen lassen wollen, es erscheint uns als eindrücklich genug. Die AfD-Teilnehmer am Treffen haben diese Aussage bis heute nicht bestritten, auch die Partei hat sich von diesem Plan nicht distanziert.

In unserem Text steht dennoch an einer Stelle das Wort „deportieren“. In dieser Passage geht es jedoch nicht darum, was von der Runde der Teilnehmer als „Masterplan“ besprochen wurde. Sondern um eine Aussage des Neonazis Martin Sellner beim Treffen. Er schlug einen Musterstaat in Nordafrika vor, in den zwei Millionen Menschen gehen könnten. Der fragliche Satz lautet: „Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee: 1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Unklar ist, ob Sellner die historische Parallele im Kopf hat.“

AfD und rechtspopulistische Medien versuchten nun, von den Inhalten des Treffens abzulenken. Ziel war offenbar, die Debatte auf die Frage zu drehen, ob CORRECTIV im Nachhinein falsche Angaben über die Verwendung des Begriffs Deportation gemacht hat.

Der Begriff erschien vorübergehend auf einem sogenannten „Waschzettel“  – einer Beschreibung eines Buches im CORRECTIV.Verlag. Aufgrund der Kürze der Anzeige ohne den entsprechenden Kontext wurde die Anzeige geändert. Es war eine Ungenauigkeit, die wir vermeiden wollten. Der CORRECTIV Buchverlag gehört organisatorisch nicht zur Redaktion und untersteht nicht der Verantwortung der Chefredaktion. Den Begriff haben wir in der Buchwerbung aus dem oben genannten Grund ersetzt. 

Wir haben wie oben beschrieben keine falschen Angaben gemacht.

War ein Aktionskünstler an der Recherche beteiligt?

Nein. Die Recherche ist im CORRECTIV-Team entstanden, das nach höchsten journalistischen Standards arbeitet. Für die Geheimplan-Recherche liegen uns mehrere zuverlässige Quellen vor. Alle recherchierten Belege werden durch einen internen Faktencheck sorgfältig geprüft. Eines der Team-Mitglieder ist Jean Peters. Früher war er als Aktionskünstler beim Künstlerkollektiv Peng tätig. Heute ist er investigativer Journalist für CORRECTIV und arbeitet wie die gesamte Redaktion nach diesen Standards, denen alle Recherchen des Medienhauses unterliegen.    

Auf dieser Seite berichten wir fortlaufend über Reaktionen und Folgen seit der Veröffentlichung. Wenn Sie offene Fragen zur Recherche haben, melden Sie sich gerne unter info@correctiv.org.